Auf der Creative Content Conference der Photopia Messe kürzlich in Hamburg wurde mehrfach über den Tod in der Fotografie gesprochen. Der Vortrag von Boris Eldagsen trug den dramatischen Titel „Warum DALL.E 2 & Co. die Totengräber der Fotografie sind“ und Robert Kneschke stellte in seinem Panel die Frage „Ist die KI der Tod der Stockfotografie?“ Dieser Sprachgebrauch machte mich neugierig, ich wollte mehr über KI erfahren. Ich sprach dazu mit Robert*, um mir ein Bild zu machen, wie KI die Arbeit der Berufsfotografinnen und Fotografen beeinflussen wird.
Mein Selbstversuch mit DALL.E 2 einige Tage zuvor war interessant. Ich testete die KI mit dem Text „Portrait von Silke Güldner“, die sie zu einem Bild machen sollte. Das Ergebnis war eine blonde Frau mit 7 Fingern an einer Hand und zwei linken Füßen. Gar nicht schlecht dachte ich, denn eine gewisse Ähnlichkeit in der Erscheinung und im Gesicht war durchaus erkennbar. Abgesehen von den Extremitäten und der Haarfarbe. Gut, es ist ja eine KI und sie lernt eben noch. Was ich gelernt habe ist, dass das Ergebnis davon abhängt, wie genau und beschreibend meine Eingabe ist.
Ob DALL.E 2, Midjourney oder Stable Diffusion, viele der Tools sind noch im Beta-Stadium, aber entwickeln sich rasant. Auch die EU hat im Blick, dass die Künstliche Intelligenz gefährlich sein könnte und arbeitet laut Spiegel Online an einer „KI-Verordnung“.
Es liegt nahe, dass ich mit vielen Fotografen spreche, die für Ihre Auftraggeber individuelle Aufgabenstellungen umsetzen und zum Beispiel Porträts, Reportagen, Produkte, Architektur oder Mode fotografieren. Aber sind das Bereiche in der angewandten Fotografie, die durch eine Motivproduktion mittels KI gefährdet sind? Dazu muss ich verstehen, wo KI sinnvoll ist und welche Art von Stil sich mit ihr aktuell erzeugen lässt. Robert, seit langem in der Stockproduktion tätig, berichtet, dass KI-Visuals zur Darstellung von symbolhaften Themen wie Landschaften, Fabelwesen, abstrakten Hintergründen und unmöglich zu fotografierenden Motiven, wie der Milchstraße oder einer Explosion auf dem Mars hervorragend genutzt werden können. „Da, wo Fantasie eine Rolle spielt und es um das Konzept Vulkan geht, aber nicht um einen speziellen existierenden Vulkan“. Mit seinem Team produziert er zu vielen verschiedenen Anlässen KI-Visuals, zum Beispiel für Feiertage Weihnachtsmotive, Winterlandschaften oder Christbaumkugeln. Aber auch Bestseller mit neuem Spin und Briefings der Bildagenturen werden von ihm umgesetzt. Inspiration für neue Motive liefern zum Beispiel auch Kinderbücher. In den vergangenen 10 Monaten hat sein Team rund 4.000 Bilder produziert, davon 1.000 KI-Motive. „Das Schöne an der KI ist das Spielerische, Kreative und Spontane. Was wir machen, ist eine Erweiterung unseres Portfolios, da wir mit der KI nicht alle Arten von Motiven fotografieren können, die wir im Portfolio haben.“
Im Gespräch wird klar, dass die KI für viele Berufsfotografen noch keine Gefahr ist. Ein Corporate Shooting mit Geschäftsleuten lässt sich am besten und einfachsten mit den echten Menschen fotografieren. Auch bei dokumentarischer Berichterstattung und Auftraggebern, die eine spezielle Vorstellung von einem Ergebnis haben oder ein bestimmtes Produkt abbilden wollen, ist die Nutzung der KI bislang nicht sinnvoll. „Je genauer die Anforderungen sind, desto mehr Zeit und Geschick muss man in der Beschreibung verwenden“, so Robert. Die KI wird diese Bereiche der Fotografie erst mal nicht ersetzen. Aber man kann die KI gut auf ein bestimmtes Motiv trainieren, so wie bei Stable Diffusion. Noch sind die Ergebnisse zufällig, aber bald kann das ausgereifter sein. Methoden wie das In- und Outpainting von DALL.E 2 sind in Grafikprogrammen wie Adobe Photoshop nun möglich und es wird vermutlich bald WordPress-Plugins geben, die auf Knopfdruck zum Artikeltext passende Bilder generieren, berichtet Robert.
Ich denke, dass sich nicht nur Stockfotografen, sondern auch Auftragsfotografen mit KI befassen sollten, um zu wissen, was die KI kann und was nicht, damit sie ihre Auftraggeber bei der Umsetzung beraten können und Möglichkeiten aufzeigen können.
Mein Tipp: Legen Sie sich einen Account an und spielen Sie damit! Jede KI hat einen Discord Channel, indem die Künstler ihre Werke posten.
Bei der Abbildung von fotorealistischen Menschen produzieren die KI-Tools noch amüsante Fehler, wie einen siebten Finger oder verdrehte Augen, aber bei der exponentiellen Entwicklung dauert es nicht mehr lange, bis nutzbare Ergebnisse rauskommen. Für Kreateure ist es schon jetzt ein spannendes Tool. Ich jedenfalls werde die KI weiter trainieren – zum Spaß.
Und wann spielen Sie mit KI?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.
www.silkegueldner.de
*Robert Kneschke, www.alltageinesfotoproduzenten.de