In der letzten Woche war es mal wieder so weit: Der renommierte Art Directors Club für Deutschland hat im Rahmen der 58. Ausgabe seines Wettbewerbs fünf Grands Prix, 62-mal Gold, 115-mal Silber und 272-mal Bronze für hervorragende Kreativleistungen in der Werbung verliehen. Neben Preisen für Illustration, Post-Production / CGI und andere visuelle Künste wurden in der Kategorie „Imagery“ auch Auszeichnungen für „Photography“ vergeben.
Zu den vom ADC ausgezeichneten Bildermachern zählen Größen wie Uwe Düttmann und Esther Haase, die beide auch gleich Teil der Jury waren. Gold gab es keines für Fotografie, dafür aber immerhin einmal Silber und zweimal Bronze sowie zahlreiche Auszeichnungen.
Silber, und damit den Preis für die herausragendste Arbeit der Kategorie „Photography“, gab es für rund 50 Beauty-, Porträt- und weitere Motive, mit denen Douglas anlässlich seines 111ten Jubiläums Schönheitsideale zu revolutionieren suchte. Die Jury-Begründung: „Die schwarzweißen und farbigen Portraits sind so konzipiert, dass sie den Betrachter in eine spezielle Stimmung versetzen. Hier werden „Unperfektheiten“ beinahe wie Kunst inszeniert. Eine Symbiose aus Dokumentation und Beauty entsteht, die sofort eine Nähe herstellt. Wir sehen mehr als nur Fotos – wir fühlen Geschichten hinter den Menschen, deren „scheinbare“ Fehler ikonographisch in Szene gesetzt werden.“
Nur: Wer diese Fotos gemacht hat, verrät der ADC auf seiner Webseite nicht, dafür aber die Namen der Agentur, des Auftraggebers, der Kreativgeschäfsführung, des Creative Directors, des Art Directors, ja sogar den des Art Buyings und des Kundenberaters.
Dasselbe bei einer in der Kategorie Fotografie ausgezeichneten Werbung für das Festspielhaus Baden-Baden. Als „authentisch fotografiert, nahbar“ lobt der ADC auch die Bilder einer Werbung zur Einführung des neuen Markenclaims von eBay, nur vom wem, bleibt auch hier im Dunklen.
Einfach Machen! erzählt inspirierende Geschichten die zeigen, wie eine zukunftsfähige Landwirtschaft in der Praxis aussieht. Der ADC verrät: „Um die Botschaft der Narrative zu transportieren, wurde mit emotionalen, emphatischen Fotografien im Reportagestil gearbeitet, die ausschließlich mit natürlichem Licht fotografiert wurden, um sich ganz eindeutig von der Werbefotografie abzugrenzen … Die ästhetisch fotografierte Reportage erzählt den Alltag des Bauern Alexander Agethle und nimmt den Leser hautnah mit an den Frühstückstisch, auf die Weide und in seinen Hofladen.“ Wer das so brillant umgesetzt hat, weiß leider nur Bauer Alexander, der ADC weiß das scheinbar nicht.
Die ebenfalls ausgezeichneten Kampagnenbilder des Konzeptmotorrads Tardigrade schoss laut ADC „ein Team“, zu dem auch hier offenbar kein Fotograf gehört hat. Dafür wird als „Camera Partner“ immerhin die Leica Camera AG genannt. Ja, macht am Ende doch die Kamera das Foto, und nicht der Fotograf?
Weitere Beispiele der offenkundigen Ignoranz des ADC gegenüber Lichtbildnern sind die fehlenden Urheberangaben der ausgezeichneten Fotos für das Kreativ-Startup Mavemade und sogar des Fotos der ADC Festival Kampagne 2021 selbst. „Das selbstgekochte wobbelig-auffällige Motiv wird in nahezu unwirklich und überhöht perfekt-glibberig-glänzender Fotografie zum alles umglibbernden Keyvisusal der Kampagne“, schwärmt der ADC über das Bild, zu dem selbst der Foodstylist genannt wird, aber auch hier einmal mehr nicht der Fotograf.
Insgesamt handelt es sich bei den genannten ADC-Preisen der Kategorie zwar um Ausnahmen, denn bei der Mehrzahl werden auch deren Fotografen genannt. Die hier aufgezeigten Fälle zeugen aber von einer bedenklichen Missachtung der Fotografen-Zunft. Auch wenn Werbeproduktionen eine Teamleistung sind, darf der zentrale Macher eines Werbefotos aber nicht einfach unter den Tisch fallen, was eine seit Jahren vom ADC geübte Praxis ist. Dabei trifft ihn möglicherweise nur eine geringe Schuld, denn die Einreichung zum ADC Wettbewerb erfolgt in der Regel über die verantwortlichen Werbeagenturen. Und genau die sollten wissen, welchen Stellenwert Fotografen bei der Entstehung von Fotos haben.
Liebe Art Directoren, Creative Directoren, Art Buyer, Taschenträger & Co.: Ohne Fotografen keine Fotos, ohne Fotos keine Preise beim ADC Award. Bitte 100-mal schreiben und im nächsten Jahr besser machen. Danke!
TEXT: Thomas Gerwers, ProfiFoto
https://www.adc.de/adc-gallery/list/category/year/2022/20007/21800/21805/