Die Schweizer Profi-Verbände haben sich zum neuen Berufsverband SIYU zusammen geschlossen. Ein denkbares Szenario auch in Deutschland?
1. Die Zahl der Verbände und Vereine zur Fotografie ist unübersichtlich geworden. Wäre ein Zusammenschluss zu nur einem Berufsverband nach Schweizer Vorbild sinnvoll?
2. Welchen Nutzen hätte ein Zusammenschluss aus Ihrer Sicht für die Mitglieder?
3. Und welche Nachteile sehen Sie für die Interessen Ihrer eigenen Verbandes?
Martina Mettner, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), dgph.de
1.
Die Deutsche Gesellschaft für Photographie ist eine Kulturvereinigung, kein Berufsverband. Wir setzen uns für die Fotografie in ihrer ganzen Breite ein. Da die Berufsverbände hierzulande sehr unterschiedliche Schwerpunkte haben, begrüßen wir diese Diversität.
2.
Durch den Zusammenschluss aller Fotografie-Verbände und Vereine im Fotorat und die endlich erreichte Vertretung der Fotografie im Deutschen Kulturrat ist nun die Fotografie auch auf der politischen Ebene präsent. Gemeinsam engagieren sich die Mitglieder des Fotorats für die Fotografie als Kulturgut und visuelles Kulturerbe, vertreten die Belange von Fotografinnen und Fotografen und anderer Akteure im Bereich Fotografie und stoßen öffentliche Diskussionen zu unterschiedlichen Aspekten der Fotografie an. Die Notwendigkeit eines weiteren, rein berufsbezogenen Dachverbandes sehen wir nicht.
3.
Keine.
Jennifer Wolf, Vorsitzende des Verbandes Professional Image Creators (PIC), pic-verband.de
1.
Da die in Deutschland existierenden Verbände unterschiedliche Sparten und Aspekte des Berufsfeldes Fotografie abbilden, finden wir eine Einteilung – so wie sie aktuell ist – durchaus sinnvoll. Durch diese Spezifzierung werden die Interessen der jeweiligen Mitglieder zielgerichteter bedient. So konzentriert sich der PIC beispielsweise mit Workshops, Seminaren, einem aktiven Netzwerk und juristischer wie auch steuerrechtlicher Unterstützung auf die kommerzielle Bildgebung. Was gemeinsame, spartenübergreifende Interessen angeht, wurde vor mehr als zwei Jahren der Deutsche Fotorat gegründet, in dem beispielsweise in Arbeitsgruppen die Mitglieder verschiedener Verbände sich themenbezogen gemeinsamen Projekten widmen. Wir als PIC halten diese Struktur für sinnvoll.
2.
Durch den Dachverband des Deutschen Fotorats werden die unterschiedlichen Interessen bereits gebündelt und erhalten dadurch eine größere Sichtbarkeit und Relevanz gegenüber Politik und Gesellschaft.
3. Durch einen Zusammenschluss nach Schweizer Vorbild kämen die spezifischen Interessen der jeweiligen Verbände aus unserer Sicht zu kurz. Beispiel PIC: Die Stärke unseres Verbandes ist der persönliche Austausch; die regelmäßig stattfindenden Präsenzveranstaltungen u.a. in Studios unserer Mitglieder setzen einen definierten Rahmen voraus. Die Vorträge und Seminare haben für unsere Mitglieder hohe Relevanz, da sich die beruflichen Anforderungen in vielen Bereichen decken. Die themenbezogene Strukturierung der Verbandslandschaft bietet Fotografen Orientierung. Ein Zusammenschluss aller Fotografenverbände könnte vielleicht zu einer gewissen Ressourcenbündelung führen, aber Schwierigkeiten bei der Berücksichtigung aller spezifischen Bedürfnisse und Anliegen, Philosophien und Herangehensweisen der Mitglieder mit sich bringen.
Henning Arndt, Bundesinnungsmeister im Centralverband Deutscher Berufsfotografen, cvfoto.de
1.
