Seit meinem letzten Podiumsgespräch mit weiblichen Expertinnen in der Fotobranche vor vier Jahren hat sich viel bewegt. Nicht nur für Fotografinnen, denn viele Vereinigungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft haben sich für das Vernetzen und Empowern von Frauen starkgemacht. So war es wieder Zeit für eine Diskussion über die aktuelle Situation von Fotografinnen. Ich wollte wissen, wie sich der Markt für Fotografinnen gegenwärtig darstellt und Einblick und Informationen von Seiten der Auftraggeberinnen als auch der Fotografinnen gewinnen, wie sich Positionierung, Selbstvermarktung oder Honorare für Fotografinnen in den letzten Jahren entwickelt haben.
Im Talk Female Photograpy zusammen mit Art Producerinnen und Fotografinnen bekam ich einen aktuellen Einblick in die Arbeitsbereiche der Expertinnen und konnte mir ein Bild davon machen, wie es um die „Female Photography“ steht. Die aktuelle Statistik* über die Anzahl der von Fotografinnen fotografierten Magazin Cover zählte 25 % weibliche Titel. Das sind 11 % mehr als 2019. Immer noch sind es überwiegend frauenaffine Themen und Magazine, für die Fotografinnen engagiert werden. Der Anteil ihrer Arbeiten liegt nur bei wenigen Themenbereichen über 50 %. Vor vier Jahren betrug der Anteil der Fotografinnen in der Werbebranche nur ca. 10 %. Warum sind sie heute immer noch unterrepräsentiert?
Werbeagenturen besetzen ihre Jobs vorrangig nach Portfolio und Persönlichkeit. Für einen Job wird die oder der am besten passende Fotograf gesucht. So bestätigte eine der Art Producerinnen, dass in manchen Bereichen wie zum Beispiel in der Automobilfotografie faktisch weniger weibliche Portfolios zur Auswahl stehen. Beruhigend ist aber, dass es mittlerweile ca. ein Drittel Frauen gegenüber zwei Dritteln Männer in der Werbefotografie sind. Ein kleiner Erfolg, der mit Sicherheit auch dem unermüdlichen Engagement der Verbände wie dem Female Photoclub und der Initiative Herspective zu verdanken ist, die sich für die Sichtbarkeit von Fotografinnen engagieren und damit auch die Agenturszene dazu motiviert haben, verstärkt nach weiblichen Portfolios zu suchen.
Auf meine Frage, ob Männer und Frauen sich in ihrer Arbeits- und Verhaltensweise im Job unterscheiden, wurde der Wunsch geäußert, dass Fotografinnen in ihrem Auftritt mutiger und präsenter werden sollten, um zu den männlichen Kollegen aufzuschließen. Einig waren sich alle in dem Punkt, dass sich Fotografinnen engagierter und eindeutiger für ihre Ziele einsetzen könnten. Und, sich öfter ins Gespräch bringen, ihre Arbeit präsentieren und auch in der Kommunikation verbindlicher werden sollten. Für Werbejobs müssen Fotografinnen große Budgets und Teams händeln. Dafür benötigen sie Durchsetzungsstärke, Belastbarkeit, Improvisationstalent, Teamfähigkeit und ein professionelles Netzwerk, damit Kundinnen ihnen diese Verantwortung übergeben. Abgesehen davon, will nicht jede Fotografin in die Werbung und vielleicht liegen die Gründe dafür auch in den Arbeitsbedingungen, den langen Arbeitszeiten und Reisen, dem kreativen Druck oder auch der mangelnden Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern, die manche Frauen mehr anspornen würden.
Und was ist mit dem Gender Pay Gap? Das Budget wird transparent kommuniziert – bestätigen die Art Producerinnen – und ist nicht abhängig vom Geschlecht. Im Editorial Markt verhält es sich nach Einschätzung der beiden Fotografinnen ebenso. Eine Fotografin im Publikum bestätigte nach dem Talk, als die Kameras aus waren allerdings, dass sie im Corporate Bereich oft in Verhandlungssituationen kommt, in denen männliche Entscheider sie im Preis drücken und Honorare vorgeben, die unter denen ihrer Kollegen liegen.
Viele Agenturen, Medienhäuser und Unternehmen verpflichten sich einem Code of Conduct, der Richtlinien enthält, wie sich die Mitarbeitenden eines Unternehmens rechtlich korrekt, ethisch und sozial verhalten sollen. Auch ein Grund, warum mehr Diversität und Gleichberechtigung mittlerweile praktisch umgesetzt wird, was der Frauenquote nicht nur in der Fotografie zugutekommt. Fazit: Alles in allem erzielen Fotografinnen dank der Verbände, eigener Zielstrebigkeit und achtsamen Kundinnen heute deutlich mehr Sichtbarkeit für ihre Arbeit. Auch weil Frauen oft aktiver im Netzwerken, in kollegialem Austausch und dem Teilen von Wissen sind als manche Kollegen. Gut für alle, wenn obendrein auch der Partner oder die Partnerin unterstützend in Bezug auf das berufliche Fortkommen wirkt.
Und was könnten Sie für die Gleichberechtigung tun?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.
*Quelle: Female Photoclub / DJV Nord / Freelens 2022