Der Einsatz Künstlicher Intelligenz markiert eine Zeitenwende – nicht nur, aber auch für die Fotografie. Wir wollten von Anwendern wissen:
1. Nutzen Sie KI-Bildgeneratoren für Ihre Arbeit oder lehnen Sie das ab?
2. Wie hoch ist Ihrer Meinung nach der Anteil des Anwenders an der Schöpfungshöhe solcher Bilder?
3. Brauchen wir eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Fotografien?
4. Was würden Sie sich von KI-Bildgeneratoren wünschen?
5. Sollte das Generieren von KI-Fotografie Teil der Ausbildung und des Studiums sein?
Florian Merkel, Künstler, florianmerkel.de
1.
Testweise gearbeitet habe ich mit Craiyon und Stable Diffusion. Seit sich die Ergebnisse im Grunde wiederholen bin ich zurückhaltender geworden. Die professionellen Programme bieten sicher detailliertere Möglichkeiten. Das Grundprinzip, die Abrufung und Neumischung von etwas, das schon irgendwo existiert, bleibt bestehen und ist nicht neu.
Die KI-Ästhetik verblüfft vor allem, weil ihre Unverfrorenheit nicht durch eigene künstlerische Konzepte vorgefiltert ist. Dieser Effekt kann sich schnell abnutzen. Spezifische
geschmackliche Vorlieben der an der Programmierung beteiligten Personen sind indes unverkennbar und entsprechend einzuplanen. Die Frage nach der Dinghaftigkeit eines Kunstwerkes, seiner Präsenz, ist im Zuge der Gewöhnung des Publikums an Displays schon altmodisch geworden und spielt in der heutigen KI-Diskussion sowieso keine besondere Rolle. Für Anwendungen in der Werbung sind diese Überlegungen möglicherweise irrelevant – das ist aber nicht mein Gebiet.
Teile meiner KI-Experimente habe ich bisher auf Instagram und in einer Gruppenausstellung öffentlich gemacht. Als in den 90ern digitale Bildverarbeitung populär wurde, waren absonderliche Fotos zu bestaunen. Körperöffnungen konnten beseitigt und Fische in Bananen verwandelt werden. Vieles davon ist heute vergessen, in positiver Erinnerung ist mir Inez van Lamsweerde geblieben, deren Frankensteinwesen gar nicht so weit von Jon Rafmans heutigen Monstern entfernt, nur subtiler gebaut sind.
2.
Wenn das Ergebnis gut aussieht, ist der persönliche Schöpfungsanteil so hoch wie bei John Heartfield an seinen Montagen oder bei Andy Warhol an seinen Siebdrucken. Sonst ist es ästhetisch gesehen Kokolores. Die Frage der Bildrechte ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Die Websites lassen im Kleingedruckten erhebliche Risiken offen – bis hin zur Übernahme von Prozesskosten.
3.
Wenn alle KI-Bilder gekennzeichnet würden, müsste man sämtliche neu veröffentlichten
Bilder systematisieren und das auch noch überwachen, oh Graus.
4.
Ich habe keine Wünsche an Bildgeneratoren.
5.
Erfahrungen mit KI zu sammeln sollte in künstlerischer Ausbildung obligatorisch sein, wie der Umgang mit anderen Techniken auch, zumal das Thema sehr populär wird. Die Frage ist, was den Schülerinnen und Schülern auf dem Gebiet beigebracht werden kann. Da geht es um das Sehen und Erkennen von Zusammenhängen, um den zwangsläufigen Einsatz von Stereotypen und wie damit umzugehen ist, darum wie soziale Kategorisierungen verbildlicht werden. Erkenntnisse über das Funktionieren der Programme verraten etwas über die Umgebung, in der diese erdacht wurden und über die Quellen, aus denen die Vorlagen kommen. Es geht um Beziehungen zwischen Gesellschaft, Mediengebrauch und Ästhetik. Versuche, die Algorithmen zu überlisten, führen ins Leere, weil man sich dann dem System ohne Not unterordnet und sich die Katze in den Schwanz beißt. Wesentlich wird die sogenannte Künstliche Intelligenz dann, wenn machtbefugte Ignoranten mit ihrer Hilfe Entscheidungen über unser Leben fällen, aber das spielt in den hier verhandelten Bereichen wohl keine Rolle.
Philipp J. Bösel, Grafikdesigner und Fotograf, enigmart.de
1.
Ich habe kürzlich an dem von der DGPh angeboten Workshop „KI-generierte Bilder, ihre Chancen und Risiken“ teilgenommen. Die Möglichkeiten, die bereits jetzt von verschiedenen Software-Tools zur Verfügung stehen, haben mich beeindruckt. In meinen Augen ist es unvermeidlich, dass wir uns mit dieser Technologie auseinandersetzen und es ist erstaunlich und erschreckend zugleich, welche Ergebnisse heute schon technisch und fotorealistisch von der KI erzeugt werden können.
Jahrelang habe ich analog fotografiert, seit 2005 nutze ich zusätzlich die digitale Fotografie, sie vereinfacht den Workflow, die Bearbeitung der Motive und erleichtert das Archivieren der Fotos. Alle fotografischen Erfahrungen, ob analog oder digital können auf die KI-Fotografie übertragen werden. Obwohl ich zurzeit noch nicht mit KI-generierten Bildern arbeite, kann ich mir gut vorstellen, dass ich die KI für graphische Hintergründe oder Layouts verwende. Der Einsatz der KI-Fotografie wird in den kommenden Jahren sicherlich wachsen, insbesondere in Bereichen wie Mode-, Werbe- und Architekturfotografie.
2.
Was ist ein KI-generiertes Bild? Kurz gesagt: Ein Algorithmus, der basierend auf Daten und Parametern ein Bild erzeugt. Ich bin bei der Erstellung eines KI-generierten Bildes nur ein kleiner Teil des Schaffensprozesses, aber ohne mich könnte das Bild sich nicht generieren. Ohne Eingabe kein Ergebnis. Meines Erachtens kommt es bei der Kreativität von KI-generierten Bildern darauf an, wie, was und wofür das Bild generiert wird. Es geht für mich in der Umsetzung immer auch um das Zusammenspiel von inhaltlicher Konzeption und technischer Notwendigkeit und nicht nur um die Frage was technisch möglich ist. Fotografie soll für mich Geschichten erzählen, aber KI-generierte Bilder erzählen für mich keine Geschichten. Ich finde es unnötig, ein bereits existierendes Bild erneut zu beschreiben und zu generieren. KI-generierte Bilder wirken auf mich manchmal willkürlich, wie ein Avatar: ein Bild ohne Seele. Die KI könnte schon jetzt eine Fotografie im Stile eines beliebigen Fotografen schaffen. Wollen wir das? Trotzdem bin ich von den technischen Möglichkeiten beeindruckt, die bereits verfügbar sind.
3.
Bereits jetzt ist es Pflicht, manipulierte Fotografien zu kennzeichnen. Als Grafiker, der Fotografien für ein Thema montiert, muss ich diese auch kennzeichnen, um die Glaubwürdigkeit des Mediums zu gewährleisten. Mir ist wichtig, dass wir eine klare Unterscheidung zwischen „echten“ und „manipulierten“ Bildern treffen. KI-generierte Bilder können beeindruckend aussehen, aber die Öffentlichkeit muss wissen, dass sie künstlich geschaffen wurden. Eine solche Kennzeichnungspflicht ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass das Medium Fotografie transparent und glaubwürdig bleibt.
4.
Ich habe mir KI-Bildgeneratoren nie gewünscht. Nun sind sie da und sie werden sich weiter entwickeln – auch für neue Anwendungsbereiche. Wie weit das geht, wird die Zukunft zeigen, aber sie werden sicherlich nicht wieder verschwinden. Es ist wie oft bei neuen Technologien, Fluch und Segen zugleich. Bis jetzt habe ich mit relativ großem Aufwand Bilder in Photoshop montiert. Solche Anwendungen kann die KI in naher Zukunft mit Sicherheit schneller und effektiver zusammenfügen. Noch entstehen sehr viele Fehler in der KI-Umsetzung. Daher wünsche ich mir eine Verbesserung und Vereinfachung der Software-Tools, um Arbeitsprozesse zukünftig schneller gestalten zu können.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Technologie weiter entwickelt und welche Auswirkungen sie auf unser Leben und unsere Gesellschaft haben wird, aber es ist sicher, dass sie ein unverzichtbarer Teil unserer Zukunft sein wird. Vielleicht kann die KI auch bald Gedanken lesen, aber das wünsche ich mir nicht.
5.
Unbedingt sollte die KI-Fotografie Teil der Fotoausbildung und des Studiums werden. Wir können uns nicht erlauben, uns vor dieser neuen und sich schnell entwickelnden Technologie zu verschließen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, um sie für unsere Anforderungen nutzen zu können und um auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen. Genauso sollten auch die OpenAI-generierten ChatGPT-Textformate in den Schulstoff aufgenommen werden, damit Schüler und Studierende sich frühzeitig mit diesen neuen Medien beschäftigen können. Es ist von größter Bedeutung, dass wir uns mit diesen Technologien auseinandersetzen, um auf die sich immer schneller entwickelnde digitale Welt vorbereitet zu sein.
Frank Dürrach, Mitgründer und Dozent Fotoakademie-Koeln, fotoakademie-koeln.de
1.
Ich nutze Stable Diffusion, DALL-E 2 und Midjourney seit ein paar Monaten regelmäßig – vor allem, um mit den Möglichkeiten vertraut zu werden. Gleichzeitig beschäftigt mich die Frage sehr, was diese Entwicklung für unser Leben und Arbeiten in den nächsten Jahren bedeutet. Das ist nicht einfach abzuschätzen, aber ich halte die sich abzeichnende Entwicklung der Maschinenintelligenz mit ihrem breiten Spektrum an Fähigkeiten für die größte Umwälzung seit der Industriellen Revolution um 1800. Die Frage nach dem „Ablehnen“ stellt sich also nicht, denn etwas, das die Welt (und meinen Beruf, die Fotografie) derart substanziell verändern wird, kann ich nicht ignorieren.
2.
Wie bisher kann die Schöpfungshöhe von „nahezu null“ bis „genial originell“ reichen. Kommt darauf an, wie intensiv man die KI als Werkzeug nutzt, ob man mit eigenen Bildern als Ausgangsmaterial arbeitet und wie originell die Ideen sind, die man investiert. Derzeit ist die KI ein genialer Idiot. Völlig neu ist, dass man die KI als echten Partner in schrittweise ausgeführten kreativen Prozessen nutzen kann. Denn die KI nutzt dieselbe Kreativität wie der Mensch: Sie kombiniert Bekanntes zu Neuem und macht daher oft mehrere unerwartete Vorschläge, die man dann nutzen oder verwerfen kann. Dumm ist nur, dass es noch einfacher wird, visuell beeindruckende Bilder zu machen, die absolut inhaltsleer und klischeehaft sind. Bildkompetenz zu lehren wird deshalb noch wichtiger als bisher (siehe Frage 5).
3.
Ich glaube, es wird – umgekehrt – ein Siegel für Bilder geben, die in Kameras entstanden sind. Das wird für diejenigen wichtig werden, die beruflich mit Dokumentarfotografie umgehen.
4.
Dass sie im Sinne von Aufklärung, Humanismus und Kreativität verwendet werden statt den Trollen zu dienen, die vor allem Profit, Desinformation und Destabilisierung im Sinn haben. Von der KI wünsche ich mir also nichts, was sie nicht ohnehin draufhaben wird, von den Usern und der Politik wahrscheinlich zu viel.
5.
Ich verwende hier mal das Merkelwort „alternativlos“. Wenn dieses Heft erscheint, haben wir an der Fotoakademie-Koeln gerade den ersten mehrteiligen Workshop zur Bild-KI für alle Studierenden absolviert. Die Auftragsfotografie wie wir sie kennen, wird sich stark verändern und zwar nach den Genres ganz unterschiedlich. Bilder in Werbung und Mode werden oft keine Kamera als Ursprung haben, viele Bilder werden (wie zum Beispiel schon jetzt in der Hochzeitsfotografie) mit Hilfe von KIs bearbeitet werden oder es werden fotografierte Bildteile mit KI-Teilen kombiniert (zum Beispiel: ein reales Restaurant und seine KI-generierten Gäste). Der illustrativen Fotografie und der Kunst eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten. Jedenfalls sofern der militärische Arm der KI nicht eines Tages beschließt, uns alle umzubringen.
Gregor Zootzky, Künstler, Filmemacher und Medienpädagoge, gregorzootzky.de
1.
