Es sieht aus wie ein Foto, aber es ist nicht echt. Wie soll man es also nennen?
Visual 1st will es wissen und startet einen Wettbewerb, um die passende Bezeichnung für KI-generierte, foto-realistisch wirkende Bilder zu finden.
Adobe hat vor kurzem bekannt gegeben, dass seine KI-Technologie Firefly seit der Einführung im März 2023, also vor etwas mehr als sechs Monaten, bereits zur Erstellung von über einer Milliarde Bildern verwendet wurde. Und eine Studie des Everypixel Journal schätzt die Gesamtzahl für die vier wichtigsten KI-Plattformen (DALL-E, Midjourney, Stable Diffusion und Firefly) auf über 15 Milliarden Bilder im vergangenen Jahr.
Hans Hartman von Visual 1st bennent dazu einen wichtigen Vorbehalt: „In einer Zeit, in der die Virtualisierung von Informationen unsere grundlegenden Einstellungen erschüttern und einen ehemals (größtenteils) homogenen Konsens über das Wesen der Realität erschüttern, ist unser Glaube an die (wenn auch eingeschränkte) Vertrauenswürdigkeit von Fotografien als Zeugen der realen Welt ein wertvolles Instrument, damit unsere Kultur und unsere Gesellschaften funktionieren können. Und dieser Glaube wird durch die generative KI gerade ernsthaft untergraben.“
Paul Melcher, Geschäftsführer von Melcher System: „Das Problem besteht nicht nur darin, dass gefälschte Bilder als echt wahrgenommen werden können, sondern auch darin, dass echte Bilder diskreditiert werden. Während der erste Punkt zu Täuschung führen kann, kann der zweite Misstrauen schüren. Misstrauen ist besonders besorgniserregend, denn im Gegensatz zur Täuschung, die ein einzelnes Ereignis betrifft und korrigiert werden kann, untergräbt Misstrauen den Kern einer Beziehung und ist oft irreparabel. Folglich wird die Glaubwürdigkeit aller Bilder, ob echt oder generiert, fragwürdig.“
Hans Hartman: „Es steht außer Frage, dass KI-Kreationen keine Fotos sind. Da sie jedoch überzeugend wie Fotografien aussehen und es keinen prägnanten, aussagekräftigen und allgemein akzeptierten Begriff für sie gibt, werden sie allgemein als „Fotografien“ bezeichnet. Die daraus resultierende Verwirrung zwischen echten und unechten Bildern ist ein ernsthaftes Problem, das größtenteils gelöst werden könnte, wenn ein solcher Begriff zur Verfügung stünde.“
Visual 1st, eine Plattform für wirtschaftliche und soziokulturelle Themen, die von Bildtechnologie vorangetrieben werden, schreibt daher einen offenen Wettbewerb aus, um einen solchen Begriff zu finden, der klar und prägnant auf KI-generierte fotorealistische synthetische Bilder angewandt werden kann. Dieser Begriff soll es denjenigen, die KI-basierte Bilder erstellen, ermöglichen, diese eindeutig zu identifizieren.
Andy Parsons, Senior Director der Content Authenticity Initiative: „Bei Adobe hat sich die Content Authenticity Initiative von Anfang an darauf konzentriert, Menschen ein Mittel an die Hand zu geben, mit dem sie vertrauenswürdige fotografische Medien von generierten oder manipulierten Medien unterscheiden können. Das Kernstück dieser Mission der gemeinsamen, objektiven Realität ist ein gemeinsamer, zugänglicher und gut etablierter Satz von Begriffen, die wir verwenden, um fotorealistische Bilder zu beschreiben, die nicht fotografischen Ursprungs sind. Mit einem Begriff zur Beschreibung dieser Bilder kann ein konstruktiver Diskurs über Vertrauen, Transparenz und die Wahrung vertrauenswürdiger Bilder geführt werden. Ich begrüße die Initiative von Visual 1st und freue mich auf ihr Ergebnis!“.
Auch die Technical Image Press Association ist der Ansicht, dass es noch nie so wichtig war wie heute, sich auf die Herkunft und Authentizität digitaler Inhalte verlassen zu können. „Ein Foto wird ausschließlich durch die Aufnahme von Licht in einer Kamera erzeugt. KI-generierte Bilder sind daher keine Fotos und sollten nicht als solche bezeichnet werden, auch wenn ihre fotorealistische Darstellung diesen Eindruck vermittelt. Da die qualitativen Grenzen verschwinden, ist eine klare Unterscheidung zwischen Fotografien einerseits und generierten Bildern andererseits entscheidend für deren Einordnung und Wahrnehmung. Dazu bedarf es eines klaren und anerkannten Begriffs zur Bezeichnung von fotoähnlichen generierten Bildern, und wir unterstützen die Initiative von Visual 1st, diesen Konsens zu entwickeln“, zitiert ProfiFoto-Chefredakteur Thomas Gerwers in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Technical Image Press Association das von ihm mit-verfasste Postionspapier des Deutschen Fotorats zu dem Thema.
Leslie Hughes, Präsidentin der Digital Media Licensing Association, ergänzt: „Die Technologie ist seit der Erfindung der Kamera eine treibende Kraft für visuelle Inhalte, aber noch nie war die Frage des Vertrauens und der Transparenz größer als heute aufgrund der raschen Einführung und Übernahme der generativen KI. Die Initiative Visual 1st, einen Begriff für computergenerierte Inhalte zu finden, die wie Fotografien aussehen, ist mehr als nur eine Namenskonvention: Ein solcher Begriff könnte der erste Schritt zur Schaffung einer Kultur der Transparenz sein. Wahrheit, Transparenz und unser Wissen darüber, was was ist, werden es uns ermöglichen, den Wert zu schätzen, den jede Art von Bilderstellung mit sich bringt.“
Weitere Informationen über den Zeitplan, den Ablauf und die Auswahl der Gewinner des Wettbewerbs werden auf der 11. jährlichen Visual 1st Konferenz am 24. und 25. Oktober in San Francisco bekannt gegeben, auf der zahlreiche Sessions die wirtschaftlichen Chancen und Herausforderungen der KI-Revolution in der Bildgebungsbranche erörtern werden.