Eine Studie* der Universität Trier hat untersucht, welche in Medien veröffentlichten Bilder des Ukraine-Kriegs Mitgefühl auslösen.
Zerbombte Stadtteile, Verletzte und Trauernde – täglich zeigen Medien neue Fotos des Krieges in der Ukraine. Schon seit Längerem forscht Marion G. Müller, Professorin für Medienwissenschaft an der Universität Trier, zu visueller Berichterstattung über Kriege und Konflikte. Gemeinsam mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Katharina Christ und Studenten hat sie untersucht, welche Fotos des Ukraine-Kriegs Empathie auslösen.
Die Studie bewegt sich auf einem Forschungsgebiet, in dem wenig bekannt ist. „In Medien gezeigte Bilder können eine Traumatisierung auch bei Personen auslösen, die selbst nicht das Kriegsgeschehen erlebt haben“, erklärt Prof. Marion G. Müller. Mehr über die Bedingungen von mediatisierter Traumatisierung durch Pressefotos zu erfahren, war eines der Ziele der Studie.
Den Teilnehmenden wurden 33 Fotos vorgelegt, die auf Webseiten von deutschen und internationalen Medien, zum Beispiel „Süddeutsche Zeitung“, „Tagesschau“ oder „The New York Times“, veröffentlicht worden sind. Auf ihnen waren zerstörte Gebäude, Leichensäcke, Verwundete, Helferinnen und Politiker zu sehen; aber auch Detailaufnahmen wie ein zurückgelassenes Kuscheltier oder die Hand einer Getöteten. Die Teilnehmenden sollten die Fotos auf vorgegebene Felder legen, je nachdem wie viel Empathie eine Aufnahme bei ihnen hervorruft. Jedes Feld durfte lediglich einmal belegt werden. So konnte jeweils nur ein Foto ausgewählt werden, das als „sehr empathie-auslösend“ und als „gar nicht empathie-auslösend“ bewertet wurde.
„Wir haben erlebt, dass Studienteilnehmende weinten“, berichtet Katharina Christ, und dies, obwohl sie zuvor umfassend über die Drastik der gezeigten Kriegsfotos aufgeklärt worden waren. Umso behutsamer sind die Wissenschaftlerinnen beim Studienaufbau und -ablauf vorgegangen. Neben einer bildgestützten Nachbesprechung wurde den Teilnehmenden unter anderem angeboten, ein Gespräch wahrzunehmen, falls sie die Fotos nicht mehr loslassen.
Mithilfe eines speziellen Computer-Programms und Aussagen der Studienteilnehmenden zur Bewertung der Fotos konnten die Wissenschaftlerinnen Muster erkennen. Fotos, auf denen Politikerinnen und Politiker abgebildet sind und Fotos, die als potenziell manipuliert eingeschätzt wurden, lösten die wenigste Empathie aus. Sehr starke Emotionen riefen dagegen Aufnahmen hervor, die persönliche Schicksale zeigen, beispielsweise das einer Mutter mit ihrem neugeborenen Kind oder das eines trauernden Vaters.
„Manche Teilnehmenden haben berichtet, dass sie in den sozialen Netzwerken viel schlimmere Aufnahmen gesehen haben. Daraus leiten wir eine gewisse Abstumpfung gegenüber solchen Bildern ab“, schussfolgert Müller. „Die gesündeste Reaktion ist die so genannte Zeugenschaft. Man verspürt auf der einen Seite Empathie, kann aber Distanz wahren und die Bilder einordnen, beispielsweise, dass sie für eine spätere Strafverfolgung am internationalen Gerichtshof wichtig sind.“
Die Studie wird vom Trier Center for Language and Communication / Patterns gefördert.
*Die Studie: Müller, Marion G. & Christ, Katharina (2023): Empathic reactions to press photographs from the War in Ukraine. A Q-sort study. In: Frontiers in Political Science. https://doi.org/10.3389/fpos.2022.1042326
Foto: Im Rahmen der Studie von Marion G. Müller (stehend) und Katharina Christ haben Teilnehmende Pressefotos danach sortiert, wie viel Empathie sie auslösen.