Frank Schultze ist Mitglied der Reportergemeinschaft Zeitenspiegel, für die er entwicklungspolitische Reportagen ebenso fotografiert wie in weltweiten Krisenregionen. Mit ProfiFoto sprach er über die aktuelle Situation freier Bildjournalisten und sein neues Fotobuch über Beirut
ProfiFoto: Frank Schultze, wie würden Sie die derzeitige Situation freier Bildjournalisten in Deutschland beschreiben? Welche besonderen Herausforderungen erleben Sie?
Frank Schultze: Als immer schwieriger. Besonders für die freien Bildjournalisten. Wir sind so zusagen ungeschützt dem freien Fall in der Medienlandschaft ausgeliefert. Den festen Fotografen, die etwa bei Agenturen arbeiten, geht es da wahrscheinlich etwas besser. Ich spüre seit geraumer Zeit den Gegenwind und bin froh, dass ich nichtmehr am Anfang meiner Laufbahn stehe.
ProfiFoto: Die Medienlandschaft hat sich durch den digitalen Wandel stark verändert. Wie wirkt sich dies auf die Arbeit freier Fotografen und Bildjournalisten aus, sowohl in Bezug auf Aufträge als auch auf die Vergütung?
Frank Schultze: Die Auflagen in den Verlagshäusern, besonders im Printbereich, verringern sich seit Jahren, und die Anzeigenkunden wandern zu den digitalen Medien weiter. Dort wurden aber von Anfang an so geringere Honorare gezahlt, dass sich dafür aufwändigere Recherchen nicht mehr rechnen.
ProfiFoto: Viele freie Journalisten stehen daher zwischenzeitlich unter großem wirtschaftlichem Druck. Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die Situation freier Bildjournalisten langfristig zu verbessern?
Frank Schultze: Ich bin da eher pessimistisch, was die Zukunft des freien Bildjournalismus angeht. Klar ist, dass es nach wie vor sehr gute journalistische Fotografie gibt und auch weiterhin gebraucht wird. Der Hunger nach Bildern ist, befeuert durch die Digitalisierung, sogar noch größer geworden. „Bilderflut“ ist da das Stichwort. Materialkosten spielen keine Rolle mehr. Was früher die „Ritschratschklick“ war, ist heute das Smartphone, mit dem schnelle und erstaunlich gute Ergebnisse erzielt werden können. Der Markt ist heute auch mit vielen guten Bildjournalisten eng geworden. An den Hochschulen werden schon lange mehr Fotografen ausgebildet, als eigentlich benötigt werden. Das führt leider dazu, dass die Verlage ihre wirtschaftlichen Probleme noch mehr auf die freien Bildjournalisten abwälzen können. Alleine durch die Forderung nach mehr gut bezahlten Jobs lässt sich das Rad aber nicht mehr zurückdrehen.
ProfiFoto: Wie gehen Sie persönlich mit der zunehmenden Konkurrenz und die massive Nutzung von Smartphones für Reportagefotografie um? Welche Rolle spielen dabei ausgebildete Profis noch?
Frank Schultze: Mit meiner Erfahrung einer langen Laufbahn biege ich wie gesagt langsam auf die Ziellinie ein und sehe das mit der „Konkurrenz“ etwas entspannter als noch vor ein paar Jahren. Die goldenen Zeiten im Bildjournalismus waren schon vorbei, als ich mit der Fotografie angefangen habe. Daher bin ich Kummer gewohnt. Viele Kollegen haben die Segel gestrichen. Aber ich werde noch ein paar Jährchen versuchen, meine Projekte gut umzusetzen und auf interessante Themen zu stoßen. Grundsätzlich glaube ich, dass sich ausgebildete Profis immer gegen die Konkurrenz durch Amateure behaupten werden. Eher wird sich die Konkurrenz unter den Profis vergrößern, um an gute Jobs zu kommen.
ProfiFoto: Wie wichtig sind Netzwerke und Kooperationen für freie Bildjournalisten heute, und inwiefern hilft Ihnen Ihre Zusammenarbeit mit Zeitenspiegel Reportagen?
