Wo kommen wir morgen zur Welt
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Ann Loos 37J. ist Hebamme aus Berufung. Sie ist eine der letzten Hebammen, die Hausgeburten betreut. In Deutschland arbeiten etwa 20000 Hebammen, davon sind ca. 3000 freiberuflich tätig. Steigende Kosten, ständige Unsicherheit seitens der Versicherer und der gesellschaftliche Druck führt dazu, dass immer mehr Hebammen ihren Job aufgeben. In den letzten 10 Jahren hat sich die Versicherungsprämie mehr als verfünffacht. Im Juni diesen Jahres wurden neue Ausschlusskriterien für die Hausgeburt festgelegt. Dazu zählt die Überschreitung des Geburtstermins um drei Tage. Die Begründung ist wissenschaftlich nicht begründet und es ist keine Seltenheit,
dass Kinder nicht zum geplanten Geburtstermin geboren werden. Um Anspruch auf den Sicherstellungszuschlag zu haben, muss die Hebamme eine Geburt pro Quartal nachweisen. Gemeinsam mit dem neu eingeführten Ausschlusskriterium könnte dies das Ende
der Hausgeburt bedeuten. Während Hebammen in den Kliniken eine Geburt nach der anderen betreuen und keine 1:1 Betreuung mehr
stattfinden kann, muss Ann weite Strecken fahren, um zu den werdenden Müttern zu kommen. Ann betreut die Frauen über die komplette Schwangerschaft hinweg, kann auf ihre Bedürfnisse eingehen und daher Komplikationen besser einschätzen. Sie ist sowohl Vertrauensperson, Ernährungsberaterin als auch Psychotherapeutin. Viele unnötige Arztbesuche werden jeden Monat durch die Abrufbereitschaft einer Hebamme verhindert.
9 files, last one added on Jul 15, 2016 Album viewed 39 times
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Tacaná
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TACANÁ
Antonio Rodriguez
Während einer Reise in mein Heimatland Guatemala vor zwei Jahren entdeckte ich zwei Fotografien meines Großvaters väterlicherseits. Diesen Großvater hatte ich weder kennengelernt, noch Geschichten über ihn gehört. Selbst mein Vater war noch ein Kind, als mein Opa verstarb und hatte kaum Erinnerungen an ihn. Mit etwas Klebeband waren diese beiden Fotos an einem alten Ausweis befestigt, welcher meinem Großvater offensichtlich von einer mexikanischen Migrationsbehörde ausgestellt wurde. Mein Interesse war geweckt. Es wurde noch viel stärker, als ich bei einem Familientreffen ganz nebenbei erfuhr, dass mein Großvater aufgrund der politischen Situation in Guatemala während der Diktatur unter Jorge Ubico (1931-1944) ins Exil nach Mexiko fliehen musste.
Zurück in Deutschland verspürte ich die dringende Notwendigkeit, den historischen Kontext der Militärdiktatur und somit die Lebenssituation meines Großvaters zu jener Zeit in Guatemala zu verstehen. Das alltägliche Leben war geprägt von Gewalt, Unterdrückung, Militarisierung und Machtmissbrauch.
Mit dem Ziel, die Flucht meines Großvaters nach Mexiko zu rekonstruieren, reiste ich etwa ein Jahr später erneut nach Guatemala. Ich befragte nahe Familienangehörige und alte Freunde meines Großvaters. Meine Ergebnisse waren eine Reihe von oberflächlichen Interviews - leere Stimmen der Angst und Zurückhaltung, die Anekdoten erzählten und Ausflüchte suchten, ohne tatsächlich ins Detail der Diktatur oder des Exils zu gehen. Darüber hinaus suchte ich in offiziellen Archiven in Mexiko sowie im Geburtsort meines Großvaters „Tacaná“ nach weiteren Informationen. Hier stieß ich lediglich auf eine sehr dürftige Auswahl von vermoderten Dokumenten.
Das Fotoprojekt „Tacaná“ ist mein persönlicher Weg, um die Mechanismen der Erinnerung in einem Kontext permanenter Unterdrückung sowie die Prägung der Identität durch Ideale, Zeit, Verlust und Abwesenheit zu verstehen. Auf der Suche nach meinen eigenen Wurzeln enthält dieses Projekt autobiografische Komponenten. Zudem spiegelt es die Notwendigkeit wieder, Familienerinnerungen zu retten und das vorhandene Schweigen zu durchbrechen. Auf einer übergeordneten Ebene soll dieses Projekt ebenso zum Aufbau einer historischen Erinnerung in der guatemaltekischen Gesellschaft beitragen.
Ich möchte einem "Unbekannten" meiner eigenen Familie eine Stimme geben: Mein Großvater steht in diesem Falle stellvertretend für viele weitere Menschen, die das Regime des Terrors in Guatemala hinterfragten, sich dazu gezwungen sahen, unterzutauchen und schon eine Generation später in Vergessenheit geraten waren.
10 files, last one added on Jul 06, 2020 Album viewed 104 times
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