Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris haben Fotografen an allen Sportstätten jede Sportart sowie sämtliche Siege und Niederlagen eingefangen. Das bedeutet einen enormen organisatorischen Aufwand und mehrere Millionen Bilder, die geschossen werden. Doch wie entstehen diese und welche Technologien werden eingesetzt, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen?
ProfiFoto: Du warst erstmals bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. Wie haben sich die Bedingungen für Fotografen seitdem verändert?
Norbert Schmidt: Die technologischen Fortschritte und die Arbeitsweise der Fotografen haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm verändert. Und so ganz nebenbei ist aus einem Latz aus Baumwollle bei den Spielen 1984 ist 40 Jahre später eine praktische Fotoweste geworden. …
ProfiFoto: Bei den Olympischen Spielen in Paris warst Du nicht als Fotograf. Was hast du dort gemacht?
Norbert Schmidt: Ich war als Venue Photo Manager beim Sportklettern in Le Bourget tätig.
ProfiFoto: Seit wann übernimmst du solche Aufgaben und wo warst du schon im Einsatz?
Norbert Schmidt: 2009 wurde ich kurzfristig als „Feuerwehrmann“ engagiert, nachdem der Fotochef des LOC (Local Organizing Committee) für die Leichtathletik-WM in Berlin ausgefallen war. Als erfahrener Sportfotograf hatte ich zwar viel Erfahrung mit großen Sportevents, aber keine innerhalb einer Abteilung wie den Media Operations eines Veranstalters. Seitdem habe ich bei mehreren Veranstaltungen als Photo Manager oder Berater gearbeitet.
ProfiFoto: Wie war die Situation für Fotojournalisten bei den Olympischen Spielen in Paris? Wie viele waren vor Ort und wie lief die Akkreditierung?
Norbert Schmidt: Insgesamt wurden 1.578 Fotografen für die Olympischen Spiele in Paris akkreditiert. Sie konnten in 35 verschiedenen Veranstaltungsorten arbeiten. Für die Paralympics waren etwa 700 Fotografen akkreditiert. Die Akkreditierung erfolgt über den nationalen olympischen Sportverband, in unserem Fall den DOSB, der vom IOC eine bestimmte Anzahl von Plätzen für das deutsche Kontingent erhält. Zurzeit läuft das Bewerbungsverfahren für die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand/Cortina, bei denen es 32 Plätze für Fotografen gibt. Die Auswahl erfolgt in Abstimmung mit dem Verband der deutschen Sportjournalisten (VDS).
ProfiFoto: Welche Regeln gelten für akkreditierte Fotografen im praktischen Einsatz?
Norbert Schmidt: Eine Akkreditierung der Kategorie EP erlaubt es Fotografen, jeden Veranstaltungsort frei zu besuchen.
Die verfügbaren Positionen und ihre Kapazitäten werden im Media Guide veröffentlicht. Zwei Tage vor der Eröffnungsfeier gibt es ein allgemeines Fotobriefing im Hauptpressezentrum, und vor den täglichen Wettkämpfen finden spezifische Briefings in den jeweiligen Venues statt. Die Platzwahl an den Fotopositionen erfolgt nach dem „First come, first serve“-Prinzip. Fotografen dürfen auch freie Zuschauerplätze nutzen, müssen diese jedoch für Ticketinhaber freimachen. Spezielle Plätze sind für die Fotografen der großen internationalen Agenturen wie AP, AFP, Reuters, Xinhua und Getty Images reserviert.
ProfiFoto: Welche Rolle spielen ferngesteuerte Kameras bei den Spielen?
Norbert Schmidt: Insgesamt wurden über 200 statische Remote- und Robotik-Kameras eingesetzt. Diese werden für Perspektiven aus der Vogelperspektive, 2-fach Einsätze, Unterwasseraufnahmen oder an Orten mit eingeschränktem Zugang verwendet, wie etwa auf dem Eiffelturm. Eine statische Remote-Kamera hat eine feste Perspektive und wird per Funksignal ausgelöst. Robotik-Kameras hingegen erlauben eine Veränderung der Perspektive, Brennweite und Fokuseinstellung und können sogar aus der Ferne über eine Netzwerkverbindung gesteuert werden, zum Beispiel aus einem Agenturbüro im Hauptpressezentrum.
ProfiFoto: Deckt jede Agentur alle Wettkämpfe ab?
Norbert Schmidt: Im Prinzip deckt jede Agentur alle Wettbewerbe für ihre Kunden mit einer unterschiedlichen Anzahl von Fotografen ab. Bei Platzmangel kann es jedoch vorkommen, dass nur ein Fotograf aus dem IOPP (International Olympic Photo Pool) zugelassen wird, dessen Material dann an die anderen Agenturen weitergegeben wird. Dasselbe Prinzip gilt auch für den Einsatz von Robotik-Kameras, wenn etwa nur eine einzige Kamera im Schwimmbecken zugelassen ist.
ProfiFoto: Welche Kamerahersteller waren mit Serviceteams vor Ort?
Norbert Schmidt: Vor Ort waren die Serviceteams von Canon, Nikon und Sony.
ProfiFoto: Gibt es Veränderungen bei den verwendeten Kamerasystemen?
Norbert Schmidt: Ich denke wenn man von Kameraystemen spricht, ist die Veränderung die, das der generelle Systemwechsel von Spiegel zu Spiegellos im Prinzip vollzogen ist.
Canon hat traditionell bei solchen Anlässen schon immer neue Kameramodelle vorgestellt, so in diesem Jahr die EOS R1, die bei Getty und Reuters Fotografen im Einsatz war. Sony hat sich in den letzten Jahren eine starke Position erkämpft, da sie früh auf spiegellose Kameras gesetzt haben. Mit der R5 und R6 war Canon auch schon konkurrenzfähig , aber erst mit dem Erscheinen der R3 ist das System quasi ebenbürtig beziehungsweise mit der R1 jetzt auf die Überholspur gewechselt.
Über Nikon kann ich wenig sagen, außer dass die Z9 bei den Nikon Sportfotografen ein sehr geschätzes und hoch gelobtes Modell ist.
ProfiFoto: Fotografierst du selbst noch?
Norbert Schmidt: Ja, nach wie vor mit großer Begeisterung. Allerdings arbeite ich nicht mehr als Einzelkämpfer bei Großveranstaltungen, sondern fühle mich dort auf der organisatorischen Seite, im Fotomanagement, mittlerweile wohler. Früher, bis etwa zu den Olympischen Spielen in Sydney 2000, haben Magazine wie der STERN noch freie Fotografen exklusiv beauftragt und bezahlt. Heute senden die Fotografen ihre Bilder direkt aus der Kamera über das Netzwerk an ihre Editoren, und binnen Minuten sind die Aufnahmen weltweit verfügbar. Freie Fotografen haben es daher schwer, bezahlte Aufträge zu bekommen, und viele arbeiten über Bilddatenbanken wie Imago Images, um ihre Bilder zu verkaufen.