Jean-François Leroy, Direktor des Festivals Visa pour l’Image, über die Auswirkungen von KI-Bildgeneratoren auf den Bildjournalismus.
„Die Fotografie hat einen neuen Totengräber: die generative künstliche Intelligenz. In den ultrarealistischen gefälschten Bildern, die die sozialen Netzwerke überschwemmt haben, wollten viele den letzten Dolchstoß gegen unseren Beruf sehen. Wird ein Prompt* Eugene Richards ersetzen? Bescheiden, naiv oder grimmig – wir glauben das nicht. Die Fotografie hat nicht auf Midjourney und Co. gewartet, um bedroht, erschüttert und vor allem manipuliert zu werden.
Das Aufkommen der Digitalfotografie und der Retuschierwerkzeuge, der Tod der Archivagenturen zugunsten von Abonnement-Agenturen (die nun ihrerseits durch die sogenannten generativen KIs geschwächt werden), die Vervielfachung der Verbreiter und die Verwässerung des Werts eines Bildes durch Smartphones? Und doch gibt es den Fotojournalismus immer noch. Warum ist das so? Weil das, was uns in Perpignan zusammenbringt, der Wunsch ist, die Welt zu sehen. Die wahre.
Dieses Bedürfnis und diese Sehnsucht nach Realität machen die Herausgeber von geprüften und authentischen Informationen noch unentbehrlicher, als sie es ohnehin schon waren, und die Verbreitung von potenziell gefälschten Inhalten macht ihre Aufgabe noch wichtiger und schwieriger.
Viele fordern, die Entwicklung dieser generativen KIs zu bremsen. Ein frommer Wunsch – und angesichts der bahnbrechenden Fortschritte, die sie in anderen Bereichen machen könnten, höchst fragwürdig. Aber diejenigen, die nach zwei Jahrzehnten ständiger Beschleunigung vielleicht endlich einen Gang zurückschalten müssen, sind wir: die Medien. Die jüngste Geschichte – die Schließung kostenloser Pure Player und der Höhenflug der digitalen Abonnements von Leitmedien, die noch immer beträchtliche Mittel in die Produktion von Nachrichten aus der Praxis investieren – zeigt dies. Und in diesem neuen Paradigma werden Medienerziehung und -bewusstsein mehr denn je unverzichtbar sein. Ein Ansatz, den wir dank der Fotojournalisten aus aller Welt seit 35 Jahren jedes Jahr und kostenlos für die breite Öffentlichkeit und für Schulklassen verfolgen.“
Die 35. Ausgabe des Fotofestivals Visa pour l’Image findet vom 2.-17. September 2023 in Perpignan statt. Die verschiedenen Denkmäler der Stadt werden einmal mehr die Schauplätze für die Ausstellungen sein, die vom Festivaldirektor Jean-François Leroy ausgewählt wurden. Und der Campo Santo wird weiterhin der Schauplatz für die abendlichen Projektionen sein. Wie jedes Jahr steht das Festival allen Besuchern kostenlos offen.
Details zum Programm: www.visapourlimage.com
Foto oben: © Darcy Padilla / Agence VU’