Noch bis zum 12. Oktober können Professoren deutscher Hochschulen Absolventen ihrer Fotoklassen beim diesjährigen Wettbewerb Gute Aussichten für junge deutsche Fotografie nominieren. In deren Reihen gibt es aktuell jedoch Kritik an den Regeln für Preisträger. ProfiFoto, als einer der langjährigen Medien-Partner und Förderer von Gute Aussichten, schafft Transparenz in der Debatte.
Am inzwischen 17. Durchgang von Gute Aussichten können Studenten der Fotografie mit Abschlussarbeiten teilnehmen, die sie an einer deutschen Institution (Hochschulen, Universitäten, Fachhochschulen, Akademien und so weiter) abgelegt haben, wobei der Veranstalter maximal fünf Abschlussarbeiten pro Ausbildungsstätte annimmt.
Gegründet wurde Gute Aussichten 2004 als private Initiative von Josefine Raab und Stefan Becht. Im Mai 2015 wurde das Projekt in eine gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung des fotografischen Nachwuchses in Deutschland überführt. „Alle Aktivitäten sind ausschließlich auf diesen Zweck ausgerichtet und werden jährlich auf ihre Gemeinnützigkeit geprüft“, so Stefan Becht.
Die durch eine prominent besetzte Fachjury prämierten Arbeiten werden gemeinsam mit Ausstellungspartnern national und international der Öffentlichkeit vorgestellt. In den letzten Wochen erhielten Professoren einmal mehr den Aufruf, die Arbeiten ihrer besten Absolventen für den Preis einzureichen. Anlass für Professor Michael Kerstgens vom Fachbereich Gestaltung/Fotografie der Hochschule Darmstadt, in einer E-Mail an 25 seiner Kollegen Bedenken zu den Bedingungen zu äußern, denen die Gewinner des Wettbewerbs zustimmen müssen.
Michael Kerstgens: „Mir geht es um einen Vertrag (die „Golden Rules“), den die Preisträger akzeptieren müssen.“ Bei diesen „Golden Rules“ geht es um verbindliche Regeln der Zusammenarbeit. „Können oder wollen sie das nicht“, so Kerstgens, „sind sie raus, also keine Preisträger mehr, und werden ausgeschlossen. Das ist schon ziemlich hart, finde ich“, so der Professor.
Mit den „Golden Rules“ sichert sich Gute Aussichten unter anderem eine Provision bei Verkäufen der prämierten Arbeiten in Höhe von 35 Prozent. „Das eingeschränkte Nutzungsrechte für die Dauer des jeweiligen Jahres erteilt werden, damit der Veranstalter für seine Ausstellungen werben kann, ist üblich und ok“, so Kerstgens. „Aber es kann nicht sein, dass sich die Veranstalter alle Rechte an den eingereichten Werken sichern, dies ausdrücklich auch über den Zeitraum von 14 Monaten hinaus!!“, so seine Kritik.
„Außerdem müssen die Preisträger alle Herstellungskosten der Exponate selber tragen. Die Häuser, in denen sie ausstellen, beteiligen sich nicht an den Kosten. Ebenso sind die Preisträger verpflichtet, je Ausstellungsort vier bis fünf Tage vor Ort zu sein. Klar, die Ausstellung muss gehängt werden. Aber 150 Euro je Ausstellungsort deckt oft nicht einmal die Fahrtkosten oder die Unterbringung. Zudem müssen die Transportkisten selbst bezahlt werden“, so Kerstgens.
„Auch wenn es eine große Chance für unsere Absolventen ist, sind die Kosten für die Preisträger doch enorm hoch, bis es zur ersten Ausstellung kommt. Da würde ich mir wünschen, dass Gute Aussichten sich einen Sponsor sucht und eventuell die Ausstellungsorte mit in die Pflicht nimmt. Sicher, die jungen Künstler profitieren, und man könnte von einer WinWin-Situation sprechen. Aber ich kann dieses neoliberale WinWin-Gequatsche nicht mehr hören. Meines Erachtens wird eine – eigentlich tolle – Möglichkeit geboten, die aber auf Kosten der Preisträger geht. Manche können sich diese Preisträgerschaft eventuell gar nicht leisten“, so der Professor, der deshalb keine weiteren Absolventen mehr für die Prämierung bei Gute Aussichten vorschlagen will, solange besagte „Golden Rules“ von den Preisträgern akzeptiert werden müssen.
