Egal ob staatlich oder privat: Deutschland verfügt über eine ausgeprägte Hochschullandschaft für Fotografie. Doch wie ist der Stand der fotografischen Ausbildung hierzulande?
1. Macht in Zeiten von Online-Tutorials und KI eine fotografische Ausbildung heute noch Sinn? Können Sie den Beruf jungen Leuten noch empfehlen?
2. Welche Ausbildungswege sind aus Ihrer Sicht empfehlenswert? Hoch- bzw. Fachhochschule, private Fotoschule, handwerkliche Ausbildung und/oder Assistenz?
3. Wie sieht Ihrer Meinung nach die ideale Ausbildung – inhaltlich und formal – aus?
Kirsten Seubert, Konzertfotografin, kirstenrockt.com
1.
Falls man als junger Mensch InfluencerIn werden möchte, und Ruhm und Reichtum erwartet, sollte man sich keine teure Ausbildung antun. Dafür hat KI leider schon zu stark eingegriffen und vor allem auch die Nutzung von smarten Phones, mit einem blitzschnellen Verbreitungsmodus und zumindest für digitale Medien recht hoher Qualität. Was KI mit Sicherheit nie kann: Umgang mit Menschen während eines Porträtshootings, im Regen stehen und echte Momente festhalten. Wer seine Kreativität ausleben möchte und/oder weiß, dass er in einer Branche (z.B. Hochzeiten) Fuß fassen kann, der könnte mit einer Ausbildung noch Erfolg haben. Mit 300 Euro Ausbildungsgehalt kann man da aber einfach niemanden mehr locken. Der Markt ist überschwemmt, die Konkurrenz groß. Vielleicht wird es aber auch wieder eine größere Nische mit der analogen Fotografie geben, die Schallplatte ist auch nicht ausgestorben.
2.
Es ist ein wenig abhängig, welcher Lerntyp man ist, wie alt und ob man finanziell schon gut aufgestellt ist. Eine Hochschule, wie z.B. die Fotoakademie-Köln, an der ich studiert habe, ist für alle interessant, die sich künstlerisch und persönlich weiterentwickeln möchten. Da ich hier freundlicherweise für ein Stipendium ausgewählt wurde, konnte ich das Studium nebenberuflich absolvieren und erfolgreich abschließen. Eine handwerkliche Ausbildung ist für Branchen wichtig, die eventuell nicht von KI ersetzt werden kann wie z.B. die Reportage- und Eventfotografie. Hier würde ich mir sogar wünschen einen großen Gegenpool für künstlich erzeugte „Wahrheiten“ zu generieren.
3.
Für mich persönlich auf jeden Fall: Praxis, Praxis und Praxis. Selbst theoretische Anteile wie Farbmanagement sollten mit speziellen Aufgaben unter Anleitung erlernt werden können und an späteren Bedarfen im Berufsleben angepasst sein. Viel im Studio ausprobieren. Netzwerken und Teamwork während des Studiums. Sich gegenseitig assistieren, ist ein wunderbarer Weg zu üben und um sich selbst auszuprobierne. Und zu guter Letzt auch mal die Nase in den Wind anderer Fotokulturen als der deutschen halten.
Wolfgang Vollmer, Künstler, Fotograf und ehemaliger Lehrbeauftragter, wolfgangvollmer.de
1.
Ja, aber. Fotografie ist trotz der Allgegenwart der bewegten Bilder in den Medien immer noch oder gerade deshalb eine eigenständige, kräftige und lebendige Sprache. Wer sich mit Fotografie beschäftigen möchte, sollte viel wissen, sehr mutig sein und verstehen, dass es immer viel Konkurrenz gibt. Fotografie ist seit fast 200 Jahren immer in Bewegung. Die aktuelle Form wird von außen, aber auch durch die Fotografierenden selbst bestimmt. Wer Lust auf eine Entdeckungsreise mit unbekanntem Ziel hat, ist bei der Fotografie ziemlich richtig. Fotografie ist Handwerk und Technik, ist eine inhaltliche und kunsthistorische Auseinandersetzung, ist Geschichte und Zukunft, vor allem sollte man keine Angst haben. Fotografie ist nicht der Elfenbeinturm, sondern das Karussell auf dem Jahrmarkt, schnell, laut, und mit immer neuen Features versehen.
2.
Alles ist passend, aber. Fotografie sollte einen faszinieren, sollte nicht als Arbeit oder Pflicht verstanden, sollte als Spaß und Entdeckungsfeld empfunden werden. Eine handwerkliche Ausbildung kann eine Belastung (nur Technik, reine Kommerzialisierung, unattraktive Aufträge) und auch eine notwendige Hilfe (Kennenlernen der Basis, der Technik, der Abläufe) sein, hängt von der Lehrstelle und von den eigenen Vorstellungen ab. Eine Hochschule bringt einen mit anderen Studierenden zum Austausch (sehr wichtig!), ein guter Lehrer kann einem schnell die vorhandenen Bildbeispiele aus der Foto-Geschichte vermitteln. Hier setzt man sich auch mit anderen Bereichen der Gestaltung, der Kunst, der Medien auseinander (notwendig!). Im Idealfall ist man frei und ohne Erwartungsdruck, man probiert sich und das weitgefächerte technischen Equipment der Hochschule aus. Vielleicht stellt der Lehrende die richtigen Aufgaben, dann taucht man immer tiefer in die Materie ein. Das Praktikum, die Assistenz ist eine sinnvolle Ergänzung zu dem, was man inzwischen erlernt hat. Der Berufsalltag eines Profis ist anstrengend, verrückt und sehr individuell auf das zugeschnitten, was dieses Studio ausmacht. Das muss man nicht übernehmen, aber man versteht und kann die eigenen Entscheidungen präzisieren. Sich autodidaktisch zu bilden ist auch völlig in Ordnung, wenn man später seine Kenntnisse in der Realität verbessert.
3.
Mit dem ersten selbst verdienten Geld kauft man sich eine Kamera und fotografiert Tag und Nacht. Man druckt seine Bilder aus und hängt sie zu Hause an die Wand. Dann geht man in die Bibliothek und schaut sich Fotobände von den berühmten Fotografinnen und Fotografen an. Danach lernt man die Geschichte der Fotografie anhand von Büchern, Ausstellungen und haptischen, analogen Flohmarktartikeln (Fotos, Kameras, Equipment). Dann geht man in Museen und Galerien und lernt anhand der originalen Bilder, was Fotografie ist. Dann beginnt man in einer Hochschule ein Studium der Kommunikation und des Design und hilft dann einem kommerziellen oder künstlerischen Profifotografen bei seiner Arbeit. Das geht auch umgekehrt. Man schreibt auf, was die Qualität der eigenen Arbeit ausmachen soll, man diskutiert mit anderen über das Fotografische, man lernt, sich auch verbal oder textlich zu zeigen und eine eigene Position zu finden. Dann sucht man sich ein Thema, das man intensiv erarbeitet. Das heißt, man recherchiert, was es schon für Fotos zu diesem Thema gibt von anderen gibt, was darüber geschrieben wurde u.s.w.. Das eigene Foto-Ergebnis zeigt man erfahrenen Fotografierenden und wenn das positiv eingeordnet wird, dann ist der erste Schritt gemacht. Dann ist man noch kein Profi, noch kein Künstler und auch keine/r, die/der genug Geld mit Fotografie verdienen wird, aber es scheint einen leichten Schimmer am Horizont zu geben. Der Weg könnte sehr weit sein, aber es gibt einen Weg.
Roland Willaert, Künstler, photoprojects.de
1.
Eine Ausbildung, egal welche, macht immer Sinn. Ich hatte das Glück im Hasso-Plattner-Institut zwei Kurse zum Thema „Design Thinking“ erleben zu dürfen. Um eine Lösung für ein Problem zu finden (z.B. wie mache ich ein bestimmtes Werbefoto für ein bestimmtes Produkt?) wird ein multidisziplinäres Team von fünf bis sechs Personen (z.B. Metzger, Floristin, Steuerfachfrau, Taxifahrer, … ) gebildet. Durch sechs verschiedene Phasen wird gemeinschaftlich eine Lösung entwickelt. Mir hat es ein neues Denken gebracht. Die Prinzipien des „Design Thinking“ benutze ich inzwischen individuell und brauche keine Teams. Aber eins ist sicher; wie mehr ich multidisziplinäre Fähigkeiten mitbringe, umso besser kann ich mich im Berufsleben integrieren. Ich bin Fürsprecher für lieber drei Ausbildungen, auch ohne Abschluss, aber mit grundlegenden Kenntnissen. Viele berühmte Fotografen beschäftigten sich mit andere Disziplinen: Annie Leibovitz mit Malerei. Peter Lindbergh kam aus der Schaufenstergestaltug. Richard Avedon aus dem Design und Horst P. Horst aus dem Im- und Export.
2.
Nach dem Abitur oder Mittelschule plädiere ich für zwei Jahre Praktika, bezahlt oder auch nicht bezahlt, Hauptsache ich lerne vieles. Wenn das Endziel Profifotograf sein sollte, sind u.a. folgende Praktika nützlich : Kunsthandel, Licht-Foto-Film Verleih, Maler, Modedesign, Foodstylist, Hilfskoch, LKW-Beifahrer und vieles mehr . Wichtig dabei ist es über den Tellerrand zu schauen und Lebenserfahrung zu sammeln und dabei ein Netzwerk aufzubauen. Dann sind Hoch- bzw Fachhochschulen die erste Wahl. Wenn das nicht klappt ist eine Assistenz bei einem angesehenen Fotografen auch eine gute Option. Und es gibt sehr gute Privatschulen (in Deutschland z.B. die Ostkreuzschule und den Lette Verein).
3.
Eine gute Ausbildung besteht aus zwei Teilen.
A) Beherrschung der Technik. Dadurch, das die Automatiken des „Amateurmaterials“ so gut geworden sind, wird das leider immer unwichtiger. Dieses Wissen bekomme ich schon bei einer normalen Fotolehre, natürlich auch an Hochschulen und teilweise sogar an sehr guten Volkshochschulen (z.B. im Photozentrum der VHS Friedrichshain-Kreuzberg).
B) Das wesentliche: Die Ideen, Das finden des Einmaligen, Konzeptentwicklung, Stilfindung und Engagement. Fotografie leben und von Fotografie besessen sein. Mit dem Erfüllen von Pflichtstunden im Studium oder der Ausbildung ist es nicht getan!
Anmerkung: „Viele sind berufen, aber wenige auserwählt!“ In der heutigen Zeit, wo vieles, was an Fotos gebraucht wird, (Print, Online, etc..) von Handys von meistens nicht Fotografen fotografiert wird, muss ich mir die Frage stellen: Wie setze ich mich als Fotograf davon ab? Wenn ich das weiß, finde ich meinen Weg.
Jérome Gerull, Fotograf und visueller Konzepter, jerome-gerull.de
1.
Wer sich heutzutage für den Beruf interessiert, sollte beharrlich für die Fotografie brennen, mehr denn je. Das Berufsbild ist gegenwärtig so deutlich im Wandel wie wohl nie zuvor. Professionelle Bildkompetenzen bleiben trotz KI unerlässlich. Den Beruf auf der Basis eines Studiums kann ich dann empfehlen, wenn es klar auf Fotografie spezialisiert ist. Ziel ist meistens die Freiberuflichkeit.
Die Wege und Genres professioneller Fotografie sind vielfältig, am Ende hängt der persönliche Erfolg vom eigenen Willen, der Positionierung und der Kommunikation mit dem eigenen Netzwerk ab. Für mich ist es ein Ausdrucksmittel und Berufung. Wer aber nicht ausschließlich auf Fotografie fixiert ist, sollte sich eher über ein breiter aufgestelltes Design-Studium oder ein freieres Kunststudium Gedanken machen. Für Bereiche wie z.B. die Hochzeits- oder Eventfotografie ist aus meiner Sicht kein Studium nötig.
2.
Drei bis vier der Hochschulen, unter anderen die in Dortmund und Hannover, sehe ich als die wichtigsten „Labore“ der deutschen Fotografieszene an. Diese Studiengänge bieten die Möglichkeit, sich auf dem höchstmöglichen Niveau auszuprobieren und somit idealerweise einen eigenen fotografischen Stil und Ausdruck zu entwickeln. In diesen Studiengängen gibt es die meisten Lehrenden, ein großer Vorteil, denn die anderen Hochschulen und private Fotoschulen sind meist deutlich schmaler besetzt. Ein Studium kann ein wichtiges Fundament für den gesamten weiteren fotografischen Werdegang bieten. Eine Ausbildung war mir inhaltlich nicht weitreichend und umfangreich genug aufgebaut. Assistenzen und Tutorials sehe ich als gute Ergänzung, ersetzen aber kein fundiertes, tiefgehendes und anspruchsvolles Studium.
3.
Mein Studium an der Fachhochschule Dortmund empfand ich als fast ideal. Es gibt dort großzügig ausgestattete „Versuchslabore“, spannende Seminare, Vorlesungen, viel Austausch und Impulse. Für mich war es eine Traum, dort studieren zu dürfen. Der Lehrplan reicht inhaltlich von Fingerübungen wie Wochenaufgaben und Nachstellungen
über intensive Einblicke in die Fotogeschichte, Fototechnik, Bildgestaltung, Bildbearbeitung, Bildredaktion, Kunstwissenschaft, Konzeption, Layout, Projektarbeit, Präsentation bis hin zu Einblicken in Typografie, Fotorecht und Buchgestaltung. Im Fokus sind vor allem aber ausführliche Bildbesprechungen. Die ersten Masterstudiengänge waren mir zu kunst- und theorielastig. Daher habe ich mir mit dem Bachelorabschluss mehr Zeit gelassen. Acht Semester Bachelor-Regelstudienzeit statt sechs Semester hätte ich allerdings deutlich angebrachter gefunden. Als eine zentrale Aufgabe der (Fach-)Hochschulen sehe ich, Fotografie auch als Business zu
vermitteln, das wird allerdings in den meisten Studiengängen stark vernachlässigt. Die weitreichende Vermittlung des angewandten fotografischen Alltags, der Start in die
Freiberuflichkeit und die Selbstvermarktung für die Zeit nach dem Studium ist allerdings fundamental. Spannend ist, wie KI zukünftig die Ausrichtungen der Studiengänge und das Berufsbild verändern und beeinflussen wird.
Christian Ahrens, Industriefotograf, ahrens-steinbach-projekte.de
1.
Ich empfinde den Beruf des Fotografen nach wie vor als großartig, es ist eine faszinierende Art und Weise, mit seiner Sichtweise auf die Welt professionell unterwegs zu sein und sein berufliches Leben zu gestalten. Allerdings: DEN einen Beruf in der Fotografie gibt es nicht, die Spannbreite an Themen, Sujets, Ambitionen, Wunschvorstellungen, Idealen, Kundenstrukturen, Marktgegebenheiten, Verdienstmöglichkeiten usw. ist extrem groß. Gerade unter diesem Aspekt betrachtet ist eine fotografische Ausbildung sinnvoll, damit Studierende/Lernende eine Zeit haben, in der sie sich erproben und erforschen und ihren eigenen Weg in die Fotografie suchen können. Von Online-Tutorials kann man sicherlich einiges an Technik lernen, aber man erfährt dabei kaum etwas über fotografisch essenzielle Fragen. Und KI wird einige Sujets zwar vermutlich im Sturm erobern, das bedeutet aber nicht, dass es in Zukunft keine professionelle Fotograf:innen mehr geben wird.
2.
Ich würde es so formulieren: Wer sich in der Fotografie entwickeln möchte, tut gut daran, die eigenen Wünsche, Interessen und Ideale mit den zahlreichen Ausbildungsangeboten abzugleichen. Wer sich eher als Künstler sieht, sollte einen entsprechenden Studiengang zu wählen. Wer trotz extrem schwieriger Marktlage seine Zukunft im Fotojournalismus sieht, für den ist der Studiengang in Hannover vermutlich das Richtige. Und wer sich auf vielen Feldern erst einmal umschauen möchte, für den ist eine private Institution wie z.B. die Fotoakademie-Köln eine gute Adresse, wo man im Studium viele verschiedene Sujets ambitioniert nahegebracht bekommt.
