Viele Fotografen wollen mit ihrer Kunst Geld verdienen oder vielleicht sogar davon leben können, doch deutsche Kunstgalerien erzielen nur rund 5 Prozent ihres Umsatzes mit Fotografien. Wie wahrscheinlich ist es also, mit Fotokunst Geld zu verdienen?
1.
Welche fotografischen Genres behaupten sich auf dem Kunstmarkt am besten, welche am schlechtesten?
2.
Wie wichtig ist ein (Kunst-)Hochschulabschluss, um sich auf dem Kunstmarkt zu etablieren?
3.
Wie offen ist der Markt für zeitgenössische, bislang noch relativ unbekannte Fotografen?
4.
Welche Editonsgröße ist aus Ihrer Sicht empfehlenswert und in welchem Preissegment hat zeitgenössische Fotografie die größten Verkaufsaussichten?
Julian Sander, Galerist, galeriejuliansander.de
1.
Wie wahrscheinlich ist es, mit Fotokunst Geld zu verdienen?
Diese Frage ist eigentlich eine, die bereits viel Klärungsbedarf beinhaltet. Zunächst müssen wir zwischen dem, was mit einer Kamera oder besser gesagt, einem lichtempfindlichen Medium erstellt wird, und dem, was als Kunst verstanden werden kann oder soll, unterscheiden. Ganz ehrlich, ich bin kein Freund dieser Trennung zwischen „Foto“ und „dem Rest“ der Kunst. Die allgemeine Annahme, dass etwas wertvoller ist, je seltener es ist und je schwerer oder teurer es zu produzieren war, ist schwer auf die Fotografie anzuwenden, vor allem nach der Werbung durch Kodak und Polaroid. Das passt einfach nicht zu der angeblichen „Schwierigkeit“, die mit Fotografie verbunden sein soll. Das hängt auch damit zusammen, wie tief wir bereit sind, in ein Werk einzutauchen. Fotokunst sieht oft so aus, als wäre sie einfach zu machen, oder zumindest einfach zu wiederholen. Das kratzt gewaltig an der Glaubwürdigkeit des fotografischen Mediums als Kunstform.
Aber mal ehrlich, Kunst als Beruf ist immer schwer, egal welches Medium man wählt. Das liegt zum Teil an den Anforderungen der Kunst selbst, die zunehmend verschwinden oder nur noch vage umrissen sind, um ja niemanden zu beleidigen. Niemand will jemanden verletzen! Wenn alles Kunst ist, ist nichts Kunst. Und wenn das so ist, dann kann alles, was sich Kunst nennt, auch als solche durchgehen. Das Ergebnis ist, dass der Markt mit einer Flut von Müll überladen ist, durch den sich Käufer quälen müssen, um etwas zu finden, das sie als Kunst erkennen können.
Im öffentlichen Diskurs darf niemand etwas Beleidigendes sagen, aber die Aussage wird dennoch gemacht – indem sich „Kunst“ schlichtweg nicht verkauft. Die Kritik kommt in Form der Verweigerung, aber diese Art der Kommunikation ist schwer zu verstehen.
2.
Eine (künstlerische) Ausbildung ist enorm wichtig – aber nur insofern, als dass sie nie endet. Technik, Google, YouTube und eine Bibliothek ermöglichen jedem, der Zugang hat, die technische Ausbildung zu erreichen. Aber das Sehen lernt man mit dem Herzen. Es ist eine Fähigkeit, die geschärft werden kann, aber nicht grundlegend beigebracht werden kann – zumindest nicht in der Zeit, in der ein universitärer Kurs beginnt. Es ist im Wesentlichen ein Geschenk aus der Kindheit, als wir die Welt mit offenem Herzen und großer Neugier betrachteten.
3.
Wir sind auch Gewohnheitstiere, die sich mit dem, was sie kennen, wohlfühlen. Die formale Gestaltung eines Bildes wird zur Marke des Künstlers. Die „Düsseldorfer Schule“ ist ein Paradebeispiel, das durch Generationen von Fotografen so oft wiederholt wurde, dass es fast ein Running Gag geworden ist. Und doch gibt es innerhalb dieser Formalitäten auch wirklich großartige Werke. Aber die sieht man nur, wenn man bereit ist, Augen, Herz und Verstand für Neues zu öffnen. Doch das tun die wenigsten, denn das bedeutet, sich einem beängstigenden Raum in sich selbst zu stellen.
4.