Frank Schultze: Sehr wichtig. Zeitenspiegel war für mich immer so etwas wie ein Heimathafen in rauer See. Ich glaube, dass wir, so wie wir aufgestellt sind, schon seit fast 40 Jahren einige Stürme überstehen konnten. Weil wir als Kollektiv aus Fotografen und Schreibern wie eine Redaktion zusammenarbeiten, können wir auch journalistische Ideen entwickeln und eigenständige Projekte umsetzen. Das hat uns oft geholfen, weiter im Journalismus zu arbeiten und nicht zu sehr im Corporate-Bereich zu verweilen. Obwohl Corporate-Fotografie immer wichtiger für Bildjournalisten geworden ist, um die Miete bezahlen zu können.
ProfiFoto: Ihr aktuelles Projekt „Beirut, wieviel ‚Perle des Orients‘ ist noch zu spüren?“ wurde durch ein NRW-Stipendium gefördert. Wie haben Sie die Idee für dieses Projekt entwickelt, und was hat Sie besonders daran fasziniert?
Frank Schultze: 2013 war ich mit meinem schreibenden Kollegen von Zeitenspiegel im Auftrag in Beirut. Weil mich das Flair der Stadt so fasziniert hat, wollte ich zurückzukehren, um dieses Stadtportrait zu fotografieren. Da kam mir zur Finanzierung meines Vorhabens das Stipendium wie gerufen. Denn für eine freie Arbeit wie diese, welche man mit Herzblut machen kann, bin ich unter anderem Bildjournalist geworden.
ProfiFoto: Welche Herausforderungen haben Sie bei der fotografischen Dokumentation Beiruts erlebt, insbesondere im Hinblick auf die sensible Balance zwischen Schönheit und Zerstörung in Ihren Bildern?
Frank Schultze: Bei meinem ersten Besuch wollte ich mir bewusst mehr Zeit geben, um ohne Druck die Stadt überwiegend zu Fuß zu erkunden. Dann habe ich viele meiner Motive recherchiert. Obwohl ich mich eigentlich treiben lassen wollte, habe ich mir nach und nach eine Motivliste erarbeitet und diese abgearbeitet. Für meine zweite Reise hatte ich dann noch etwas genauere Vorstellungen, was und wie ich noch fotografieren wollte. Schönheit und Zerstörung zu finden ist in Beirut keine so große Herausforderung.
ProfiFoto: Wie hat das NRW-Stipendium Ihre Arbeit in Beirut unterstützt? Welche Möglichkeiten hat es Ihnen geboten, die Sie ohne diese Förderung vielleicht nicht gehabt hätten?
Frank Schultze: Das Projekt wollte ich schon zwei Jahre früher beginnen, doch Corona hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Glücklicherweise konnte ich die Unterstützung dann später nutzen. In erster Linie hat mich die finanzielle Unterstützung unabhängig von Auftraggebern gemacht, so dass ich ohne Druck und zeitlich flexibel arbeiten konnte.
Zur Person
Frank Schultze, geboren 1959 in Daun in der Eifel, lebt in Dortmund und hat Bildjournalismus bei Prof. Adolf Clemens am Fachbereich Fotodesign der Fachhochschule in Dortmund studiert. Seit dem Abschluss 1992 veröffentlicht er in allen wichtigen deutschsprachigen und internationalen Magazinen und Zeitungen wie etwa GEO, Stern, Focus, Die Zeit. Dabei steht der Mensch immer im Vordergrund seiner Fotografie. Seit 1996 ist er bei zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten und wurde mehrfach bei Awards und mit Stipendien ausgezeichnet.
Zeitenspiegel
1985 schlossen sich in der schwäbischen Idylle Weinstadt eine Handvoll Autoren und Fotografen zur Reportergemeinschaft Zeitenspiegel zusammen. Bis heute arbeiten sie für Spiegel, Geo, Zeit, Süddeutsche Zeitung und andere Printmedien. Die Autoren berichten aus Krisenregionen, filmen Reportagen für ARD, ZDF und Arte, produzieren multimedial oder schreiben Bücher. Seit mehr als zwanzig Jahren lobt Zeitenspiegel den Hansel-Mieth-Reportagepreis aus, 2005 wurde eine Reportageschule in Reutlingen gegründet.
Die Mitglieder der Gemeinschaft helfen sich gegenseitig, zahlen Honorare nach Bedarf aus einem Topf und lassen jedem die Freiheit, die er zur Umsetzung seiner Ideen braucht. Nicht nur in Weinstadt, sondern auch in unseren Außenbüros, die über die Jahre in Manila, Peking, Kopenhagen, Leipzig, Berlin, Hamburg und Dortmund gegründet wurden.