Ich spiele und experimentiere gerne mit Bildgeneratoren herum. Bisher habe ich mir zwar keine Pro-Version von open.ai gekauft, aber wer weiß … Für mich sind Bildgeneratoren, denen ich einen schriftlichen Auftrag gebe, Werkzeuge, die mir das Leben und die Arbeitsabläufe erleichtern. Erst kürzlich habe ich in der Recherche für ein Projekt ein Image generiert und zusätzlich zum eingegebenen Text ein Referenzbild meines künstlerischen Schaffens hochgeladen. Der Bildgenerator hat das Bild neu berechnet, die Kontraste intensiviert und den Kopf der Figur ausgetauscht. Das funktioniert natürlich nur mit bekannten Personen von denen es genügend Fotos im Internet gibt. Zudem bestand die Klaviatur des Klaviers aus einer Mischung seiner Kunstwerke, die farbig koloriert waren. Durch Machine Learning verbessern sich die Ergebnisse stets.
2.
Das ist unterschiedlich, je nach Anwendung. Ich kann einem Bildgenerator nur mit einem Text füttern und beauftragen, den Stil eines bestimmten Künstlers zu übernehmen oder künstlerische Stile zu kombinieren oder ich gebe ein Bild dazu, welches ich erzeugt habe. Denn dann richtet sich die KI nach der Vorlage. Es gibt aber auch Apps, in denen ich auf der Bildfläche Stellen farbig markiere, um den Bildraum aufzuteilen und mit Einstellungen verschiedener Parameter die Bildausgabe zu beeinflussen. Ob das jetzt ein größerer Schöpfungsanteil ist, als wenn ich den Auftrag erteile: „Ein Dackel spaziert mit Hut im Park und sieht zu einem Eiswagen an einem warmen Sommerabend“? Es bleibt ja meine Kreation, meine Vorstellung. Aber nur, dass ich das Bild aus meinem Referenzbild habe errechnen lassen, macht es nicht zu einem Bild mit nur meiner Handschrift. Ich bin in dem Prozess auch Auftraggeber.
3.
Eine solche Kennzeichnung könnte aus ethischer Sicht sinnvoll sein, damit Menschen sich darin trainieren zu unterscheiden, was vom Menschen gemacht ist und was technisch generiert wurde. In vielen Fällen würde es die Betrachter sicherlich erschrecken, was alles möglich ist wie z.B. die Website „This Person does not exist“. Einigen Mythen um die KI sollte aber auch nicht zu viel Raum gegeben werden. Wir unterscheiden zwischen einer schwachen und einer starken KI. Eine starke KI ist eine Künstliche Intelligenz, die dem Menschen ähnlich ist. Dabei spricht man dann von Digitalem Utopismus. Die Anwendungen, die wir bisher kennen, ordnen wir der sogenannten schwachen KI zu. Und eine schwache KI ist letztendlich ein auf Daten basierendes System und nicht selbst intelligent, aber lernfähig. Die Entfremdung des Menschen von sich selbst beginnt ja nicht erst mit der Maschine, denke ich. Entfremdung beginnt schon da wo man mehr materielle Werte will, obwohl man längst genug davon hat. Die Maschine stößt manche ethischen Fragen an, z.B. der Einsatz einer KI im Militär oder im Straßenverkehr. Dass Menschen mit Waffen verantwortungsvoll aufeinander schießen, ist ja auch irgendwie ein Paradox. Lernende Maschinen, also Machine Learning, führt uns wohl auch zu der Auseinandersetzung mit uns als Menschen selbst.
4.
Das sie kostenfrei genutzt werden können, solange ich will und mir die Resultate in einer hohen Auflösung kostenfrei zur Verfügung stünden. Das hätte ich gerne!
5.
Für mein Dafürhalten auf jeden Fall. Alle Menschen, die mit dem Bild arbeiten, müssten sich ansehen, was möglich und der Status quo ist. Man arbeitet schließlich an Bildern damit. Und man lernt ja auch andere Programme zur Bildbearbeitung. Also bitte auch solche, die man mit wenig Aufwand generieren kann. Das wäre sonst an der Entwicklung vorbeigesehen. Und ob man will oder nicht: Diese Entwicklung hält man nicht auf. Man kann sie aber reglementieren.
Robert Kneschke, Fotoproduzent und Autor, alltageinesfotoproduzenten.de
1.