Fotografie ist ein schnelles Medium. Es ist auch ein reproduzierendes Medium. Selbst der erste Abzug von einem Negativ ist eine Kopie des Originalwerks. Das trifft nicht auf manche Medien wie Daguerreotypien, Ektachrome oder Polaroid zu, aber ansonsten ist Fotografie ein Medium der Reproduktion, wie Bücher, Filme, Musik, Theater, Bronzeguss oder fast alles andere. Eigentlich trägt alles, was wir erleben, diese Eigenschaft. Selbst Gemälde werden von fast allen Menschen auf einem Smartphone-Monitor betrachtet. Da kann man sich fragen: Was kaufe ich überhaupt? Worin liegt der Wert? Wenn ich etwas in einer Edition kaufe, rede ich mir vielleicht ein, dass mein Verlangen, das Werk zu besitzen, ein „vernünftiges“ Argument für den Werterhalt ist. Es ist eines von nur X Exemplaren. Doch das ist eine Lüge, die wir uns selbst erzählen, um die Vernunft zu beruhigen. Der eigentliche Wert liegt nicht in der Edition, sondern im Begehren zum Zeitpunkt des Verkaufs des Werkes. Tatsächlich werden fast alle Werke nicht wieder verkauft werden können, zumindest nicht für mehr Geld als der Käufer ursprünglich bezahlt hat. Ist eine Edition also wichtig? Ich finde nicht. Vor allem nicht, wenn es dazu führt, dass Künstler ihre Editionen voll produzieren und somit Kosten und Folgekosten auf sich nehmen für Werke, von denen vielleicht nur ein kleiner Teil überhaupt verkauft werden kann. Viel sinnvoller ist es, eine Seriennummer beispielsweise einen Zähler auf dem Bild zu notieren: 1. Abzug, 2. Abzug, 131. Abzug usw. Der erste Abzug wird immer bedeutender sein, besonders wenn es viele Abzüge von einem Bild gibt. Es ist eine Aussage des Marktes, dass es ein begehrtes Bild ist. Die Auktionshäuser werden mich für diese Aussage vielleicht verfluchen, aber meine Meinung basiert auf meiner Erfahrung.
Wir befinden uns in einer Zeit der Korrektur im Kunstmarkt. Die Investoren haben das sinkende Schiff verlassen, weil sie wieder Geld mit Staatsanleihen verdienen können. Das billige Geld ist weg. Das bedeutet, dass einige im überhitzten und überfüllten Kunstmarkt nicht mehr überleben werden. Eine Lösung wäre, die Preise zu senken, in der Hoffnung, dass Sammler kaufen, weil sie verstehen, dass es ihrer Sammlung dient, wenn sie Kunst kaufen. Die Infrastruktur kann nur existieren, wenn Geld im System ist. Das kommt von Käufern, egal ob Institutionen oder Privatpersonen. Kunst gibt es bekanntlich genug.
Karin Rehn-Kaufmann, Art Director Leica Galerien International, leica-camera.com
1.
Es gibt in den Galerien heute sehr unterschiedliche Genres, die angeboten werden. Früher gab es keine Fotografie in Contemporary Art Galleries. Heute ist das Standard. Da geht es um Kunstfotografie, das Vertrauen in die Galleristen, dass der Wert des Bildes steigt, bekannte Fotograf/innen wie zB Cindy Sherman – das heißt, dass der Sammleraspekt zur Wertanlage im Vordergrund steht. Verkaufen lassen sich am besten die Fotografen, die bereits einen Namen im Kunstbusiness haben und sich eher im Feld der Kunstfotografie bewegen. Reine Dokumentarfotografie und Reportage verkauft sich dagegen schlecht. Eine Mischung aus Kunst mit anderen Genres wie z.B. Reportage, wenn das Bild einen individuellen, eigenen, besonderen Ausdruck hat, ist immer besser im Verkauf. Im Allgemeinen spürt aber der gesamte Kunstmarkt im Moment die Rezession.
2.
Aus meiner Sicht ist das für Fotograf/innen nicht unbedingt relevant. Es kommt immer auf die Bilder an, und wie wir aus der Vergangenheit gelernt haben, wie z.B. der große Henri Cartier-Bresson gibt es viele Fotograf/innen, die ohne einen Abschluss weltweit bekannt wurden. Heute könnte allerdings bei mancher Bewerbung ein solcher Abschluss hilfreich sein.
3.
In unseren Leica Galerien weltweit legen wir sehr großen Wert genau auf diesen Aspekt. Nicht immer ist der Verkauf groß, aber dennoch ist es sehr wichtig unbekannten Fotograf/innen eine Plattform zu geben.
4.