Bei meiner Wahl zum Bundesinnungsmeister vor wenigen Monaten bin ich mit dem Ziel angetreten, verstärkt mit anderen Verbänden kooperieren zu wollen. Viele unserer Berufsverbände stehen vor ähnlichen Herausforderungen, z.B. Nachwuchs zu generieren. Mit zwei(-einhalb) Verbänden bin ich bisher in konkreten Gesprächen. Erste Ergebnisse werden wir im Laufe des Jahres der Öffentlichkeit präsentieren können. Ein Zusammenschluss der Verbände wie SIYU ist eine spannende Vision, aber aus meiner Sicht aktuell noch nicht realistisch. Die Interessen, Aktivitäten und Ziele der Verbände sind sehr unterschiedlich und folglich schwierig zu vereinen. Die Motivation für einen Zusammenschluss muss aus den Verbänden heraus wachsen, damit es erfolgreich werden kann. Über die Zeit könnten Zwänge entstehen, die die Motivationen verstärken könnten, Stichwort Nachwuchs.
2.
Ein gut gestalteter Zusammenschluss sollte viele Vorteile bringen. Ein Beispiel: Mehrere Verbände bemühen sich intensiv um die Weiterbildung ihrer Mitglieder. Hier wäre die Kooperation der Verbände ein erster Schritt. Den Mitgliedern stände ein größeres Portfolio an Seminaren und Workshops zur Verfügung. Gleichzeitig könnten die Angebote besser ausgelastet und wirtschaftlicher realisiert werden. Vielleicht wäre dann sogar ein gemeinsames Zertifizierungssystem denkbar. Eine mächtigere Interessenvertretung, eine wirtschaftlichere Administration, ein besseres Dienstleistungsangebot für die Mitglieder usw. sind aus meiner Sicht selbstverständliche Konsequenzen.
3.
Bei einer Kooperation oder der Vision eines Zusammenschlusses sollten immer die Vorteile für alle Beteiligten überwiegen. Als erstes über Nachteile nachzudenken, ist doch vollkommen kontraproduktiv! Sollte es in Zukunft zu irgendeiner Veränderung kommen, ist aus unserer Sicht als Bundesinnungsverband wichtig, dass unsere Mitgestaltung bei der Berufsausbildung und Meister:innen-Qualifizierung sowie unsere Vertretung in den Handwerksorganisationen weiterhin ausgeübt werden können.
Jeanette Niermann, Pressesprecherin des Bund Professioneller Portraitfotografen (bpp), bpp.photography
1.
Ein gut durchdachter Zusammenschluss zu einem alleinigen deutschen Berufsverband hätte sicherlich Vorteile, denn Verbände könnten dadurch ihre politische Stimme und somit ihre
Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger, Medien und die breitere Öffentlichkeit stärken. Was unserer Meinung nach aber viel stärker wiegt ist die Tatsache, dass es nicht nur
gemeinsame Interessen gibt, sondern dass Verbände viele verschiedene Ziele oder Prioritäten verfolgen und nicht notwendigerweise auf einen gemeinsamen Nenner ausgerichtet sind. Die Zielgruppe, die Mitgliederstruktur, das fotografische Genre und die Schwerpunktbereiche können sehr unterschiedlich sein und damit haben nicht alle Verbände den gleichen fachlichen Fokus. Der Fotojournalismus gewichtet andere Schwerpunkte als die Portraitfotografie oder die Kunstfotografie, entsprechend kann die rechtliche oder ethische Ausrichtung eines Verbandes sehr unterschiedlich sein.
2.
Wenn mehrere Verbände fusionieren, entsteht natürlich immer eine einflussreichere Lobby, die die Interessen ihrer Mitglieder effektiver vertreten kann. Wenn das berufliche Netzwerk sich erweitert und zusätzlich Fachkenntnisse gebündelt werden, hat das auch immense Vorteile für das Erreichen von gemeinsamen Zielen. Die Ressourcen vieler zu nutzen, die Best Practices auszutauschen und gemeinsame Projekte anzugehen würde auch die Effizienz steigern.
3.