Ich sehe die Entwicklung der generativen KIs als Teil einer Kulturrevolution, in der Bedeutung vergleichbar mit der Erfindung der Fotokamera oder mindestens der Einführung der Digitalkameras. Viele der aktuellen Argumente in der KI-Debatte (Ist das Kunst? Ist das erlaubt?Zerstört es Arbeitsplätze?) kamen fast identisch von Malern, die gegen die neu erfundenen Kameras waren. Da die KI-Bildgeneratoren meine Arbeit tatsächlich erleichtern (ich kann schneller und günstiger Motive erstellen, die mein Team fotografisch, als Illustration oder 3D-Rendering gar nicht oder nicht so schnell hinbekommen hätte.
2.
Ich kann hier keine juristisch haltbaren Aussagen treffen, denke aber, dass das stark von verschiedenen Faktoren abhängt. Zum einen von der Art und Komplexität der „Prompts“, die zum Bildergebnis führen und von simplen Befehlen wie „Katze im Anzug“ reichen bis hin zu elaborierten 60-Wort-Befehlen mit mehreren Parametern. Zum anderen auch von der Art und Intensität der Nachbearbeitung der KI-Bilder in Photoshop. Wir entfernen zum Beispiel etliche Artefakte, retuschieren störende Details, skalieren und schärfen die Bilder und legen ggf. Looks und/oder Overlays darüber. Kurz gesagt: Das hängt vom Einzelfall ab und ist sicher vergleichbar mit der Fotografie: Es gibt Leute, die gedankenlos den Auslöser drücken und das Bild unbearbeitet in den Familienchat rumschicken und es gibt Fotografen, die sich lange Gedanken um das Motiv machen, das Licht bewusst setzen sowie die Kameraeinstellungen und Komposition sorgfältig auswählen. Auch die Gesetzgebung setzt bei „Lichtbildwerken“ im Gegensatz zu einfachen „Lichtbildern“ ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Schöpfung voraus, welche jedoch schon durch einfache Fotografien erreicht wird.
3.
Brauchen wir eine Kennzeichnungspflicht für Photoshop-Werke? Wenn ja, dann sollte das auch für KI-Bilder gelten, wenn nein, sehe ich ehrlich gesagt nicht, wo die Grenze gezogen werden sollte. In Frankreich gibt es ja seit 2017 ein Gesetz, welches vorschreibt, dass Modelfotos, wo Körperformen verändert wurden, gekennzeichnet werden müssen, Norwegen hat 2022 ein ähnliches Werbegesetz erlassen. Hier könnte untersucht werden, inwieweit nachweisbare Wirkungen, in welche Richtung auch immer, messbar sind und basierend auf fundierten Daten entschieden werden.
4.
Bessere Hände. Höhere Auflösungen. Einfachere Möglichkeiten, die KIs mit eigenem Material zu füttern für individuellere Ergebnisse, welche stärker den persönlichen Stil berücksichtigen. Ansonsten: Ich bin gerade eher noch beeindruckt, dass ich einen solchen technischen Durchbruch selbst erleben darf, auch wenn die Bedrohung des eigenen Geschäftsmodells real ist.
5.
Prinzipiell wäre das eine gute Sache, da die KI in immer mehr Bereiche des täglichen Lebens Einzug halten wird. Ob der Lehrplan jedoch Schritt halten kann mit der aktuellen technologischen KI-Entwicklung wage ich gerade etwas zu bezweifeln. Hier ist ein Selbststudium durch reines Ausprobieren und Experimentieren vermutlich zielführender.
Alina Gross, Fotografin und Dozentin, alina-gross.com
1.
Ich benutze KI Bildgeneratoren (midjourney-bots) und sehe das als eine sinnvolle Erweiterung meiner fotografischen Arbeit an. Z.B wollte ich gerne auf einem Moodboard für ein bekanntes Magazin ein Kleid aus echten Blumen haben. Die Idee ließ sich mit KI schnell realisieren; die reale Umsetzung wäre sehr teuer und aufwendig geworden. Die KI hat Kleidung aus Blumen gemacht, sie hat überdimensionierte Blumen geschaffen, die sich um den Körper des Models schmiegen. Das Ergebnis war anders als gedacht, aber es hat einen unerwarteten Impuls bekommen.
2.
Ich sehe die generierten Bilder als Co-Schöpfungen zwischen mir und der KI an. Zum einen benutze ich eigens entwickelte Motive für das Generieren neuer Bilder, zum anderen gebe ich gezielt Begriffe und Beschreibungen an, damit die KI ein Bild macht, das in meiner typischen Bildsprache funktioniert und sie erweitert. Die Voraussetzung hierfür ist schon ein gewisses Alleinstellungsmerkmal und eine eigene Bilderhandschrift. Midjourney ist ein Unternehmen aus San Francisco und hat eine strenge Zensur. Ich muss immer wieder Umwege finden, weil sich meine Arbeiten genau an der Grenze zum Erlaubten befinden.