Die klassische handwerkliche Ausbildung halte ich für am wenigsten zukunftsfähig, vor allem deswegen, weil die dahinterstehende Haltung (Fotografie = Handwerk) meiner Meinung nach unzutreffend oder mindestens überholt ist. Wenn man dennoch diesen Weg gehen will, sollte man sich den Ausbildungsbetrieb sehr genau anschauen. In einem großen Werbestudio kann man praxisnah viel lernen, die Ausbildung im „Passfotostudio um die Ecke“ halte ich dagegen für Zeitverschwendung.
Quereinsteiger hat es in der Fotografie immer gegeben, auch ich habe ja diesen Weg gewählt. Und da der Zugang zur Technik und zum Markt heute einfacher denn je ist, ist das immer auch ein gangbarer Weg. In der (kommerziellen) Berufspraxis fragt kein Mensch nach einem Diplom oder Gesellenbrief. Im Kunstmarkt wird das anders sein.
3.
Kann es eine „ideale Ausbildung“ überhaupt geben? Ich versuche es mal: Fotografie ist eine Kulturtechnik, in der Werte wie Neugier, Offenheit, Forscherdrang, individuelle Sichtweisen, subjektive Wahrnehmung, persönlicher Ausdruck usw. von wesentlicher Bedeutung sind. Vielleicht ist die ideale Ausbildung eine, in der Studierende oder Lernende ihren Neigungen in diesem Sinne umfassend nachgehen können. In der z.B. in Meisterklassen nicht lauter kleine Klone vom Professor herangezogen werden, sondern Lehrende und Studierende sich gemeinsam aufmachen, um zeitgemäße fotografische Ausdrucksformen für die Themen unserer Zeit zu finden.
Gleichzeitig finde ich, dass eine breite technische Ausbildung immer eine gute Sache ist – und zwar auch über den engen Tellerrand des jeweiligen Ausbildungsweges oder Studienganges hinaus. Fotografie ist ein kreatives Medium, das aber sehr an technische Geräte und Verfahren angedockt ist. Je mehr man darüber weiß, desto besser.
Und zu guter Letzt: Eine solide Vorbereitung auf das spätere Berufsleben wäre ebenfalls Teil einer idealen Ausbildung: Wie funktionieren die jeweiligen Märkte? Wie tickt der Kunstmarkt? Wie bekomme ich redaktionelle Aufträge? Wie akquiriere ich Neukunden oder Fördergelder? Wie werde ich erfolgreich selbstständig tätig? Hier gibt es noch großes Entwicklungspotenzial.
Nina Welch-Kling, Fotografin, ninaklingphotography.com
1.
Ich habe meine Liebe zur Fotografie erst nach meinem Kunst- und Architekturstudium entdeckt. Also relativ spät. Ich habe mich quasi selbst ausgebildet – viele Online-Tutorials und Fotokurse mitgemacht und so versucht, meine Wissenslücken zu stopfen. Sich technisches Wissen anzueignen war relativ einfach, aber Kontakte zu Gleichgesinnten außerhalb einer geregelten Lernstruktur zu finden, war wesentlich schwieriger. Konstruktive Kritik und Gedankenaustausch sind für mich die Basis für eine produktive Entwicklung. Ich könnte mir mein Leben ohne Fotografie nicht vorstellen, für mich ist es nicht nur ein Beruf, sondern eine Passion – also würde ich Fotografie als Beruf jungen Leuten immer empfehlen.
2.
Da ich keine traditionelle und formale Ausbildung absolviert habe, denke ich, dass es nicht so sehr darauf ankommt, wo man sich das Wissen aneignet, sondern eher, wie man das Knowledge, das man hat, in der Praxis umsetzt. Als Fotograf*in endet das Wissen nicht plötzlich mit einem Masterabschluss. Noch heute nehme ich an weiterbildenden Klassen mit meinem Mentor teil, um Feedback zu meinen Arbeiten zu erhalten. Ich finde es wichtig, einem Mentor zu finden (egal ob es ein Professor oder ein Fotograf ist), dessen konstruktive Kritik du annimmst und dich dann selbstkritisch mit deinen Arbeiten auseinandersetzt. Es gibt immer neue Herausforderungen und gerade deshalb bleibt es – zumindest für mich – aufregend.
