„Faszinierende Erlebnisse am Strand“ verspricht die Webseite des Eigenbetriebs Binzer Bucht Tourismus. Für gewerbliche Fotografen gilt das im besonderen Maße, die werden nämlich zur Kasse gebeten.
„Die Binzer Bucht ist eine Wundertüte“, verspricht die Gemeinde Ostseebad Binz und der Eigenbetrieb Binzer Bucht Tourismus, vertreten durch den Tourismusdirektor Kai Gardeja, auf ihrer Webseite. Ganze fünf Kilometer lang ist der Strand. Beliebt für Hochzeiten ist insbesondere ein Rettungsturm im Ufo-Look. Wer davon professionelle Fotos will, für den wird es teuer. Denn: Für die Ausübung von gewerblicher Fotografie ist nach dem Willen des Eigenbetriebs Binzer Bucht Tourismus eine Erlaubnis erforderlich, die – man ahnt es schon – natürlich entgeltpflichtig sind.
Foto- und Filmarbeiten sind lediglich im Zusammenhang mit aktueller Berichterstattung erlaubnisfrei, sofern diese nach Ansicht der örtlichen Vertreter im öffentlichen Interesse sind. Eine kommerzielle Verwendung ist jedoch in jedem Fall gebührenpflichtig, „sobald ein Entgelt gegenüber Dritten für Bilder oder Filme verlangt wird“, so die Gemeinde, der scheinbar unbekannt ist, dass auch Fotojournalisten auf Honorarbasis arbeiten.
Jeder einzelne Fall gewerblicher Fotografie muss jedenfalls einzeln beantragt werden, für regelmäßige gewerbliche Produktionen in den Bereichen Hochzeits- und Portraitfotografie besteht die Möglichkeit einer Jahresakkreditierung.
Aber: Die Aufnahmen sind nur für den im „Antrag angegebenen Zweck freigegeben, weitergehende Verwendungen/ Nutzungen bedürfen einer gesonderten Erlaubnis.“ Dazu soll der Antragsteller dem Eigenbetrieb Binzer Bucht Tourismus „unaufgefordert einen Nachweis über die Veröffentlichung/ Berichterstattung/Verwertung der Aufnahmearbeiten (bspw. Weblink des Veröffentlichungsortes)“ übermitteln, so die Vorstellung der Verantwortlichen.
Die scheinen offenbar noch nie von der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Panoramafreiheit gehört zu haben, welche grundsätzlich erlaubt, dass Foto- und Filmaufnahmen von öffentlichem Grund gemacht werden, auch von privaten Gebäuden die von dort einsehbar sind, solange dafür kein Privatgelände betreten werden muss.
Der Tourismusdirektor begründet sein Vorgehen auf seiner Webseite mit dem „Schutz der sensiblen Naturlandschaft der Ostseeküste als auch dem Schutz der Persönlichkeitsrechte von Gästen und Besuchern, insbesondere aber von Kindern als auch Jugendlichen.“
Inwiefern kommerziell fotografierende Besucher die Naturlandschaft der Ostseeküste in stärkerem Maß gefährden, als dies durch normale Touristen der Fall ist, die fotografieren, bleibt ebenso unklar wie die Frage, wieso sich die Gemeinde für die Einhaltung der Bestimmungen der DSGVO verantwortlich fühlt. Vorsorglich lässt sie sich vom antragstellenden Fotografen von Schadenersatzansprüchen Dritter freistellen, die auf genehmigten Fotos zu sehen sein könnten.
Von diesen Bestimmungen betroffen ist wohlgemerkt die komplette Küste von der Gemeindegrenze des Ostseebades Binz bis Sellin.
Während für die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Anlagen für alle von der Gemeinde Ostseebad Binz bewirtschafteten Strandabschnitte Gebühren nach Maßgabe einer Gebührensatzung erhoben werden, sind diese für Fotografen komplett unklar. Denn: Foto- und Filmarbeiten könnten „grundsätzlich nicht pauschalisiert werden, da alle Anforderungen speziell und nach dem jeweiligen Einzelfall betrachtet werden. Deshalb wird das Entgelt in einem individuellen Vertrag … geregelt“, so die Gemeinde. Das Kleingedruckte stellt dann noch klar: „Die Gemeinde Binz/Eigenbetrieb Binzer Bucht haftet nicht für das Gelingen der Aufnahmearbeiten …“. Aha!
Einen Ausweg aus dem Regelungswerk bietet die Verordnung immerhin: „Sobald in einer Unterkunft fotografiert wird, hierbei der Strand sichtbar ist, ist dies nicht erlaubnispflichtig“.
Weder Tourismusdirektor Gardeja, noch sonst wer in der Gemeindeverwaltung war bislang zu einer Stellungnahme bereit, die erklären könnte, wer sie im Zusammenhang mit dieser Regelung beraten hat. Die Zuständigkeit liegt laut Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern beim Landkreis Vorpommern-Rügen als untere Rechtsaufsichtsbehörde für die Gemeinde Ostseebad Binz. Seit unserer ersten Bitte um Stellungnahme, die Mitte Oktober 2023 erfolgte, ist der Fachdienst Kommunalaufsicht zu dieser Frage nach eigener Aussage im Austausch mit der Gemeinde Ostseebad Binz und dem Eigenbetrieb Binzer Bucht Tourismus. „Die diesbezüglichen Gespräche dauern aufgrund der Komplexität der Thematik weiterhin an. Eine Prüfung durch die untere Rechtsaufsichtsbehörde konnte noch nicht abgeschlossen werden“, so die letzte Zwischenmeldung der Behörde, die zwischenzeitlich auch schon mehrere Wochen zurück liegt. Zwischenzeitlich kassiert die Behörde weiter Gebühren von gewerblichen Fotografen, während die Tourismus-Abteilung online zum Besten gibt: „Die Kunst ist frei, sucht sich ihren Weg und lässt sich dort nieder, wo ihre Ideen auf fruchtbaren Boden fallen“. Wo auch immer das sein mag, in Binz sicher nicht.
Von Thomas Gerwers
https://binzer-bucht.de/service/fotografie-und-dreharbeiten/
Foto: J.-H. Janßen – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0