Dr. Martina Mettner und Michael Biedowicz teilen sich seit einem Jahr den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Photographie, DGPh. Im Interview ziehen beide eine Zwischenbilanz.
ProfiFoto: Ein Jahr nach der Neuwahl des DGPh Vorstands: Wie lautet die Zwischenbilanz?
Michael Biedowicz: Ein erstes und sehr persönliches Fazit – es ist eine große und auch sehr erfüllende Aufgabe einem so renommierten Verein vorzustehen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Wir haben uns im neugewählten Vorstand viel vorgenommen und sind auf einem guten Weg: mehr Transparenz und eine Kultur des Miteinander zu schaffen. Mir ist besonders wichtig, dass wir stärker nach außen, in die Gesellschaft wirken.
Martina Mettner: Wir arbeiten mit hoher Intensität, treffen uns alle zwei Wochen per Zoom. Ziemlich zeitgleich mit unserem Start begann mit der für jedermann zugänglichen generativen Bilderzeugung die größte Disruption der Fotografie als Beruf und Dokumentationsmedium. Wir haben als DGPh dazu als erste einen Workshop angeboten sowie Online-Diskussionen. Im Verbund mit den Berufsverbänden befassen wir uns in einer Arbeitsgruppe des Fotorats laufend mit den neuesten internationalen Entwicklungen im Kontext von generativer KI und Fotografie.
ProfiFoto: Eine wichtige Neuerung ist die DGPh Foto-Gala mit der Verleihung diverser Preise. Was ist das Konzept dahinter?
Michael Biedowicz: Das ist relativ simpel: Wir möchten mit einer Bündelung der Preise mehr Aufmerksamkeit erzeugen, und zwar über die Grenzen der Fotowelt hinaus. Dass die DGPh die wichtigsten Fotografie-Preise in Deutschland vergibt, verlangt nach einer großen und renommierten Bühne. Das Museum Barberini in Potsdam bietet genau das – ein eleganter Museumsbau der Tradition und Moderne verbindet. Da passt die DGPh genau hin.
ProfiFoto: Welche Überlegung führten zur Wahl der diesjährigen Kultur- und Salomon Preisträger?
Michael Biedowicz: Die Preisträger werden auf der Foto-Gala am 28. Oktober 2023 bekanntgegeben. So viel sei verraten: Beiden Preisträgern ist gemeinsam, dass sie hellwach auf die Erschütterungen unserer Zeit mit ihrer Arbeit und auch mit der Wahl ihrer Mittel reagieren. Dass wir jetzt stärker nach Osteuropa schauen, liegt nicht zuletzt am schrecklichen russischen Angriffskrieg. Diese Erfahrung hat uns alle alarmiert, unsere Zeit und ihre Verwerfungen zu begreifen.
ProfiFoto: Welche Perspektiven gibt es zur künftigen Finanzierung der DGPh?
Martina Mettner: Die Aktivitäten der DGPh finanzieren sich aus den Beiträgen der für ihre Verdienste, ihr Engagement in der Fotografie berufenen Mitglieder. Aus Erfahrung weiß ich, dass es viele Menschen gibt, die sich der klassischen Fotografie sehr verbunden fühlen, auch wenn sie in einem anderen Berufsfeld tätig sind oder waren. Diese würde ich gerne als Förderer gewinnen und ihnen so die Möglichkeit geben, an Veranstaltungen der DGPh wie Ausstellungsführungen zu partizipieren, sich zu vernetzen und einfach inspiriert zu werden.
Michael Biedowicz: Der gesamte Vorstand arbeitet daran, dass die DGPh für die Zukunft gewappnet ist.
ProfiFoto: Ist Köln noch der richtige Standort für die DGPh, oder wäre ein Umzug nach Berlin sinnvoll?
Martina Mettner: In diesen digitalen Zeiten gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, den Sitz der Geschäftsstelle zu ändern, zumal die Stadt Köln die DGPh seit Jahrzehnten unterstützt. In Berlin sind wir mit zahlreichen Aktivitäten präsent, wie Preisverleihungen und Symposien, und haben dort viele engagierte Mitglieder. Zudem leben Michael und unser Schatzmeister Hanns-Peter Frentz in Berlin. Beide sind dort gut vernetzt.
ProfiFoto: Intensiv diskutiert wurden in den letzten Jahren mögliche Ziele der DGPh und ihrer Arbeit. Gibt es hier mehr Klarheit?
