Die vier Finalist*innen des Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2025 stehen fest: Cristina De Middel, Rahim Fortune, Tarrah Krajnak und Lindokuhle Sobekwa.
Der seit 1996 jährlich verliehene Preis zeichnet Künstler und ihre Projekte aus, die in den vergangenen 12 Monaten einen bedeutenden Beitrag zur Fotografie geleistet haben. Im Laufe seiner mittlerweile 28-jährigen Geschichte hat sich der Preis als eine der wichtigsten internationalen Auszeichnungen für Fotografen etabliert, die herausragende, innovative und zum Nachdenken anregende Positionen würdigen.
Die für 2025 ausgewählten Projekte zeigen Dokumentarfotografie, inszenierte Bilder, Selbstporträts, Performance und Familienarchive. Themen wie Migration, Gemeinschaft und Zugehörigkeit, generationenübergreifende Traditionen und Rituale, Familienerinnerungen und -geschichten werden in einer Shortlist zusammengeführt, die einige der besten Arbeiten hervorhebt, die im vergangenen Jahr in Europa gezeigt oder veröffentlicht wurden. Die jährliche Ausstellung der ausgewählten Projekte der vier Künstler wird vom 7. März bis zum 15. Juni 2025 in der Photographers’ Gallery, London zu sehen sein.
Der Gewinner der Auszeichnung wird im Rahmen einer Preisverleihung am 15. Mai 2025 bekanntgegeben und erhält ein Preisgeld von 30.000 Britischen Pfund. Die anderen drei Finalisten erhalten jeweils 5.000 Britische Pfund. Einzelheiten zur Ausstellung und Preisverleihung werden Anfang 2025 bekanntgegeben.
Cristina De Middel (*1975, Spanien) wurde für ihre Ausstellung „Journey to the Center“ im Rahmen des Festivals „Les Rencontres de la Photographie“, Arles, Frankreich (1. Juli bis 25. August 2024) ausgewählt.
Ihre Ausstellung präsentiert die zentralamerikanische Migrationsroute durch Mexiko nicht als verzweifelte Flucht, sondern als heldenhafte Reise voller Wagemut. De Middel bedient sich dabei in Struktur und Atmosphäre bei Jules Vernes Buch „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“.
Die Reise beginnt in Tapachula an der südlichen Grenze Mexikos zu Guatemala und endet in Felicity, einer kleinen Stadt in Kalifornien, die offiziell den skurrilen Titel
„Mittelpunkt der Welt“ für sich beansprucht. Der Grenzzaun ist von Felicity aus sichtbar, was zur dystopischen Enttäuschung der Reise beiträgt, deren Endstation nicht mehr ist als eine Touristenattraktion am Wegrand.
Cristina De Middel kombiniert reine Dokumentarfotografie mit inszenierten Bildern und Archivmaterial. Sie widmet sich vielschichtigen Erzählungen, um die Komplexität heutiger Migrationsbewegungen widerzuspiegeln und so der oft vereinfachten Darstellung in den Medien und der offiziellen Berichterstattung entgegenzuwirken.
Rahim Fortune (*1994, USA) wurde für das Buch „Hardtack“ ausgewählt, das 2024 bei Loose Joints erschienen ist.
„Hardtack“ ist ein ungesäuertes Brot, das aus Mehl, Wasser und Salz hergestellt wird und typisch für die Südstaaten Amerikas zur Zeit des Bürgerkriegs war. Aufgrund seiner extrem langen Haltbarkeit wird es traditionell mit Migration und der Kunst des Überlebens in Verbindung gebracht. Fortune nutzt es als Metapher für die
Beständigkeit der Schwarzen Kultur und Traditionen. „Hardtack“ legt die Wurzeln frei, die Fortunes heimische Landschaft mit den Konflikten und Zwischentönen des post- emanzipatorischen Amerika verbinden.