3.
In einer idealen Ausbildung sollten sich Theorie und Praxis ständig ergänzen. Fotografie befindet sich nicht in einem Vakuum, sondern koexistiert in der Geschichte der Kunst von gestern, heute und morgen. Regelmäßige Museen- und Atelierbesuche lebender Künstler dienen der ständigen Inspiration und regen zu kritischem Denken an.
Klar ist es wichtig, die Basics der Fotografie zu beherrschen und eine Ausbildung trägt dazu bei, mehr als nur die Technik zu beherrschen. Es ist wichtig zu wissen, wie man ein Objekt beleuchtet und in Szene setzt. Aber am Ende ist es immer die ganz persönliche Interpretation, die der Fotografie Leben einhaucht. Dem kreativen Prozess sollten keine Grenzen gesetzt werden.
Frank Schumacher, Vorstand der Sektion Bildung in der DGPh und Leiter des Fachbereichs Fotografie am Lette Verein, dgph.de
1.
Am Lette Verein Berlin haben wir uns im Frühjahr 2017 die Frage gestellt, ob wir heute noch Fotografen ausbilden müssen? Damals war KI-Bildgenerierung noch kein Thema. Aber das aufgrund der Digitalisierung sich schnell verändernde Berufsbild und die vielfältigen Online-Angebote zum Erlernen der verschiedensten fotografischen Techniken und dem inhaltlichen Arbeiten in den unterschiedlichen fotografischen Sujets, waren u.a. die Anlässe, um sich dieser Frage zu widmen. Wie haben die Frage am Ende des Workshops mit ja beantwortet und diverse Veränderungen an unserem Ausbildungsgang vorgenommen. Aber allgemein betrachtet, gab es schon immer den autodidaktischen Weg in die Fotografie, auch in analogen Zeiten. Online-Tutorials sind eine gute Unterstützung bzw. Ergänzung, egal ob man sich autodidaktisch fortbildet oder Fotografie studiert. Wenn man professionell mit Fotografie arbeiten möchte, halte ich eine fotografische Ausbildung nach wie vor für relevant und richtig. Vor allem der physische soziale Raum, in dem sich die Studierenden bewegen, der Austausch und das Miteinander in Seminaren, Werkstätten und auf Exkursionen sprechen für eine fotografische
Ausbildung an einer Institution. Neben den KommilitonInnen stehen meistens mehrere Lehrende für einen Diskurs zur Verfügung. Das fotografische Berufsfeld ist aufgrund der technischen Entwicklungen immer in Bewegung, d.h. diese Veränderungen gehören zum Berufsbild und machen es abwechslungsreich und herausfordernd.
KI-Bildgenerierung wird einige fotografische Anwendungsbereiche verändern. Sie ist aber auch nur ein Werkzeug zur Generierung von fotografisch anmutenden Bildern. Als vor über 30 Jahren Adobe Photoshop auf den Markt kam, wurde schon einmal der Abgesang der Fotografie angestimmt. Mit fotografischen Kenntnissen in Technik und Bildgestaltung kann man die verschiedenen Anwendungen zur KI-Bildgenerierung besser nutzen und es entwickeln sich auch neue Tätigkeitsfelder für FotografInnen. Und ja, ich kann die Berufswahl immer noch empfehlen.
2.
Das ist eine Entscheidung die abhängig ist von der jeweiligen Persönlichkeit und dem spezifischen Interesse an Fotografie und ihren Möglichkeiten/Anwendungen. Ich selbst habe an einer Fachhochschule studiert, später als Professor an einer Kunsthochschule gelehrt und leite aktuell den Fachbereich Fotografie am Lette Verein Berlin, einer Berufsfachschule. D.h. ich habe drei unterschiedliche Systeme kennengelernt, mit ihren Vor- und Nachteilen. Wir haben in Deutschland eine sehr gute und vielfältige Ausbildungslandschaft in den Hoch-/Schulen. Man sollte sich vor der Entscheidung für eine bestimmte Institution mehrere Möglichkeiten vor Ort an Infotagen oder Diplompräsentationen anschauen und mit Studierenden vor Ort sprechen. Unabhängig davon, für welchen Ausbildungs- oder Studiengang man sich entscheidet, halte ich das Assistieren während und nach der fotografischen Ausbildung für sehr sinnvoll. Hier bekommt man wertvolle Einblicke in den beruflichen Alltag.