Unsere tägliche Arbeit wird maßgeblich von den Anforderungen und Interessen unserer Mitglieder sowie den sich ändernden Trends in der Fotografie beeinflusst. Der fachliche Fokus in Bezug auf Weiterbildung in der Portraitfotografie ist ständig im Wandel. Unsere Mitglieder schätzen das Tempo, mit dem wir nah am Zeitgeist fahren. Mit zunehmender Größe eines Berufsverbandes besteht die Gefahr, dass die Organisation bürokratischer wird, nicht so schnell auf neue Herausforderungen reagieren kann und dadurch Entscheidungsprozesse verlangsamt werden. Ein breiterer Zusammenschluss kann es schwieriger machen, einen Konsens zu finden, da unterschiedliche Meinungen und Perspektiven berücksichtigt werden müssten. Ein echter Mehrwert für unsere Mitglieder ist die persönliche Beratung und der kollegiale Austausch. In einer übergeordneten Interessenvertretung würden unsere Mitglieder weniger individuellen Nutzen erfahren, was zu einem Verlust der Mitgliederbindung führen könnte.
Wir sind der Auffassung, dass es für einen so großen Verband möglicherweise herausfordernd ist, die individuellen Bedürfnisse bestimmter Gruppen innerhalb des Verbandes angemessen zu berücksichtigen. Dies könnte zu einer allgemeinen Verwässerung der Zielausrichtung führen. Dennoch legen wir besonderen Wert darauf, innerhalb der vielfältigen Landschaft der Berufsverbände, in Deutschland und den angrenzenden Ländern, eine enge Zusammenarbeit zu pflegen und einen aktiven Austausch zu fördern.
Axl Jansen, Vorstand des Berufsverbandes Freier Fotografen und Filmgestalter, bff.de
1.
Die Schweiz ist eine kleine, überschaubare Profi-Fotoszene und nicht vergleichbar mit Deutschland. Deshalb macht dort ein Zusammenschluss Sinn, um sinnvolle Mitgliederzahlen, genügend notwendige Ressourcen für einen FotografInnen-Verband zu bekommen.
2.
Das Urheberrecht einzuklagen ist in der Schweiz schwierig, deshalb ist die Bündelung in einem Verband dort auch sinnvoll, um größere berufspolitische Kraft zu entwickeln.
3. Durch die kleine Profiszene können in der Schweiz einzelne Verbände teilweise keinen umfassenden Service bieten. Z.B. war der Verband VFG bisher hauptsächlich nur mit seinem Nachwuchs-Förderpreis beschäftigt. Durch Zusammenschluss kann jeder Verband seine Teilleistungen einbringen und es emtsteht eine Gesamtleistung für die Mitglieder.
4. In Deutschland haben sich die Foto-Verbände gegründet und entwickelt, um optimal einzelne Fachrichtungen oder Berufsgruppen in der Fotografie zu vertreten und zu entwickeln. So hat der BFF seit Gründung 1969 die freiberuflichen und professionellen FotografInnen unterstützt und sich die Erhaltung hochwertiger Fotografie zur Aufgabe gemacht: nur wer mit seinen Arbeiten eine 9-köpfige Gutachterkommission aus erfahrenen
Profi-FotografInnen überzeugen kann, wird in den BFF aufgenommen. Außerdem steht dieser Verband für Mitglieder, die angewandte Fotografie auf hohem konzeptionellem Niveau für namhafte Kunden produzieren können.
2.
Wir sind mit der Gründung des Deutschen Fotorates als spartenübergreifende Interessenvertretung der Verbände und ihrer Mitglieder gegenüber Politik und Gesellschaft. Der Dachverband zählt Stand 2023 bereits 32 Mitgliedsorganisationen. Gemeinsam engagieren sich die Mitglieder für die Fotografie als Kulturgut und visuelles Kulturerbe, vertreten die Belange von Fotografinnen und Fotografen und anderer Akteure im Bereich Fotografie und stoßen öffentliche Diskussionen zu unterschiedlichen Aspekten der Fotografie an. Und wir können dann immer noch individuell in den einzelnen Verbänden unsere jeweilige Stärke im individuellen Wirkungskreis für unsere Mitglieder einsetzen.
3.
In unserem Wirkungskreis ergeben sich eben durch die Ausrichtung des BFF für die Professionelle Fotografie, die hohe Qualität der fotografischen/filmischen Arbeiten und die Freiberuflichkeit ganz klare Aufgaben für den BFF. Wer zu uns kommt, will genau diese Werte von seinem/ihrem Verband vertreten bekommen. Und dafür können wir so gut und beständig einstehen, weil die Zielgruppe so klar definiert ist. Die Mitglieder können zu 100 Prozent ihre Erwartungen an „ihren Berufsverband“ im BFF erfüllt bekommen, was bei einem Zusammenschluss mit anderen Verbänden mit ganz anderen Ausrichtungen und Voraussetzungen für die Mitgliedschaft so nicht mehr möglich wäre.
