Die Entscheidung, das Deutsche Foto-Institut in Düsseldorf anzusiedeln, wird innerhalb der Fotoszene kontrovers diskutiert. ProfiFoto Chefredakteur Thomas Gerwers unternimmt den Versuch einer Zusammenfassung der aktuellen Reaktionen.
Moritz Wegwerth, Vorsitzender des Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e.V.: „Der Künstlerverein DFI e.V. freut sich über die Entscheidung von Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Brandes und der Landeshauptstadt Düsseldorf, das Deutsche Fotoinstitut am Ehrenhof in Düsseldorf zu realisieren. Mit dem Deutschen Fotoinstitut soll ein Kompetenz- und Forschungsnetzwerk zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Fotografie entstehen, welches neue Denkansätze fördert, Fachwissen vermittelt und als offenes Haus den Herausforderungen des sich immer komplexer darstellenden Mediums auf Höhe der Zeit begegnet. Sein Ideal ist die umfassende Förderung der Diskussion dringender Fragestellungen von Fotografie und ihrer medialen Kontexte. Dem entstehenden Institut werden die Mitglieder des DFI e.V. beratend und vermittelnd zur Seite stehen.“
Dazu das DGPh Vorstandsmitglied Hanns-Peter Frentz in einer offiziellen Stellungnahme: „Diese ohne jede Beteiligung der Öffentlichkeit getroffene Entscheidung für Düsseldorf als Standort eines „Deutschen Fotoinstituts“ ist vermutlich leider auch eine inhaltliche Entscheidung gegen die Fotografie in ihrer Breite und nahezu ausschließlich für die künstlerische Fotografie mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Becherschule. Schon der Name, den immer die Düsseldorfer für ihr Projekt gewählt hatten, zeigt, dass man sich von dem von Frau Grütters favorisierten „Bundesinstitut für Fotografie“ bewusst absetzt. Kein guter Tag für die Presse- und Dokumentarfotografie als dem zu bewahrenden visuellen Gedächtnis unserer Gesellschaft. Trotzdem ist auch dieses „Deutsche Fotoinstitut“ besser als gar kein Fotoinstitut.“
Der Deutsche Fotorat, eine Initiative diverser Fotoverbände, auf seiner Webseite: „Ein „Deutsches Fotoinstitut“ bleibt aus der Sicht des Deutschen Fotorates ein Vorhaben von nationaler Bedeutung … Alle relevanten Akteure der Fotografie sollten jetzt an einen Tisch geholt werden. Es gilt Gräben zuzuschütten. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, partikulare Interessen nicht die Oberhand gewinnen, kann ein Institut von bundesweiter Bedeutung entstehen.“ Mit dem 2020 vorgelegten Expertenkonzept und der 2021 fertig gestellten „Machbarkeitsstudie Bundesinstitut für Fotografie“ lägen bereits wichtige konzeptionelle Vorarbeiten vor, die für die weiteren Planungen genutzt werden sollten.
„Es geht um die Erhaltung des fotografischen Kulturerbes in seiner gesamten Breite“, so der Fotorat. „Die Sammlung der Vor- und Nachlässe hervorragender deutscher Fotografinnen und Fotografen gehört dazu ebenso wie die Förderung der Vernetzung aller Institutionen, die sich um die Bewahrung des fotografischen Erbes auf regionaler und lokaler Ebene kümmern.“
Es bedarf aus der Sicht des Deutschen Fotorates eines staatlichen Auftrags, der die Übernahme von fotografischen Archiven regelt und dabei der Vielfalt der Fotografie gerecht wird: „Es gilt in allen Bereichen weiteren unwiederbringlichen Verlusten vorzubeugen. Zudem muss die Forschung in Fragen der Restaurierung und Konservierung weiter vorangetrieben und die Ergebnisse müssen durch Ausstellungen, Publikationen und Veranstaltungen vermittelt werden. Der Umfang dieser Aufgabe ist enorm. Jeder Bereich der Fotografie hat seine bewahrenswerten Besonderheiten. Der Deutsche Fotorat fordert deshalb alle Beteiligten auf, das neue Institut nicht mit Erwartungen zu überfrachten. Wir brauchen eine praktikable und vor allem praktische Lösung, eine arbeitsfähige Institution, die im Rahmen realistischer Erwartungen bundesweite Wirkung entfalten kann“, so das Gremium, das außerdem darauf hinweist, dass das Projekt noch nicht ausfinanziert sei: „Die Arbeit des Deutschen Fotoinstituts wird weit mehr Geld benötigen, als sich das viele Politiker heute vorstellen können. Hier steht jetzt das Land NRW in der Verantwortung.“
