Beim Bluffen geht es bekanntlich darum, den Anschein zu wahren, als wüsste man genau, was man da tut und redet. Das im Jahr 1992 erschienene Buch „Bluff Your Way in Photography“ (Bluffer’s Guides) ist ein zu diesem Zweck erstellter Ratgeber, der allerdings zwei Jahrzehnte später dringend einer Aktualisierung bedarf.
Ging es Anfang der 90er Jahre noch darum, wie man in Gesprächen über Fotografie kompetent wirken kann, ohne tiefere Kenntnisse zu haben, bieten heute zahllose Influencer auf Social Media eindrucksvoll Anschauungsunterricht, welche neuen Möglichkeiten es gibt, in Sachen Fotografie überzeugend zu bluffen. Ergänzend zu Tipps der Erstauflage, wie man souverän über Beleuchtung, Komposition und berühmte Fotografen sprechen kann, auch wenn man nur oberflächliches Wissen besitzt, eröffnet die Welt der Drohnen, Smartphones und NFTs ganz neue Möglichkeiten, sich überzeugend wie ein Profi zu geben, selbst wenn man nur halbwegs ahnt, was los ist. Hier ein paar Beispiele:
1. Smartphone-Fotografie: Wenn du statt eine Kamera zu benutzen, hektisch auf deinem iPhone rumwischst, tu es zumindest im „Pro-Modus“. Rede dann von ISO, Blende, Bokeh und Weißabgleich, auch wenn keiner weiß, was das bedeutet – inklusive dir. Notfalls sprich einfach von „natürlichem Licht“, das zieht immer.
2. Drohnenfotografie: Hier gilt die Devise, je teurer das Equipment, desto überzeugender der Bluff. Mach ein ernstes Gesicht, während du sagst: „Die Luftströme waren heute echt problematisch.“ Das wird niemand hinterfragen, und du klingst wie ein erfahrener Drohnenpilot, auch wenn deine Drohne gerade im Baum hängt.
3. Bildbearbeitung: Wenn du Photoshop benutzt, kannst du so tun, als ob du alles manuell machst. Aber in Wahrheit klickst du einfach auf „Auto“. Wenn jemand zusieht, murmle etwas wie „Ich lass die KI ein bisschen arbeiten, dann passe ich den Feinschliff an.“ Niemand wird sich trauen, das zu hinterfragen, und du hast in der Zwischenzeit Zeit für einen Kaffee.
4. Instagram-Gurus: „Ah, Instagram? Klar, das Wichtigste ist, das Licht wie Rembrandt zu setzen und die Hashtags mit Bedacht zu wählen.“ Mach es dir zur Gewohnheit, in jedem Satz einen Künstlernamen zu erwähnen. Wer weiß schon, ob Rembrandt Hashtags genutzt hat?
5. NFTs: Verstehst du, was NFTs sind? Auch nicht? Kein Problem. Wenn das Thema aufkommt, schwenke das Gespräch schnell auf Blockchain und wie es „die gesamte Kunstszene verändert“. Erwähne dann beiläufig, dass du „darüber nachdenkst, deine Werke zu tokenisieren“. Keiner wird es wagen zuzugeben, dass sie genauso wenig Ahnung davon haben wie du.
6. Analogfotografie: Wenn du über den Charme der analogen Fotografie sprichst, tu so, als hättest du eine dunkle Kammer im Keller und schwärm vom „unvergleichlichen Look des Films“. Lass nebenbei fallen, dass du „die Seele des Moments“ einfängst und wie unglaublich „authentisch“ das Korn bei ISO 400 wirkt. Niemand muss wissen, dass du seit Jahren nicht mehr selbst entwickelt hast. Und wenn du dann sagst, dass „jede Aufnahme zählt“, vermittelst du das Gefühl, als würdest du mit Bedacht jede Auslösung künstlerisch voll ausschöpfen.
7. Bildsprache: Jede Diskussion über Originalität in der Fotografie erfordert einen Hauch von Mystik. Erkläre also beiläufig, dass es deine einzigartige Perspektive ist, die den Unterschied macht – und nicht die Tatsache, dass du das Bild aus einem etwas schrägeren Winkel als der Typ neben dir gemacht hast. Versichere deinem Publikum, dass „echte Kunst“ nicht kopiert werden kann und deine Werke einzigartig sind, auch wenn du stundenlang auf Instagram gescrollt hast, um dich „inspirieren“ zu lassen.
8. Künstlerische Fotografie: Um in der Welt der Fine Art Fotografie zu bluffen, reicht es, Worte wie „Konzept“, „Form“ und „visuelle Poesie“ in deine Erklärungen zu streuen. Denn in dieser Sphäre geht es nicht einfach um das Bild selbst, sondern um die tiefere Bedeutung – die Botschaft, die *durch dich* in die Welt strahlt. Deine Werke sind keine Fotos, sie sind „Auseinandersetzungen mit der Existenz“. Wenn jemand fragt, was das bedeutet, schau einfach nachdenklich in die Ferne und antworte: „Es ist… schwierig zu erklären.“
Kurzum: Bluffen heißt, die richtige Sprache zu finden und sie mit dem entsprechenden Gesichtsausdruck zu kombinieren. Wer dabei ein wenig Humor mitbringt, wird sich in der neuen Fotografie-Welt bestens behaupten!
Hier gibt es das Original: