Auch in der Fotografie fühlen sich Frauen unterrepräsentiert und verdienen statistisch weniger als ihre männlichen Kollegen. Habt ihr das auch schon erlebt? Wir fragen nach persönlichen Erfahrungen und was sich ändern muss.
1. Wo sehen Sie Frauen im Nach- und wo im Vorteil gegenüber ihren männlichen Kollegen?
2. Hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verändert?
3. Haben Sie bereits erlebt, dass Frauen für den gleichen Auftrag oder die gleiche Stelle schlechter bezahlt wurden als Männer, und wie haben Sie reagiert?
4. Brauchen wir eine Frauenquote bei der Vergabe von Fotojobs?
5. Ist eine ungleiche Geschlechterverteilung auch abhängig von den fotografischen Gernes?
Elena Zaucke, Porträtfotografin, zaucke.com
1.
Auch in der Fotografie herrschen nach wie vor in vielen Bereichen die klassischen Vorurteile. Beim Fotohändler wird man erstmal angelächelt und nicht ernst genommen. Redakteure und Produzenten geben einem zu oft das Gefühl man wäre nicht gut genug, nicht wertig genug und schlechter als die männlichen Kollegen. Ebenso wird man als Frau weiterhin bevorzugt bei „sensibleren“ Jobs, besonders wenn es ums soziale Themen geht. Ich denke diese Klischees treffen auf die meisten Jobs zu.
2.
Ich sehe keine Veränderung spezifisch in der Fotografie, eher generell, dass Frauen mehr einfordern was Ihnen zusteht und mehr zu dem stehen, was sie leisten können, und nicht mehr hinnehmen von anderen kleingeredet zu werden (oder es selbst tun).
3.
Leider ist ein Großteil der Frauen immer noch auf „Ellenbogen“-Verhalten ausgerichtet, wahrscheinlich um die wenigen Jobs, die es für Frauen gibt, nicht an die „Konkurrenz“ zu verlieren. Nur wenige reden daher auch über Einkommen, Kostenvoranschläge, etc. Im Female Photoclub sind wir einen offenen Austausch gewöhnt, der uns allen hilft uns besser zu positionieren. Mit Fotografen fehlt mir oft noch der Austausch, daher bin ich nicht im Bilde, ob weiterhin ein Gap besteht. Speziell im Schauspielporträtbereich sind mir aber viele Fälle von männlichen Kollegen bekannt, die die Preise sehr drücken und sich eher zu Dumpingpreisen positionieren.
4.
Ich bin generell kein großer Fan von Frauenquoten, eher sollten die Fotovereine in Deutschland etwas mehr modernisiert werden und uns Frauen mehr Gehör verschaffen und mehr Raum geben. Oftmals ist die Stammtisch-Mentalität noch sehr männerlastig mit viel Macho-Getue. Besserer Austausch, „verbünden“ mit den Kollegen – das wären wichtige Ansätze.
5.
Das hat der Female Photoclub in der Auswertung der Deutschen Magazintitel aus dem Jahr 2022 ganz wundervoll zusammengefasst und es zeigt, wie sehr die Genres geschlechterabhängig sind.
Zum Beispiel im Bereich der Fotografie-Magazine werden 82 Prozent der Titelseiten von Männern fotografiert (was auch generell meinen Standpunkt im Punkt 4 unterstreicht!), im Bereich „Food und Health“ sind es 72 Prozent. Das sind Zahlen, die unfassbar machen.
Steffen Müller, Fotograf, smueller-fotografie.com
1.
Tatsächlich sehe und kenne ich gerade keine Vorteile. Auch nicht bei den Männern. Ich vertrete die Meinung ,dass Fotografeninnen und Fotografen immer wegen Ihrer Bildsprache und die Herangehensweise an den Job gebucht werden und nicht wegen ihres Geschlechts. Ohne Frage bleibt es aber, dass eine Schwangerschaft und Kindererziehung, ein Nachteil für Frauen bedeuten kann. Denn in der Fotografie ist Beständigkeit gefragt. Jede Unterbrechung bedeutet ein neues, manchmal mühsames etablieren. Als weiterer Nachteil wäre vorstellbar, dass die weibliche, meistens feinere oder andere Art und Weise zu denken und umzusetzen, in manchen Bereichen der männerdominierten Kundschaft, nicht verstanden wird. Was wiederum neu gedacht, bei anderen Kunden, dann auch zum Vorteil werden könnte.
2.
Insgesamt ist die Gesellschaft offener geworden. Auch Frauen haben sich mehr positionieren können und sind weiter weg vom klassischem Bild (wie viele Männer auch). Beides bleibt aber noch ein langer Prozess. Ob und wie sich im Bezug auf die Fotografie etwas verändert (bestenfalls verbessert) hat ist schwierig zu sagen. Ich glaube, es bleibt erst einmal ein allgemeines gesellschaftliches Problem, das sich im Endeffekt auch immer auf die Fotografie auswirken wird. Davon abgesehen finden sich aber überall immer mehr Bilder von Fotografinnen. Das hat sich erfreulicherweise schon mal geändert.
3.
Das habe ich weder erlebt noch habe ich davon gehört. Nicht bei Aufträgen und auch nicht von meinen Kollegen. Wäre es mal so, würde ich dazu meine Meinung sagen. Es gibt für mich absolut keine Begründung für eine ungleiche Entlohnung! Eher kenne ich etwas anderes. Tatsächlich wurden schon Kolleginnen von mir für gleiche Aufträge bevorzugt. Allerdings aus ganz anderen Gründen und nie wegen der Bezahlung. Das gehört dazu und soll auch so sein.
Freiberufliche Fotografen handeln ihre Honorare immer selbst aus – egal ob Frau oder Mann, dabei kann und muss man sich treu bleiben.
4.
Als Dozent für Fotografie bemerke ich einen stetigen Zuwachs an Studenten an meiner Schule. Im Durchschnitt gesehen bereits mit einer gleichwertigen Verteilung auf beide Geschlechter. Wenn ich meine Kollegen und Kolleginnen betrachte, die ich persönlich kenne oder durch mein Netzwerk wahrnehme, komme ich mittlerweile auf ein ähnliches Ergebnis. Vor wenigen Jahren war das noch nicht so. Mittlerweile finden sich auch deutlich mehr Frauen an der Spitze von Verbänden und Vereinen oder organisieren sich zum Beispiel wie beim Female Photoclub. Das ist eine tolle Entwicklung, die die Position der Frauen in der Branche stärken und auch die Auftragsvergaben besser verteilen wird.
Bei der Vergabe von Fotojobs wäre eine Frauenquote nur eine Zahl die etwas schön redet oder vielleicht Gemüter befriedigt, aber dennoch nichts ändert. Die Handschrift von Fotografinnen und Fotografen sollten immer zu den Aufträgen passen und nicht einer Quote entsprechen. Wären fotografische Arbeiten wirklich messbar, wäre es eine Option.
5.
Ob ein Genre wirklich beeinflusst, dass eine ungleiche Geschlechterverteilung entsteht, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Vielleicht bei der Reportage in Krisen- und Kriegsgebieten. Wenn ich, als Beispiel, an meine Studenten denke und deren Entwicklung beobachte, haben Genres etwas mit Vorlieben und einer inneren Haltung zu tun. Am Ende wollen doch Fotografinnen und Fotografen Bilder zu den Themen machen, die sie interessieren und dadurch selbst berührt werden.
Nina Baisch, Architekturfotografin, ninabaisch.com
1.
Wir sind im Nachteil indem uns oft weniger zugemutet wird, auch technisch. Auch die zahlenmäßige Unterrepräsentanz ist ein Nachteil und ein bremsender Automatismus. Fotografinnen werden immer noch gern fotografischen Nischen zugeschrieben, die hauptsächlich weiblich konotiert sind: Porträt, Hochzeit, Beauty etc. Aber auch unsere eigenen, vermeintlich guten weiblichen Eigenschaften stehen uns oft im Weg wie z.B. Harmonie-Bedürfnis und vorauseilendes Understatement. Unser Vorteil ist aber u.a. das wir weniger Selbstverliebheit zum Shooting mitbringen, und zudem eher weniger auf die Technik fixiert sind. Ich denke eben nicht automatisch, dass die teure Kamera dann auch das bessere Bild macht. Ich persönlich achte mehr auf Details und auf die Poesie in der Fotografie. Viele Kolleginnen strengen sich immer ein großes Stück mehr an, um in dieser Männerdomäne zu arbeiten und voran zu kommen.
2.
Ich bin seit 2005 Fotografin, noch letztes Jahr bekam ich bei einem Shooting von einem erstaunten Mann zu hören: „Sie machen das ja ganz gut.“ Vor kurzem fotografierte ich frei für einen Architekturfotografie-Wettbewerb und bat dem Entwurfsbüro des Gebäudes ein bis zwei kostenfreie Low-Res-Fotos als Dankeschön für die Zutritts-Genehmigung an. Deren Antwort: „Danke, aber wir haben das Gebäude ja von einem Profi fotografieren lassen.“ Und natürlich der Klassiker: Bei einem mehrtägigen Shooting mit meiner Nikon in einem Schweizer Fünf-Sterne-Hotel wurde ich von einem älteren Herren mit einer Leica um den Hals mit dem Satz bei der Arbeit unterbrochen „Was machen sie denn da? Das ist doch keine Kamera…!“ Würden männliche Kollegen diese Sätze hören? Und es gäbe da noch eine Menge mehr nonverbale und unterschwellig diskriminierende Erlebnisse zu erzählen.
3.
Über Honorare spricht man-frau ja nicht gern, aber ich gehe schwer davon aus und auch die jährlichen Umsatzzahlen der Künstlersozialkasse sprechen Bände. Wahrscheinlich spielt aber auch hier und da die Angst eine Rolle, einen Auftrag erst Recht nicht zu bekommen, wenn man als Fotografin marktübliche Honorare verlangt – die hauptsächlich von Männern gestaltet und aufgerufen werden.
4.
Es braucht mehr Sichtbarkeit von Fotografinnen, mehr Professorinnen und Role-Models, mehr Zusammenhalt unter den Kolleginnen und vor allem loyale Entscheiderinnen und Entscheider, die bei der Vergabe von Jobs und Aufträgen automatisch auch patente Fotografinnen berücksichtigen. Wir wollen nicht nur den halben Kuchen, sondern auch die halbe Bäckerei.
5.
Ja, z.B. in der Architekturfotografie. Im Bundesverband Architekturfotografie BVAF sind wir 133 Mitglieder, davon 22 weiblich.
Juliane Herrmann, Gründungs- und Vorstandsmitglied des Female Photoclub e.V., femalephotoclub.com
1.
Frauen fühlen sich nicht unterrepräsentiert, sie sind unterrepräsentiert. Fakt ist, dass in deutschen Studiengängen für Fotografie das Geschlechterverhältnis in den letzten Jahren ausgewogen ist. Im späteren Berufsleben gibt es aber immer noch deutlich mehr Fotografen als Fotografinnen und das Verhältnis gleicht sich auch nur recht langsam an. Laut Erhebung von Verdi, basierend auf Zahlen der Künstlersozialkasse von 2022, gibt es in der künstlerischen Fotografie, im Fotodesign und in der Werbefotografie einen Frauenanteil von 34 Prozent. Und bei 34 Prozent liegt auch der Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern. Zum Vergleich: Frauen geben bei der KSK ein durchschnittliches Einkommen von 15.233 € an, Männer von 23.027 €. Die Zahlen sind unbereinigt und wir wissen nicht, wieso Fotografinnen knapp 7.800 € weniger verdienen. Fest steht aber, dass die Fotografie damit ganz vorne beim Gender-Pay-Gap unter Kreativen liegt.
Fakt ist außerdem, dass Fotografinnen weniger sichtbar sind. Sie werden deutlich seltener durch Repräsentanzen oder Galerien vertreten. Hier liegt der Frauenanteil bis auf wenige Ausnahmen bei unter 20 Prozent (Erhebung des FPC von 2020). Auch bei der Auszählung der Titelbilder deutscher Magazine aus dem Jahr 2022 war der Frauenanteil nur halb so hoch wie der der männlichen Kollegen. Die Unterrepräsentanz von Fotografinnen in Deutschland ist also nicht bloß ein Gefühl, sondern Realität.
Aber kommen wir nun zur eigentlichen Frage: Es gibt sicherlich Themen in der Fotografie, die dem einen oder anderen Geschlecht zugänglicher sind. Wir sollten aber nicht den Fehler begehen Fotografinnen und Fotografen aufgrund ihres Geschlechtes vorzukategorisieren. Damit entgehen uns spannende neue Perspektiven.
Einer Studie der Yale Universität aus 2012 zufolge werden Frauen bei gleicher Qualifizierung als weniger kompetent und „buchbar“ wahrgenommen. Auch in Honorarverhandlungen haben sie es oft schwerer: Wird einem Mann eher noch auf die Schultern geklopft, wenn er sich für ein besseres Honorar einsetzt, sagt man Frauen schnell Hysterie oder Verbissenheit nach. Wichtig ist es deshalb, unsere eigenen, unterbewussten Vorurteile zu hinterfragen und ihnen gezielt entgegenzuwirken. Das gilt natürlich für Frauen gleichermaßen wie für Männer.
2.
Ja, für mein Empfinden hat sich in den letzten Jahren ein größeres Bewusstsein für die Situation entwickelt. Nicht zuletzt auch durch das Engagement des Female Photoclubs ist eine Verbesserung in Deutschland spürbar. Im FPC merken wir aber auch, dass wir noch lange nicht am Ziel sind. Immer wieder erzählen Fotografinnen von übergriffigen Kunden, schlechterer Bezahlung und anderweitiger Benachteiligung beispielsweise aufgrund von Mutterschaft. Hier gilt es, sich gegenseitig zu unterstützen, den stetigen Wandel mitzubegleiten und in die richtigen Bahnen zu lenken.
3.
Durch meine Funktion im Female Photoclub berichten mir leider immer wieder Frauen, dass ein männlicher Kollege für den gleichen Job deutlich mehr Geld bekommen hat oder man die Fotografin nur buchen würde, wenn sie ein günstigeres Angebot macht, als die männliche Konkurrenz. Besonders gravierend nehme ich das Ungleichgewicht in den Bereichen Werbung, Transportation und Architektur wahr. Was hier hilft, ist vor allem der Austausch mit den Kollegen und die offene Ansprache gegenüber den Kunden.
4.
Ich sehe es durchaus kritisch, Parität erzwingen zu wollen. Gleichzeitig glaube ich aber auch, das bei vielen Kunden, Agenturen und Redaktionen überhaupt erst ein Bewusstsein für die Ungleichbehandlung geschaffen werden muss. Im Moment empfinde ich eine selbst auferlegte Quote oder zumindest die stetige Erinnerung an die Thematik gar nicht verkehrt, so wie es zum Beispiel auch schon in einigen Redaktionen und Agenturen praktiziert wird. Auch die bewusste Wahl weiblich konnotierter Themen bei Ausstellungen, Wettbewerben oder in Magazinen kann dabei helfen Frauen sichtbarer zu machen und der Unterrepräsentanz entgegenzuwirken.
5.
Eine ungleiche Verteilung ist in vielen Fällen definitiv abhängig vom fotografischen Genre. Zum Teil liegt es an selbst gewählten Vorlieben der Fotografinnen und Fotografen, zum Teil aber auch an stereotypen Rollenbildern, die immer noch reproduziert werden. Fotografinnen in der werblichen und künstlerischen Fotografie sowie im Fotojournalismus haben deutlich mehr mit Vorurteilen und Ungleichbehandlung zu kämpfen, als Fotografinnen mit Privatkunden oder in der Hochzeitsfotografie.
Sina Poch, Fotografin, IG: @sina.poch
1.
Ein Nachteil ist nach wie vor, dass Frauen bei der Verteilung von großen lukrativen Projekten eher nicht berücksichtigt werden. Ich glaube, dass Männern ein größeres Technikverständnis zugesprochen wird, welches mit Können gleichgesetzt wird. Dadurch bleiben Frauen unterrepräsentiert und unterschätzt. Frauen werden oft auf ihre weiche oder emotionale Seite reduziert, was sicher ein Vorteil sein kann – jedoch ist das nur ein Bruchteil dessen, was eine Frau leisten kann.
2.
Ich muss sagen, dass es in der Öffentlichkeit oft Thema ist, doch trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass Frauen in unserer Branche in der letzten Zeit sichtbarer geworden sind.
3.
Der Gender-Pay-Gap macht sich leider auch in der Fotografie bemerkbar und spiegelt weiterhin wider, was ständige Diskussion in unserer Gesellschaft ist. Die Höhe des Gehalts ist immer noch davon abhängig, wie hart jemand verhandeln kann. Und selbst wenn eine Frau sehr bestimmt verhandelt, heißt das noch lange nicht, dass sie so viel wie ihr männlicher Kollege verdient, eben weil ihr in so vielen Bereichen die Kompetenz abgesprochen wird. Diese Erfahrung habe ich schon selbst gemacht.
4.
Das ist gut gemeint und funktioniert sicher auch in manchen Bereichen. Jedoch denke ich nicht, dass sich durch eine Frauenquote die oben beschriebene Problematik maßgeblich ändert. Das zu Grunde liegende Problem bleibt bestehen. Eine Quote birgt meiner Meinung nach die Gefahr, dass der Frau unterstellt wird, die Stelle nicht aufgrund ihrer Qualifikation, sondern nur der Quote wegen erhalten zu haben. Ich halte es für eine bessere Idee, Angebote wie Coachings wahrzunehmen, um sich das Skill-Set anzueignen, das man braucht, um sich auf dem Markt besser behaupten zu können.
5.
Auf jeden Fall! Es ist nach wie vor schwer, sich als Frau in männerdominierten Genres wie beispielsweise Sport- oder Industriefotografie zu behaupten. Oft werden wir in pseudo-feminine Schubladen gesteckt und auf Mode oder Beauty reduziert, obwohl wir zu so viel mehr fähig sind.
Selina Pfrüner, Fotografin, selinapfruener.de
1.
Der entscheidende Unterschied beginnt wohl schon in der Erziehung. Bescheidenheit wird bei Frauen nach wie vor als Tugend angesehen, während die Betonung von Stärken als Arroganz wahrgenommen wird. Im Gegensatz dazu wirken Männer damit oft selbstbewusst. Leider kann Zurückhaltung und die Rücksichtnahme auf andere im Geschäftsleben den Eindruck erwecken, dass man wenig Kontrolle hat oder in Krisensituationen nicht entschieden handelt. Zudem neigen Frauen dazu, Unsicherheiten und Selbstzweifel zu kommunizieren, was (potentielle) Auftraggeber verunsichern kann. In meiner eigenen Erfahrung habe ich festgestellt, dass Männer oft, auch ohne Vorwissen, mutig „Hier!“ rufen und den Sprung ins kalte Wasser wagen. Das habe ich mir früh von ihnen abgeschaut, denn nur so kann man lernen und Erfahrungen sammeln. Es könnte sein, dass ich als Frau schneller Vertrauen auf persönlicher Ebene aufbauen kann, vielleicht liegt das aber auch einfach in meiner Natur. Auf jeden Fall werden Frauen zumeist häufiger als „harmlos“ angesehen, was ihnen Zugang zu sensibleren Themen oder Orten verschaffen kann. Mich hält jedenfalls selten jemand auf, wenn ich irgendwo hinein laufe und dabei freundlich grüße 😉
2.
Mein Eindruck ist: Ja. Das Bewusstsein für das Ungleichgewicht in der Verteilung von Aufträgen hat erheblich zugenommen, und einige Auftraggeber beginnen, ihren eigenen Voreingenommenheiten kritisch gegenüberzustehen. Sie setzen sich proaktiv für eine gerechtere Vergabe ein – ein erfreulicher Trend. Dennoch besteht noch erheblicher Handlungsbedarf. Laut einer Auswertung der Magazin-Cover im Jahr 2022 durch verschiedene Verbände (Freelens, DJV Nord und dem Female Photoclub) wurden mittlerweile mehr Titelseiten von Frauen fotografiert: 2022 waren es im Durchschnitt 25 Prozent, 2019 waren es nur 14 Prozent.
Meiner Ansicht nach sollten zwei entscheidende Maßnahmen ergriffen werden: Erstens sollten Frauen ermutigt werden, ihr Standing in Verhandlungen und bei der Kundenakquise zu stärken. Sie sollten selbstbewusst ihren gerechten Anteil an gut bezahlten Aufträgen und großen Produktionen einfordern. Zweitens sollten wir durch Verbands- und Vereinsarbeit für mehr Gleichstellung werben. Wir müssen die Sichtbarkeit von Fotografinnen erhöhen und Entscheider und Entscheiderinnen dabei unterstützen, ihre geschlechtsspezifischen Vorurteile abzubauen. Sobald Kunden erkennen,
dass sie Frauen bewusst oder unbewusst weniger zutrauen, müssen sie ihre Einstellungen ändern und Frauen die faire Chance geben, ihr Können unter Beweis zu stellen und mehr Erfahrungen zu sammeln.
3.
Mir war stets wichtig, meine Verhandlungsfähigkeiten zu verbessern und ich orientierte mich anfangs hauptsächlich an meinen männlichen Kollegen, da ich den Eindruck hatte, sie erzielen höhere Honorare. Inzwischen werde ich jedoch selbst von Männern regelmäßig um Rat bei Kalkulationen gebeten. Daher glaube ich nicht, dass ich derzeit weniger verdiene als meine männlichen Kollegen. Gleichzeitig fördere ich den Austausch im Freundeskreis und durch mein Engagement im Female Photoclub. Je mehr wir unsere Vorstellung über angemessene Honorare miteinander teilen, desto mehr profitieren wir alle davon. Daher ist es mir auch seit Jahren ein wichtiges Anliegen, mein Wissen in Seminaren an der FH Dortmund weiterzugeben. Ab Spätsommer 2023 biete ich zusätzlich Online-Workshops über den Female Photo Club und das KIK (Kölner Institut für Kulturarbeit und Weiterbildung) an. Das Thema werde ich ab 2024 im Rahmen eines Bildungsurlaubs am Campus des Alanus Werkhaus in Alfter behandeln. Zudem führe ich Gespräche mit weiteren Verbänden und Bildungsinstitutionen.
4.
Natürlich sollte immer die am besten geeignete Person den Job übernehmen. Dennoch können die oft unbewussten Geschlechterklischees in den Köpfen der Kunden dazu führen, dass Frauen nicht einmal für eine Vielzahl von Aufträgen in Betracht gezogen oder aktiv vorgeschlagen werden. In diesem Fall bedarf es verstärkter Anstrengungen seitens der Auftraggeber, um eine tatsächliche
Gleichstellung zu erreichen.
5.
Ja, ist es. Und man braucht eine Quote für die Bereiche, in denen es noch nicht paritätisch ist.
Foto oben: Petra Gerwers