Klaus Honnef, seit Jahrzehnten als Kunstkritiker ebenso profiliert wie als Ausstellungskurator und als Professor für Theorie der Fotografie zur Standortentscheidung: „Erst wird lange diskutiert, aber nie radikal, an der Wurzel der Dinge, dann wird in Hinterzimmern entschieden. Schon anerkannte Expertenäußerungen werden ignoriert und ein bereits vorgestelltes und sanktioniertes Konzept mit einer blinden Mitte ebenso. Das deutsche Foto-Institut kommt also. Seine Aufgabe bleibt vage und weitestgehend ungeklärt. Zuerst baut man. … Wenn erst einmal ein Gebäude steht, wird man schon finden, was damit angestellt werden soll. Und an Gelegenheit, sich während des Baus noch neue Aufgaben auszudenken, wird es auch nicht fehlen, damit die Chose vier- bis zehnmal teurer wird als ursprünglich geplant.“
Für Honnef sind viele wichtige Fragen offen: „Lakonisch heißt es nur, (das Foto-Institut) solle sich um das fotografische Kulturerbe kümmern, fotografische Nachlässe erwerben, bewahren und erforschen, Restaurierungsmaßnahmen auf den Weg bringen. Viele wichtige fotografische Nachlässe sind längst woanders angesiedelt, viele auch durch Ignoranz verloren, doch es kommen neue ständig hinzu. Und gerade hier liegt des Pudels Kern. Welche Arten von fotografischen Nachlässen stehen zur Debatte für die Qualität eines deutschen Foto-Instituts? Was sind die Kriterien, worin besteht der Nomos, der das Bewahrenswerte von Verzichtbaren trennt? Kunstfotografie, Mode- und Werbefotografie, journalistische, die Fotografie der Amateure? Von allem, was der Markt bietet, etwas? Das Problem besteht darin, dass jede Gattung ihre eigenen Kriterien besitzt. Es gibt keine alles übergreifenden und unwandelbaren Maßstäbe, die gute von weniger guter Fotografie trennen. Wobei zu allem Überfluss auch noch die sich ständig wandelnden Erwartungshaltungen berücksichtigt werden müssen.“
Seine Befürchtung als Kenner des bundesdeutschen Kulturbetriebs: „Ich bin fast sicher, dass am Ende – so gegen Mitte oder Ende des Jahrhunderts – die übliche kleinlich deutsche Lösung Realität wird, die dann historisch und technisch überholt ist, viel, viel Geld kostet und nichts bringt, aber auch nicht schadet. Vorbilder aus den letzten Dekaden für solche Unternehmungen gibt es genug. Nur keine Theorie, weil Theorie in Deutschland ohnehin so abgehoben ist, dass sie mit der Praxis, der fotografischen Praxis, der Praxis der „Art moyen“ (Pierre Bourdieu) nicht das Geringste zu tun hat. Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“
Ruhig sein will einstweilen jedenfalls Moritz Wegwerth vom DFI e.V., der auf Nachfrage der Redaktion mitteilte: „Sämtliche Fragen zum weiteren Gründungs-Prozedere des Deutschen Foto-Institut in Düsseldorf werden wir gerne beantworten, nachdem die angekündigten Gespräche mit den verantwortlichen Vertreter:innen beim Bund und Land geführt worden sind. Die kurz vor dem letzten Wochenende bekanntgegebene Entscheidung ist noch zu frisch und es gab demzufolge noch keine Gelegenheit zu einem Austausch mit den oben Genannten. Deshalb werden wir uns vorläufig inhaltlich nicht weitergehend äußern.“
http://deutschesfotoinstitut.org
Foto: Das Deutsche Fotoinstitut soll am Ehrenhof in Düsseldorf realisiert werden (Foto: Düsseldorf Tourismus GmbH – Chris Göttert)