Michael Biedowicz: Über die Ziele herrscht große Übereinstimmung. Nur wird, wie sollte es auch anders sein, über die Wege dahin diskutiert. Das ist bei 1200 DGPh-Mitgliedern völlig klar und ein Zeichen von Vitalität. Die Gesellschaft, auch die Fotografie, alles verändert sich rasant. Wenn wir mit den aktuellen Entwicklungen Schritt halten wollen, ist eine offene Diskussionskultur nützlich.
ProfiFoto: Beschlossen wurde die Einrichtung eines Beirats. Passiert ist wenig, oder täuscht der Schein?
Martina Mettner: Wir haben bisher drei Personen als Beirat berufen, die uns jeweils bei spezifischen Aufgaben unterstützen werden. Auf der Mitgliederversammlung Ende Oktober in Berlin werden wir den Beirat vorstellen.
ProfiFoto: Wird die DGPh durch den Fotorat nicht eigentlich überflüssig? Beide Organisationen erheben einen umfassenden Vertretungsanspruch in Sachen Fotografie …
Martina Mettner: Die DGPh ist eine Kulturgesellschaft, sie setzt sich „vorrangig für die kulturellen Belange der Fotografie und verwandter Bildmedien ein“, wie es in ihrer Präambel heißt. Damit unterscheidet sie sich von den Berufsverbänden. Im Fotorat sind hingegen die wichtigsten fotografischen Vereine zusammengeschlossen, um der Fotografie bei politischen Entscheidungsträgern eine nachdrückliche Stimme zu geben, seit kurzem als 9. Sektion im Deutschen Kulturrat.
Michael Biedowicz: Dass es zu der Gründung des Fotorats gekommen ist, geht auf die entschlossene Initiative der DGPh zurück. Ohne diesen DGPh Vorstoß gäbe es keinen Deutschen Fotorat. Die DGPh mit ihrer bedeutenden Geschichte ist wie keine andere Organisation dafür prädestiniert, als Schnittstelle zwischen den Fotoexperten und der Öffentlichkeit zu agieren.
ProfiFoto: Hat sich die Wahl einer „Doppelspitze“ mit zwei Vorsitzenden bewährt? Andernorts rückt man von diesem Konzept schon wieder ab, etwa bei der Berlinale…
Michael Biedowicz: Dass sich das Modell erledigt hat, sehe ich nicht. Zur Absetzung der Doppelspitze bei der Berlinale gab es viel Kritik. Auch hält eine der Regierungsparteien an der Idee ihrer Doppelspitze seit Jahr und Tag fest. Eine Doppelspitze macht dann Sinn, wenn sich beide gut ergänzen und daraus ein Mehrwert entsteht. Wir bringen beide verschiedene berufliche Erfahrungen aus unterschiedlichen fotografischen Feldern mit. Auch was Gender und Biografie anlangt – es gibt eine gut ausbalancierte Diversität.
Martina Mettner: Wir kannten uns zuvor nicht, ergänzen uns aber gut. Das mit der guten Ergänzung gilt übrigens für den gesamten geschäftsführenden Vorstand.
ProfiFoto: Was sind 2024 die wichtigsten Themen für die DGPh?
Michael Biedowicz: Das Thema KI wird uns weiter beschäftigen. Was der zunehmende Einsatz von KI generierten Bildern mit uns, den Produzenten auf der einen, und Konsumenten auf der anderen Seite, macht. Die unklaren Regeln beim Urheberrecht, beim gefühlten Glaubwürdigkeitsanspruch des fotografischen Bildes ‒ das sind elementare Dinge, deren Veränderungen uns alle betreffen.
Martina Mettner: Die Auswirkungen der Bildererzeugung mittels generativer KI sind eine enorme Herausforderung. Alleine schon zu vermitteln, dass KI-Bilder keine Fotografien sind (auch wenn sie so aussehen), erscheint mir als gesellschaftlich relevante Aufgabe. Das Thema „Vermittlung von Medienkompetenz“ steht für 2024 auf der Agenda. Dabei ist jede Unterstützung willkommen!
Michael Biedowicz: Des Weiteren kümmern wir uns verstärkt um das fotografische Erbe. Wir starten mit einer Erfassung der DDR-Fotobestände als Pilotprojekt, dem weitere Initiativen folgen sollen.