Ich empfehle jungen Fotograf/innen nicht über eine Edition von 7 zu gehen. Für größere Formate noch weniger.
Ute Hartjen, Leitung der Galerie Camera Work und Vorstand der Camera Work AG, camerawork.de
1.
Seit jeher genießen das Porträt und der Akt in der Kunst ein hohes Ansehen. An ihnen lässt sich auch die Kulturgeschichte ablesen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam die Modefotografie dazu, die mit Künstlern wie Irving Penn, Richard Avedon, Helmut Newton, Peter Lindbergh, Herb Ritts, Patrick Demarchelier oder Albert Watson immer wieder neue Rekordergebnisse auf dem Kunstmarkt erzielt. In den letzten Jahren arbeiten mehr und mehr Künstler mit Inszenierungen. Sie kreieren Bilderwelten, arbeiten mit verschiedenen Materialien und sehen den Prozess des Bauens des Bildraumes als Grundlage ihres Schaffens. Die Grenzen der künstlerischen Entfaltung werden so neu gesetzt. Künstler wie Christian Tagliavini und Eugenio Recuenco gelten in der zeitgenössischen Fotografie als führend in diesem Bereich. Sie investieren in Inszenierungen teilweise Monate harter Arbeit. Dies schätzt der Kunstsammler in einer Zeit, in der das Verständnis vorherrscht, dass jeder Fotos machen könne. Ein Irrglaube ist, dass es Genres gäbe, die sich aufgrund ihrer Schönheit immer gut behaupten würden. Ein Beispiel ist die fotografische Arbeit mit Tieren. Es gibt wahrscheinlich Tausende Fotografen, die sich in diesem Genre etablieren möchten. Mit Peter Beard, Nick Brandt und David Yarrow gibt es aber nur drei führende Künstler, die sich in diesem Bereich in den vergangenen 60 Jahren auf dem internationalen Kunstmarkt durchsetzen konnten. Generell lässt sich aber sagen: Der Erfolg liegt weniger an einem bestimmten Genre, das ein Schubladendenken bedient. Dafür ist Fotokunst viel zu komplex. So hat sich beispielsweise das Verständnis des fotografischen Porträts in seiner 185-jährigen Geschichte in der Fotografie zu sehr gewandelt.
2.
Die Karrieren von Künstlern verlaufen sehr unterschiedlich. Und es ist gerade die nicht existierende Formel, die die Kunst so besonders macht. Eine Ausbildung oder ein Studium in einem künstlerischen Bereich sind ein gutes Fundament und können positiv zur Reputation eines Künstlers beitragen. Wir denken hier beispielsweise an die Düsseldorfer Schule. Wiederum zeigt sich auch im zeitgenössischen Kunstmarkt ein großes Interesse an „Outlaws“ – also Künstlern, die sich jeglicher Konvention entziehen. Um sie bildet sich ein besonderes Image, ein Mythos und eine außergewöhnliche Narration. Umso wichtiger wird die Rolle der Galerien, die letztendlich einen großen Beitrag zur Etablierung des Künstlers leisten. Sie führen den Künstler in den Kunstmarkt ein und etablieren ihn bestmöglich. Damit geben sie den Künstlern erst den Raum, um sich künstlerisch zu entwickeln.
3.
Im obersten Segment des Fotokunstmarktes, in dem sich auch die Galerie Camera Work bewegt, ist die Offenheit des Marktes für unbekannte Künstler an Zyklen gebunden. Bis etwa 2020 vollzog sich beispielsweise eine verstärkte Bewegung hin zu zeitgenössischen Künstlern. In den wirtschaftlich unsicheren Corona-Jahren haben Sammler verstärkt konventionell in etablierte Künstler investiert. Ein ähnliches Phänomen erlebte der Markt während der Weltfinanzkrise 2007/08. Für junge Künstler sind solche Phasen herausfordernd. In den vergangenen ein bis zwei Jahren spüren wir wieder ein größeres Interesse von führenden Sammlungen und privaten Sammlern für neue, bislang unbekannte Künstler. Im Gegensatz zu den Jahren 2021 und 2022 konnten wir auf Kunstmessen nun wieder verstärkt neue Positionen entdecken. Mit Dean West haben wir in diesem Jahr einen in Deutschland verhältnismäßig unbekannten Emerging Artist ins Programm aufgenommen.
4.
