Eine aktuelle Studie gibt Auskunft zu subjektiven Aspekten der Wahrnehmung und der Bewertung künstlerischer Fotografie. Die Ergebnisse zeigen, wie soziale, kulturelle und individuelle Faktoren die Wahrnehmung künstlerischer Werke formen.
Das Institut für Fotopsychologie wurde Ende 2022 von Dr. Joachim Feigl als private Forschungsinitiative gründet. Seine neueste Studie zur Wahrnehmung und Bewertung künstlerischer Fotografie basiert auf einer umfangreichen Umfrage, an der 431 Personen teilnahmen, darunter Profi- und Amateurfotografen sowie eine kleine Vergleichsgruppe, die zu keiner dieser beiden Gruppen zählt. Das Ziel war, verschiedene Faktoren zu identifizieren, die die Wahrnehmung und Bewertung von künstlerischen Fotografien beeinflussen.
Die Studie zeigt, dass sowohl Profifotografen als auch Amateure ein starkes Interesse an künstlerischer Fotografie haben, jedoch Profis signifikant stärker daran interessiert sind. Während 85,4 % der Befragten insgesamt ein großes Interesse an künstlerischer Fotografie äußerten, liegt der Mittelwert für Profis bei 4,58 und für Amateure bei 4,21 auf einer 5-stufigen Skala. Auffällig ist, dass ältere Amateure (über 60 Jahre) mehr Interesse zeigen als jüngere.
Dabei bevorzugen die Befragten zeitgenössische Fotografie (nach 2000), während das Interesse an fotografischen Epochen vor 1900 eher gering ist. Profifotografen zeigen im Vergleich zu Amateuren ein größeres Interesse an allen Epochen.
Was die Einschätzung des persönlichen Wissens über künstlerische Fotografie betrifft, zeigen Profis ein höheres Selbstvertrauen als Amateure. Dies zeigt sich auch in der Korrelation zwischen Interesse und Wissen: Je höher das Interesse an künstlerischer Fotografie, desto höher das subjektiv wahrgenommene Wissen.
Ein zentrales Element der Studie war die Untersuchung der Frage, wie Informationen über Fotografen oder das Foto selbst die Bewertung der Bilder beeinflussen. Kennzeichnungen, Beschreibungen und Erwähnungen von Preisen können demnach die Bildbewertung signifikant beeinflussen.
Wenn Bilder als von einem Profifotografen aufgenommen gekennzeichnet wurden, wurden sie in den Dimensionen „technische Qualität“ und „künstlerische Qualität“ signifikant höher bewertet als Fotografien, die als Amateuraufnahmen gekennzeichnet waren. Interessanterweise hatte diese Kennzeichnung jedoch keinen signifikanten Einfluss auf emotionale Bewertungen wie „gefällt“, „berührt“ oder „begeistert“.
Allerdings führte die Bereitstellung einer Beschreibung der Intention des Fotografen zu einer signifikant höheren Bewertung in den emotionalen Kategorien. Nicht davon beeinflusst wurde jedoch die technische und künstlerische Bewertung.
Wenn ein Foto mit dem Hinweis versehen wurde, dass es einen Preis gewonnen hat, stieg die Bewertung der technischen und künstlerischen Qualität signifikant. Auch hier blieb die emotionale Bewertung allerdings unverändert.
Profifotografen und Amateure unterscheiden sich demnach deutlich in ihrer Bewertung von Fotografien, sowohl in technischer als auch in künstlerischer Hinsicht.
Profifotografen beschäftigen sich im Durchschnitt häufiger und intensiver mit künstlerischer Fotografie als Amateure. Sie weisen auch ein höheres Selbstvertrauen in ihr Wissen auf. Ältere Amateure (über 60 Jahre) beschäftigen sich jedoch deutlich mehr mit künstlerischer Fotografie als jüngere Amateure.
Profis bewerten Fotografien von anderen Profis signifikant höher als Amateurfotografen. Umgekehrt tendieren Amateure dazu, Fotografien von Amateuren besser zu bewerten. Diese Unterschiede spiegeln sich in den fotografischen Genres wider, die beide Gruppen bevorzugen.
Die Befragten waren sich überwiegend einig, dass künstlerische Fotografie eine Kunstform ist. Profifotografen stimmen dieser Aussage stärker zu als Amateure. Gleichzeitig betonten über 90 % der Teilnehmer, dass es zwischen eindeutig künstlerischer und nicht-künstlerischer Fotografie Zwischenstufen gibt.
Eine Mehrheit der Befragten (52 %) hat dabei keine Präferenz für Schwarz-Weiß- oder Farbfotografien, wobei 23,2 % eher Farbaufnahmen bevorzugen. Nur 1,9 % der Teilnehmer bevorzugen ausschließlich Schwarz-Weiß-Aufnahmen.
Die Mehrheit der Befragten (62,7 %) sieht bei der künstlerischen Fotografie keinen signifikanten Unterschied zwischen Einzelbild- und Serienformaten. Profifotografen bevorzugen jedoch tendenziell Serien stärker (19,4 %), während Amateure mehr auf Einzelbilder setzen (30,8 %).
Hinsichtlich ihrer Eignung für künstlerische Fotografie bewerteten Berufs- und Amateurfotografen verschiedene Genres signifikant unterschiedlich: Abstrakte Fotografie und Inszenierungen wurden insgesamt als die am besten geeigneten Genres für künstlerische Fotografie angesehen, wobei von Amateuren abstrakte Fotografie sogar noch höher bewertet wurde als von Profis. Dokumentar- und Reportagefotografie wurde insgesamt als weniger geeignet angesehen, wobei Profifotografen sie deutlich positiver bewerteten als Amateure. Werbefotografie wurde von Amateuren als etwas geeigneter für künstlerische Fotografie angesehen als von Profis. Beide Gruppen stimmten jedoch weitgehend darin überein, dass Werbefotografie weniger künstlerisches Potenzial hat.
Frauen bewerteten abstrakte Fotografie und fotografische Inszenierungen höher als Männer. Sie zeigten auch eine stärkere Präferenz für das Genre Portrait, was auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung hindeutet.
Fazit
Die Studie zeigt, dass die Wahrnehmung und Bewertung künstlerischer Fotografie stark von sozialen und kontextuellen Faktoren beeinflusst wird. Kennzeichnungen, Beschreibungen und Erwähnungen von Preisen können die Bewertung deutlich beeinflussen. Profifotografen und Amateure unterscheiden sich stark in ihrer Bewertung und Wahrnehmung von Fotografien sowie in ihren Präferenzen für verschiedene Genres.
Wichtige Einflussfaktoren sind neben dem persönlichen Interesse auch das individuelle Wissen und die Beschäftigung mit künstlerischer Fotografie. Profis bewerten Fotografien generell strenger und legen mehr Wert auf technische und künstlerische Aspekte, während Amateure stärker auf emotionale Reaktionen fokussiert sind.
Die komplette Studie steht hier zur Verfügung: