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Es ist sechs Uhr morgens. Die Sonne spiegelt sich auf der Oberfläche des Arauca-Flusses, der Kolumbien und Venezuela voneinander trennt. Eines der langgestreckten Motorboote legt am Ufer auf kolumbianischer Seite an. Drei Männer und eine Frau springen heraus und rennen zehn Meter weit ins Landinnere. In der Flussmitte nähert sich ein Schnellboot der venezolanischen Marine. Das Boot schaltet seine Motoren ab und schaukelt in der Strömung.
Die Gruppe, die sich hinter Bäume geflüchtet hatte, rührt sich erst vom Fleck, als das Schnellboot eine halbe Stunde später aufgibt und weiterfährt. Die Männer und Frauen gehen zum Ufer und holen mehrere schwarze Säcke aus dem Boot. In ihnen befinden sich Hühnerfleisch und Fische, eingewickelt in Plastikplanen und alte Zeitungen, die für den Schwarzmarkt in der Stadt Arauca bestimmt sind.
Der Arauca-Fluss ist Grenzlinie und Lebensader zwischen Kolumbien und Venezuela. Er ist eine durchlässige Grenze, über die alles geschmuggelt wird, was Wert hat, von illegalen Einwanderern aus Venezuela bis hin zu Benzin. Die Bootsführer, die canoeros, wie sie sich auf Spanisch nennen, sind das Rückgrat der informellen Wirtschaft in dieser isolierten Grenzregion.
Von früh bis abends dauert das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Sicherheitskräften und den Schmugglern. Die Arbeit der Bootsführer ist riskant und brotlos. Kolumbianische wie venezolanische Marine beschlagnahmen ihre Waren und Boote. An die kolumbianische Guerilla des Nationalen Befreiungsheeres (ELN) ist für jeden Transport eine "Revolutionssteuer" zu zahlen.
In Brisas del Puente, einem der ärmsten Viertel von Arauca-Stadt, direkt hinter der Grenzbrücke gelegen, leben viele der kolumbianischen und venezolanischen Bootsführer. In meinem Fotoessay stelle ich das Leben am Fluss und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bootsführer dar. Ihre Existenzen wurden in den vergangenen Jahren gleich zwei Mal hart getroffen, zunächst durch die Wirtschaftskrise in Venezuela, dann durch die Corona-Pandemie.
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