Rahim Fortune greift auf die Sprache der volkstümlichen und der archivarischen Fotografie zurück, um die historische Beziehung seiner Gemeinschaft zur Fotografie zu hinterfragen, die tief in der Kultur verwurzelt ist. Die Motive seiner eindrucksvollen Porträts von Riten des Erwachsenwerdens – junge Bullenreiter*innen, liturgische Tänzer*innen und Festköniginnen – übernehmen und verkörpern diese Gemeinschaftsrituale auf anmutige Weise. Fortune würdigt die Strenge, die Disziplin und kreative Ausdruckskraft dieser kulturellen Darbietungen sowie das generationenübergreifende Gespräch zwischen jungen Menschen und Älteren, die diese Traditionen weitergeben. In „Hardtack“ verwebt er eine dokumentarische Bildsprache mit persönlichen Geschichten zu einem aufrichtigen Ausdruck der Liebe und Leidenschaft für die Region, die ihn persönlich wie künstlerisch genährt hat.
Tarrah Krajnak (*1979, Peru) wurde für die Ausstellung „Shadowings. A Catalogue of Attitudes for Estranged Daughters“ im Huis Marseille, Amsterdam (28. Oktober 2023 bis 3. März 2024) ausgewählt.
Die peruanisch-amerikanische Künstlerin spielt mit der Zeit und verwischt die Grenzen zwischen inszeniertem Selbstporträt und Performance, Selbst und Anderen, Fakt und Fiktion. Die nominierte Ausstellung versammelt ihre wichtigsten Arbeiten aus zwanzig Jahren. Krajnak nutzt die Kamera konsequent als Forschungsinstrument und verfolgt einen konzeptionellen Ansatz zur Rematerialisierung der Fotografie.
Tarrah Krajnak beschäftigt sich intensiv mit dem Handwerk und den Prozessen der Fotografie. Sie druckt weiterhin sämtliche ihrer Fotografien selbst, unter anderem als Pigmentdrucke von Farbfilmen, Silbergelatineabzüge, Cyanotypien und Anthotypien (Bilder, die mit lichtempfindlichen Materialien auf Pflanzenbasis hergestellt werden).
Dabei erscheint häufig ihr eigener Körper, ihre Aufnahmeorte wechseln zwischen ihrem Studio, Orten, die sie während ihrer Recherchen bereist und der Dunkelkammer. Krajnak richtet ihr Objektiv auch auf andere Fotografien, darunter Werke von „Meistern“ der Fotografie. Indem sie diese Schlüsselwerke durch eigene körperliche Interventionen neu inszeniert, stellt sie den etablierten kunsthistorischen Kanon infrage.
Lindokuhle Sobekwa (*1995, Südafrika) ist für sein Buch „I carry Her photo with Me“ ausgewählt worden, das 2024 bei Mack Books erschienen ist.
Das zutiefst persönliche Projekt begann damit, dass Sobekwa ein Familienfoto fand, aus dem das Gesicht seiner älteren Schwester Ziyanda herausgeschnitten war. Es ist das einzige Foto, das er von ihr besitzt. Als die Geschwister sieben und dreizehn Jahre alt waren, jagte ihm seine Schwester hinterher, woraufhin er von einem Auto erfasst und schwer verletzt wurde. Ziyanda verschwand Stunden später und kehrte erst ein Jahrzehnt später erkrankt zurück. Zu diesem Zeitpunkt war Sobekwa bereits Fotograf. Er versuchte, ein Porträt von seiner Schwester aufzunehmen, brach aber ab, als sie wütend reagierte. Kurz darauf verstarb Ziyanda.
„I carry Her photo with Me“ kombiniert Fotografien, handschriftliche Notizen und Schnappschüsse von der Familie. In dieser an ein Sammelalbum erinnernden Publikation erforscht Sobekwa die Erinnerung an seine Schwester und die weitreichenden Folgen dieser Art von Verschwinden – eine beunruhigende Facette der Geschichte Südafrikas. Das Werk ist Teil seiner umfassenderen Auseinandersetzung mit Zersplitterung, Armut und den langfristigen Folgen von Apartheid und Kolonialismus auf allen Ebenen der südafrikanischen Gesellschaft.
Die diesjährige Jury setzt sich zusammen aus: Anne-Marie Beckmann (Direktorin der Deutsche Börse Photography Foundation), Gwen Lee (Mitbegründerin des Singapore International Photography Festival und Direktorin des DECK Photography Art Centre), Dana Lixenberg (niederländische Fotografin und ehemalige Preisträgerin), Aron Mörel (britischer Verleger Mörel Books) und Shoair Mavlian (Direktorin der Photographers‘ Gallery) als stimmberechtigte Vorsitzende.
https://www.deutscheboersephotographyfoundation.org/