Eine möglichst kleine Edition bleibt für die Transparenz und Wertstabilität zeitgenössischer Fotokunst auf dem Kunstmarkt ein entscheidendes Kriterium. Manifestiert haben sich Editionen von unter 20. Der zeitgenössische Fotokunstmarkt führender Künstler hat sich heute in einem Preissegment etabliert, der vor vielen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Die Schere öffnet sich sehr weit – bei unseren Künstlern von etwa 5.000 bis mehr als 100.000 Euro. Die Preisfestlegung muss an den Kunstmarkt angepasst und „gesund“ sein. Das Wertentwicklungspotenzial sollte sich natürlich entfalten können. Als Galerie arbeiten wir auch in diesem Punkt eng mit unseren Künstlern zusammen. Dabei achten wir auf eine moderate Preisanpassung auf dem Primärmarkt, um einer Überhitzung des Marktes vorzubeugen. Viele neue Künstler richten ihre Preise an Rekordergebnissen auf Auktionen aus, über die medienwirksam berichtet wird. Sie bilden aber ein verzerrtes Bild des Kunstmarkts ab. Diese Entwicklung beobachten wir kritisch.
Simone Klein, Art Advisor, simoneklein.de
1.
Genres, die derzeit auf dem Foto-Kunstmarkt beliebt sind, sind Landschaft und Stilleben. Nicht-gegenständliche (abstrakte) Motive scheinen ebenfalls ein gesteigertes Interesse zu finden. Darüber hinaus – unabhängig vom Genre – sind seit einigen Jahren verstärktes Interesse für Unikate – also fotografische Einzelarbeiten, die vom Verfahren her unikal sind (Fotogramme, Cyanotypien, Nasses Kollodiumverfahren) oder die durch ihre Bearbeitung (Collagierung, Stitching, Kolorierung etc.) zu Unikaten werden, sowie für seriell oder typologisch angelegte Arbeiten. Modefotografie ist auf dem Kunstmarkt völlig etabliert, ebenso Porträt-, Architektur- und Autorenfotografie. Schwer tut sich journalistische Fotografie – hier setzen sich ikonische Motive durch, auf die Henri Cartier-Bressons Kriterium des „decisive moment“ zutrifft.
2.
Ein Hochschulabschluss ist sicherlich zuträglich, sowie ein gutes Netzwerk.
3.
Der klassische und nachhaltige Kunstmarkt basiert ja auf der Basisarbeit der Galerist*innen und Kurator*innen. Ein*e aufstrebende*r Fotograf*in hat es ohne dieses Netzwerk schwer, sich auf dem Kunstmarkt zu behaupten, auch wenn es sehr gute Möglichkeiten zur Selbstvermarktung gibt. Grundsätzlich ist gerade der sehr dynamische Foto-Markt immer offen für neue, noch unbekannte Positionen.
4.
Je kleiner die Auflage desto besser, aber niemals mehr als acht bis zehn Exemplare pro Motiv! Als Emerging Artist sollte mit „vernünftigen“ Preisen begonnen werden – steigern kann man sich immer noch. Letztendlich beinhaltet der Angebotspreis auch die Materialkosten und ggf. Kosten für die Rahmung sowie den Share für die Vermittlung (Galerie, Art Advisor, Auktionshaus etc). Die größten Verkaufsaussichten liegen bei Preisen unter 20.000 Euro.
Nadia van der Grinten, Galeristin, vandergrintengalerie.com
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Die fotografischen Werke, die eindeutig dem Kunstkontext zuzuordnen sind, haben weiterhin ihren Markt. Das betrifft in erster Linie konzeptuelle Fotografie. Angewandte Fotografie wie z.B. Architektur-Fotografie, die man in den Kontext der bildenden Kunst stellen kann, findet weiterhin einen regen Absatz. Es ist aber wichtig, dass der Kontext nicht willkürlich ist. Am schlechtesten verkauft sich Fotojournalismus, wobei er in Buchform erfolgversprechend ist.
2.
Ein Abschluss ist weniger wichtig als die Tatsache, überhaupt auf einer Kunstakademie gewesen zu sein. Die Erfahrungen, die man auf einer Kunstakademie allein schon durch die Professoren, die meistens bekannte Künstlerinnen und Künstler sind, sammelt, bereiten einen am besten auf die Zukunft in der Kunstwelt und damit auf den Markt vor.
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Jeder Marktteilnehmer weiß, dass Neugierde einer der zentralen Faktoren ist, um Erfolg zu haben, deswegen ist potentiell der Markt immer offen für Neues.
4.
Am besten maximal fünf Exemplare, da sonst das Besondere, das die Sache attraktiv macht, schnell verloren geht. Beste Aussichten bestehen bei 1.500 bis 3.500 Euro abhängig von einer geringen Auflagenhöhe.
Foto oben: Petra Gerwers