Josefine Raab und Stefan Becht, die beiden Köpfe hinter Gute Aussichten, sehen durch die Kritik des Professors ihre „komplette Arbeit, die das renommierteste fotografische Nachwuchsförderungs-Projekt Deutschlands seit 17 Jahren für die inzwischen 141 Preisträger in über 160 weltweiten Ausstellungen und Aktionen geleistet hat beziehungsweise leistet, diskreditiert und gefährdet“, so beide in einer offiziellen Stellungnahme.
Josefine Raab: „Gute Aussichten hat sich seit dem Jahr 2004 kontinuierlich weiterentwickelt. Wir sind selbstverständlich stets daran interessiert, Anregungen aufzunehmen und realisierbare Verbesserungen in den Wettbewerb einfließen zu lassen, hätten uns jedoch von Professor Michael Kerstgens eine direkte und nicht hinter unserem Rücken geführte Kommunikation gewünscht. Sowohl die Teilnahme-Bedingungen wie auch die Golden Rules, die auf den Teilnahme-Bedingungen beruhen und die Zusammenarbeit mit den Preisträgern regeln, wurden von uns bereits aktualisiert und stehen auf unserer Website zur Verfügung“, was Michael Kerstgens als erste Reaktion auf seine Kritik begrüßt, nachdem, so der Professor „schon mehrere Hochschulen in den Vorjahren versucht haben, diesbezüglich mit Gute Aussichten ins Gespräch zu kommen, es aber zu keinen Veränderungen kam“.
Josefine Raab zu den weiteren Vorwürfen: „Da Gute Aussichten ausschließlich Abschluss-Arbeiten der Studenten annimmt, entstehen für mögliche Preisträger keine weiteren Herstellungskosten, und es wurde noch nie jemand ausgeschlossen, der die Golden Rules nicht unterzeichnete. Die Beteiligungsregelung umfasst den jeweiligen Ausstellungszeitraum von Gute Aussichten, und die 150 Euro Handgeld der Ausstellungspartner für die Preisträger sind als eine Anerkennung und nicht als Vergütung zu verstehen. Die Teilnahme an Gute Aussichten bietet den Preisträgern eine einmalige Plattform, sich und ihre Arbeiten einem größeren Publikum zu präsentieren; sie war und ist für die Abschluss-Studenten der Fotografie sowohl freiwillig wie kostenfrei. Jeder kann, auf Grundlage der Teilnahme-Bedingungen und der Golden Rules, die für jeden einseh- und lesbar sind, selbst entscheiden, ob er sich wirklich engagieren möchte“, so die Initiatorin.
Stefan Becht ergänzt: „Die Behauptung, Gute Aussichten trüge den Wettbewerb auf dem Rücken der Abschluss-Studenten aus und sie könnten sich eine Teilnahme gar nicht leisten, ist absurd. Die Fakten sind: Im Gegensatz zu vielen anderen Wettbewerben erhebt das von uns ins Leben gerufene Nachwuchsförderungs-Projekt grundsätzlich keinerlei Einreichungs-, Wettbewerbs- oder Teilnahmegebühren. Das ist für uns eine Frage der Haltung und nicht der Kassenlage. Das Mitmachen ist jedoch für alle ebenso arbeitsintensiv, wie freiwillig und kostenlos. Es entstehen auch für die späteren Preisträger keine weiteren, verdeckten oder
anteiligen Kosten, an was auch immer. Als private Initiative sind wir jedoch darauf angewiesen, dass alle Teilnehmer ihre Kosten, die sie verursachen, auch selbst tragen. Hierzu gehört auch die aktive Mitarbeit (Vorbereitungen, Besprechungen, Aufbau, Pressekonferenzen, Eröffnungen, Anschlussveranstaltungen usw.) in allen deutschen Ausstellungshäusern, in denen Gute Aussichten präsentiert wird. Wir erwarten hier zwingend die persönliche, aktive Anwesenheit der Preisträger. Sollte sich der Zeitrahmen der Ausstellungen nicht mit der Lebensplanung eines Teilnehmers in Einklang bringen lassen, sollte dieser sich bitte nicht für Gute Aussichten bewerben. Denn: Es sind immer die Werke und Ausstellungen der Preisträger, um die es bei Gute Aussichten in allererster Linie geht”, so der Organisator.
Die kompletten, aktuellen Wettbewerbs- und Teilnahme-Unterlagen, die „Golden Rules“ sowie der Einreichungsbogen zu Gute Aussichten 2020/2021 finden sich hier:
https://www.guteaussichten.org/index.php?id=618