3.
Ich denke, dass wir KI-Bilder kennzeichnen sollten, vor allem für Menschen, die nicht viel mit Bildmanipulation oder den Mechanismen der Medien zu tun haben. Vor allem sollten junge Menschen lernen, die Medien kritisch zu sehen und die Wahrhaftigkeit von Bildern zu hinterfragen. Das würde auch verhindern, dass sie unrealistischen Schönheitsidealen nacheifern, weil sie merken, dass sie Fake sind. Unter den Profis glaube ich nicht, dass es notwendig ist. Ein geschultes Auge sieht es den Bildern an, ob diese generiert wurden oder nicht.
4.
Die Darstellung von Haut ist sehr schwierig bei der KI. Die Proportionen stimmen oft nicht und die Gesichter sehen oft ähnlich aus, die Bilder sind kühl und oft ohne Ausdruck. Ich würde mir außerdem wünschen, dass die KI nicht so viele Begriffe wie Brust, Menstruationsblut und zensiert und diese für die Kreationen zulässt. Die Zensur dort schränkt meine Möglichkeiten, dort kreativ zu werden, extrem ein.
5.
Ja, unbedingt. Die Fotografie ist ein Medium, das sehr stark vom technischen Wandel bestimmt ist. Diese Entwicklung nicht ernst zu nehmen und sinnvoll in seine Arbeit zu integrieren wäre zu kurz gedacht. Ich sehe es als ein Tool an, das man benutzen kann, aber nicht muss. Es ist ähnlich wie die Bild-Modifizierungen im Photoshop – eine Möglichkeit von vielen. Ich denke, dass wir keine Angst vor dieser Entwicklung haben sollten, sondern versuchen müssen, sie zu verstehen und für uns zu nutzen.
Hendrik Faure, Künstler, Galerist, Sammler
1.
Ich bin auf die Fertigung von Kupfertiefdruckhéliogravuren in klassischer Arbeitsweise spezialisiert, diese sind sowohl künstlerisches Ausdrucksmittel als auch Reproduktionsmittel. Zudem arbeite ich für mich selbst und im Auftrag für Dritte. Wenn ich für Dritte arbeite, ist die Herkunft unwesentlich, sie müssen nur gravurefähig sein und
einige technische Voraussetzungen erfüllen. Diese Voraussetzungen können KI-Bildgeneratoren mühelos lernen. Für meine eigene Arbeit benutze ich KI-Bildgeneratoren prinzipiell nicht. Sie beeinflussen meine Arbeit aber insofern, als ich mir genau überlege, welche Bilder ich den sogenannten „Neuen Medien“ andiene, denn KI- Bildgeneratoren orientieren sich an vorhandenen Bildern, die sie in maximaler Anzahl aus vorhandenem digitalem Material absorbieren. Ihre Lernvorgänge ähneln denjenigen der ersten Schachcomputer, die sich zunächst an klassischen Schachpartien orientiert haben. KI-Bildgeneratoren benutzen fremde Stil- und Bildelemente unter Ignorierung aller Urheberrechte. Aus meiner Sicht ist dies ein Massenplagiat, also organisierte Kriminalität im rechtlichen Sinne. Dazu möchte ich möglichst wenig beitragen. Ich arbeite in piktorialistischer Tradition und versuche, in meinen Bildern auch Stimmungen und zugehöriges Umfeld darzustellen. Wenn das kopiert wird, billige ich das nicht. Solange es sich vermeiden lässt, habe ich kein Interesse daran, dass Besäufnisse auf Mallorca per Handy
fotografiert, durch dieses „im Stil Hendrik Faure“ bearbeitet und dann an irgendwelche Facebook- Gemeinden verschickt werden. Einen großen Teil meiner Bilder und Videos, die bisher auf verschiedene Internetplattformen zu finden waren, werde ich daher löschen (lassen), bevor es zu spät ist.
2.
Ihre zweite Frage kann ich leider nicht beantworten, da mir Verachtung für KI-Bilder hier den Blick vernebelt.
3.
Eine Kennzeichnungspflicht halte ich nicht für realisierbar. Es gibt eine solche ja auch für digitalistische Bilder nicht.
4.
Von den KI-Bildgeneratoren wünsche ich mir vor allem eine weitergehende Anwendung ihrer eigenen Kenntnisse. In gleicher Weise, wie an Kunsthochschulen produzierte Bilder von an den gleichen Hochschulen produzierten Kuratoren beurteilt werden, könnten KI Bildgeneratoren auch die Produkte ihrer Mittäter beurteilen, beispielsweise durch Verteilung erigierter Daumen bei Facebook. Oder sie könnten in Verbindung mit einem Bankprogramm die zugehörigen NFT bzw. Tintenspritzerprodukte für Schalterhallen und Direktionsetagen eigenständig erwerben. Den lästigen menschlichen Faktor hätte man dann ganz ausgeschaltet.
5.
Das Generieren von KI- Fotografie sollte jedenfalls ein Teil von Ausbildung und Studium sein. Angehende Bildermacher können sich kritisch nur mit etwas auseinandersetzen, das sie gut kennen.
Sie verstehen dann später auch bessser, warum niemand sie noch braucht.
Julia Albrecht, Künstlerin, albrechtjulia.de
1.
Für meine Projekte nutze ich verschiedenste KI-Bildgeneratoren als neue Möglichkeit meine kreativen Visionen umzusetzen. KI-generierte Fotografien kann man innerhalb von Sekunden erstellen und können manchmal interessanter sein als geplante. Dabei suche ich die Schnittstelle innerhalb Fotografie und Technologie. Es ist faszinierend, dass jedes Bild einzigartig ist. Mittlerweile arbeite ich fast täglich damit, um neue Ideen zu entwickeln, welche ich als Skizzen oder Grundstein für neue Konzepte nutzen kann.
2.
Meiner Meinung nach hängt die Schöpfungshoheit stark von der Anwendung ab. Es ist wichtig, ein grundlegendes Verständnis für die Technologie und ihre Möglichkeiten zu haben, um sie effektiv nutzen zu können. Beispielsweise sollte man verstehen, wie KI-Bildgeneratoren Sprache interpretieren und wie man die Eingabe optimieren kann, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Ein kreativer Ansatz und eine klare Vision können ebenfalls dazu beitragen, dass das endgültige Ergebnis hochwertiger ist. Kurz gesagt, je besser die Anwendung der Technologie, desto höher ist der Eigenanteil an der Schöpfungshöhe solcher Bilder. Oftmals werden die entstandenen Bilder in der Postproduktion weiter bearbeitet, was die Schöpfungshöhe nochmals erhöht.
3.
Persönlich spreche ich mich gegen eine Kennzeichnung von KI-generierten Fotografien aus, da ich der Überzeugung bin, dass sie als eigene Kunstform anerkannt werden sollten. Die generierten Bilder weisen ein einzigartiges Aussehen auf und sind als Werkzeug in verschiedenen Arbeitsprozessen nutzbar. Eine Kennzeichnung schützt weder das geistige Eigentum oder die Fotorealität und führt zu unnötiger Verwirrung. Die Bedeutung und Auswirkungen von KI-generierten Fotografien auf die Kunstwelt sollten diskutiert werden, aber eine Kennzeichnung ist nicht die Lösung. Stattdessen sollten wir sie für das schätzen, was sie ist – ein einzigartiger Ausdruck von Visionen und Fähigkeiten.
4.
In den letzten sechs Monaten bin ich immer wieder mit stereotypischen Darstellungen und Klischees in KI-generierten Bildern konfrontiert worden. Darüber hinaus können KIs auch zu einer Verfestigung von Vorurteilen und Diskriminierung beitragen, indem bestimmte Gruppen als minderwertig dargestellt werden. Um dies zu überwinden, suche ich nach einer Technologie, die mehr Vielfalt in den generierten Bildern bietet und ungewöhnliche und unkonventionelle Ideen verstehen und umsetzen kann. Solang diese noch nicht existiert bin ich nur im Stande, um die Problematik herum zu arbeiten.
5.
Natürlich ist es wichtig, sich mit dieser Technologie auf einer breiteren Ebene auseinanderzusetzen. Sie kann ein wertvolles Werkzeug sein, um neue kreative Möglichkeiten zu entdecken und neue Perspektiven auf bereits bekannte Themen zu gewinnen. Allerdings sollte auch der kritische Umgang mit KI-Technologie und deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Kultur Teil des Studiums sein. Es ist notwendig zu verstehen, wie sie funktionieren und welche Auswirkungen ihr Nutzen haben könnte. Um so eine ethische und verantwortungsvolle Verwendung sicherzustellen.
Boris Eldagsen, Fotokünstler, Wissensvermittler, „Head of Digital“ der DFA, promptwhispering.ai
1.
Ich benutze sie seit Juli 2022 und experimentiere seitdem ununterbrochen mit den Möglichkeiten. Da sich die technische Entwicklung fortlaufend beschleunigt, sehe ich kein Ende dieses Prozesses. Für mich ist KI ein Wissensverstärker, der mich durch Eingabe meines bereits vorhandenen kreativen und fotografischen Wissens auf ein höheres Level der Bildgenerierung bringt. Ich sehe in der Verwendung von KI-Bildgeneratoren eine „Co-Creation“, ähnlich wie beim Film, wo der Regisseur die Richtung vorgibt und auf die Angebote des Teams zurückgreift, um diese weiterzuentwickeln. Da ich seit Januar mit www.promptwhispering.ai auch Workshops und Coaching zum Thema anbiete, ist KI auch Bestandteile meiner Lehrtätigkeit geworden.
2.
Das hängt davon ab, welchen KI-Generator man benutzt und wie gut man diesen beherrscht:
Gebe ich in DALL-E 2 den Prompt „Foto einer Pizza ein“, dann verwende ich 2 von 11 möglichen Elementkategorien eines Prompts. Dann ist mein kreativer Anteil 10% und ich bin „Otto Normalverbraucher“. Prompte ich bei DALL-E 2 dagegen „Polaroidfoto einer Pizza, Pizza Diavolo, knusprig, Draufsicht, 8k, fotorealistisch, von David Lachapelle, Werbefotografie, 1990er, Studio Licht, Kameratyp X, Blende Y“ dann verwende ich schon 9 Elementkategorien und bin bei 50 Prozent. Prompte ich aber mit dem Open-Source-Modell Stable Diffusion und benutze die mehr als 50 manuellen Parameter oder trainiere eigene Modelle/Scripts, dann kommen da noch 10 bis20 Prozent drauf. Durch die Verwendung von Inpainting und Outpainting und die Etablierung eines Workflows über mehrere Plattformen komme ich in meiner eigenen Arbeit zurzeit auf bis zu 80 Prozent.
3.
Ich verstehe, dass Berufsgruppen, die ihren Erwerb gefährdet sehen, danach rufen. Ich halte es aber weder für technisch umsetzbar noch kontrollierbar. Das Open-Source-Modell hat einen Statuts Quo geschaffen, der unumkehrbar ist und sich jeglicher Kontrolle entzieht. Ich befürworte stattdessen für den Bildjournalismus, der essentiell für unsere demokratische Gesellschaften ist, ein freiwilliges „Reinheitsgebot“, zu dem sich unsere Medien bekennen. Hat beim Bier gut funktioniert 😉. Zudem gibt es diesen ausformulierten „Code of Ethics“ schon beim World Press Photo Award. Alle anderen Bereiche der Fotografie sollen so Bilder produzieren, wie sie es für richtig halten.
4.
Dass sie mir einen 36-stündigen Tag generieren, damit ich alles, was technisch möglich ist, auch weiterhin ausprobieren kann. Ansonsten freue ich mich darauf, die bereits angekündigten und noch nicht zugängigen „Text-to-3D“, „Text-to-Video“ und „Video-to-Video“ Modelle ausprobieren zu können.
5.
Unbedingt. Schwerpunkte sollten das professionelle Formulieren von Prompts sein – und die sinnvolle manuelle Steuerung von Stable DIffusion. Es gibt dazu keine Alternative, wenn man Studierende gut vorbereiten will. Die Zukunft der Fotografie wird nicht von der Fotografie, sondern von KI-Bildgeneratoren definiert. Es geht hier nicht um einen Hype, sondern um eine technische Revolution, vergleichbar mit der Industrialisierung oder Digitalisierung. Der KI-sierung wird man nicht entkommen können. Ich zeige in meinen Workshops Teilnehmern Möglichkeiten, KI sinnvoll in ihren individuellen Workflow zu integrieren und dadurch Resultate zu erzielen, die sich vom Mainstream digitaler und KI-generierter Bilder abheben.
Bild oben: Boris Eldagsen, PSEUDOMNESIA Pt2 TheTorso