Laura Morgenstern, Vorstand des Female Photoclub, femalephotoclub.com
1.
Ich denke nicht, dass ein derartiger Zusammenschluss in Deutschland sinnvoll wäre. Zuallererst, weil Deutschland viel größer ist – im neu fusionierten SIYU Verband sammeln sich vergleichsweise wenige Fotograf*innen. Somit bleibt der Verband überschau- und händelbar. Da kann es durchaus Sinn machen Ressourcen zusammenzulegen. In Deutschland hat allein Freelens bereits 2200 Mitglieder. Die Vereine und Verbände in Deutschland haben sich zudem sehr spitz auf die unterschiedlichen Belange der jeweiligen Zielgruppe spezialisiert, wodurch die Stärkung der einzelnen Interessen viel besser vorangetrieben werden kann als wenn ein Verband allen gerecht werden müsste.
2.
Dort, wo sich die Interessen der verschiedenen Verbände überschneiden, könnten Ressourcen gebündelt werden. Das ist jedoch auch in Deutschland seit Gründung des Fotorats der Fall. Der Deutsche Fotorat vertritt die Interessen von Fotograf*innen auf politischer Ebene und in den Gremien des Deutschen Kulturrats.
3.
Der Female Photoclub ist ein recht junger Interessenverband mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass wir uns primär um die Belange von Berufsfotografinnen und einigen nonbinären Fotograf*innen kümmern, weil diese bisher in anderen Verbänden häufig untergegangen sind. Im Gegensatz zu den meisten alteingesessen Verbänden sind unsere Mitgliederzahlen steigend und es gibt nach wie vor ein großes Bedürfnis unserer Mitglieder nach einem geschützten Raum zum Austausch. Des Weiteren setzen wir uns für mehr Sichtbarkeit diverser Perspektiven und Gleichberechtigung ein, intern wie auch öffentlich. Eine Fusionierung mit „gemischtgeschlechtlichen“ Verbänden macht für uns derzeit keinen Sinn, da dabei der Gründungsimpuls des Female Photoclubs verloren gehen würde. So lange wie es in der Fotobranche in Deutschland und in anderen Verbänden patriarchale und misogyne Strukturen gibt, wird der Female Photoclub nicht an Relevanz verlieren und weiterhin als Interessenverband bestehen bleiben.
Heike Ollertz, Geschäftsführerin Freelens, freelens.com
1.
FREELENS gehört zu den Gründungsverbänden des Deutschen Fotorats, der seit 2023 auch in den Deutschen Kulturrat aufgenommen wurde. In den Arbeitsgruppen des Deutschen Fotorats arbeiten wir eng mit unseren Partnerverbänden wie dem BFF und vielen anderen zusammen. Ein gemeinsamer Berufsverband für alle professionellen Fotograf*innen ist aus meiner Sicht nicht notwendig. Die Diversität der unterschiedlichen Geschäftsfelder wird in den Verbänden gut abgebildet. Die Anzahl der professionell arbeitenden Fotograf*innen in der Schweiz lässt sich nicht mit den Zahlen in Deutschland vergleichen.
2.
Aus meiner Sicht gibt es für die Mitglieder keinen Vorteil. Es wären ggf. Einsparungen im Personalbereich der Verbände möglich. Es könnten die eine oder der andere Geschäftsführer*in eventuell eingespart werden, aber die Anzahl der Mitarbeiter*innen in der Geschäftsstellen wird sich mit der Anzahl der Mitglieder skalieren müssen, um die Serviceleistungen der Verbände aufrecht zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Regionalgruppenverbände bei wachsenden Zahlen und noch diverseren Arbeitsgebieten aufwendiger zu koordinieren sind: FREELENS hat alleine 2100 Mitglieder in 10 Regionalgruppenverbänden.
3.
Wie oben bereits beschrieben: Wir können gezielter auf die Bedürfnisse unserer Mitglieder eingehen. Aber um das auch deutlich zu sagen: Unmöglich ist ein Zusammenschluss nicht. Allerdings sind Fusionen kein Spaziergang und da sollten die Vorteile groß genug sein.
Foto oben: Petra Gerwers