3.
Eine ideale Ausbildung vermittelt ein breites Spektrum an Grundlagen- und Fachwissen im Handwerklichen in Aufnahme-, Beleuchtungs- und Bildbearbeitungstechniken. Sie ermöglicht eine freie Entwicklung in der Konzeption und Gestaltung von Projekten in Fotografie und Bewegtbild und unterstützt die Findung einer eigenen Position. Neben den praktischen Inhalten sind theoretische Module wie Bildgestaltung, Fotografie-, Kunst- und Mediengeschichte, BWL/Existenzgründung, Fotografie publizieren/ausstellen, Kommunikationsdesign und die Portfolio-Entwicklung wichtige Eckpfeiler einer fundierten Ausbildung. Formal ideal sind Blockmodule, in denen man sich konzentriert in einem festgelegten Zeitraum einem Thema in Theorie und Praxis widmet, mit maximal 15 TeilnehmerInnen, vor Ort und auf Exkursionen.
Die Zeiträume sollten in den ersten beiden Semestern ein bis vier Wochen lang sein, danach variabel, damit man auch an längerfristigen Projekten arbeiten kann. Im 7./8. Semester realisiert man die Abschlussarbeit.
Steffen Müller, Fotograf, smueller-fotografie.com
1.
Ja, eine Ausbildung lohnt sich nach wie vor. Allerdings sollte beachtet werden das reine Online-Tutorials die Aufnahme von theoretischem Lehrmaterial erschwert. Leicht wird man abgelenkt und es braucht einen sehr präsenten Lehrbeauftragten. Am besten sind die hybriden Konzepte, die auch praktische Einheiten anbieten. Damit kann die Theorie besser nachvollzogen werden. Auch im Bezug auf KI lohnt es sich, denn gut ausgebildete FotografInnen haben auch im schwerer werdenden Markt eine Chance. Sollten die Bemühungen zu Gesetzen, die UrheberInnen schützen und an Einnahmen beteiligen sowie Quellenangabe fordert, erfolgreich sein, wird die KI vermutlich unattraktiver. Gleichzeitig kann sie als gute Assistenz diesen Beruf im wirtschaftlichen Sinne unterstützen.
2.
Ich bin Quereinsteiger und habe diesen Beruf nach zwei anderen Ausbildungsberufen mehrere Jahre durch Assistenzen bei national und international bekannten Fotografen erlernt. Für mich die beste Möglichkeit nah am Berufsalltag dran zu sein und sehr umfangreich die Branche und Fotografie kennen zu lernen. Eine Assistenz bedeutet aber auch kein geregeltes Einkommen, keinen Abschluss und man beginnt oft erstmals als Praktikant. Man braucht Geduld und einen starken Willen. Dafür kann man ein gutes Netzwerk aufbauen, ist nah am Kunden dran und in die vielen Prozesse der FotografInnen eingebunden. Am Ende ist es wichtig selbst zu entscheiden wo man hin will und was man wie erreichen möchte. Meine Empfehlung ist es die Ausbildungswege und Möglichkeiten gut anzuschauen und dann zu entscheiden, was am besten passt.
3.
Die ideale Ausbildung sollte vor allem einen hohen praktischen Bezug haben und es sollte auf die angehenden FotografInnen, deren Talente und Fähigkeiten eingegangen und diese individuell gefördert werden. Neben der ganzen fotografischen Grundlehre ist die rechtliche Situation mittlerweile ein wichtiger Inhalt. Ebenso Ki und ihre Facetten. Neben digitaler Technik zum aktuellen Stand sollte trotzdem noch ein Bezug zu alten Verfahren und analoger Fotografie bestehen.
Foto: Petra Gerwers