Der deutsche Fotograf und Dokumentarfilmer Thomas Hoepker, geboren 1936 in München, lebt seit 1976 in New York City. Er ist seit 1989 Vollmitglied der Agentur Magnum Photos und war von 2003 bis 2007 ihr Präsident.
Sein fotografisches Werk aus sieben Jahrzehnten belegt eindrücklich Hoepkers durchgängiges Interesse an gesellschaftlichen Themen und sein besonderes Einfühlungsvermögen für die von ihm porträtierten Menschen, ganz gleich ob prominent oder namenlos. Dieser humanistische Ansatz war für den Fotografen immer bestimmend; Authentizität und die fotografische Zeugnishaftigkeit sind die prägenden Konstanten seiner Arbeit. Gern bezeichnet er sich selbst als Auftragsfotograf, als „Bilderfabrikant“. Als einer, der sich für nichts Geringeres als für die Wirklichkeit interessiert, für die Wahrhaftigkeit des Augenblicks.
Unaufgeregt, subtil und fern von Sensationslust wurden viele seiner Motive durch ihre präzise Bildgestaltung und dichte Bildaussagen sowie Hoepkers feines visuelles Gespür zu Ikonen der „concerned photography“. Kein Schockbild lässt sich finden; eher sind es die stillen alltäglichen Dramen, die er in sensiblen und subtilen Fotografien eingefangen hat. Eine seiner bekanntesten Aufnahmen entstand am 11. September 2001 in New York. Sie wurde erst 2005 erstmals ausgestellt und hat seitdem immer wieder heftige Diskussionen ausgelöst. Der zufällige Moment, aber auch ihre Perfektion haben diese Fotografie zu einem ersten Symbolbild des 21. Jahrhunderts werden lassen. Es ist eines der unzähligen wichtigen Bilder, die Hoepker über die letzten sieben Dekaden aufgenommen hat.
Bereits im Alter von 14 Jahren fertigte Thomas Hoepker erste Aufnahmen mit einer Glasplattenkamera. Es folgten frühe Auszeichnungen beim „Jugend photographiert“-Wettbewerb auf der photokina 1956 und 1958. Schon während seines 1956 begonnen Studiums der Kunstgeschichte und Archäologie unternahm Hoepker zahlreiche Reisen, auf denen sich bereits sein starkes Reportage-Interesse zeigt.
Ab 1960 beginnt Hoepkers Karriere als Bildreporter bei verschiedenen deutschen Magazinen. Ein Höhepunkt seiner Tätigkeit für das Hamburger Magazin „Kristall“ war 1963 ein dreimonatiger Roadtrip durch die USA, der im Magazin mit vier langen Bildstrecken vorgestellt wurde. Zusammen mit dem Textautor Rolf Winter erkundete Hoepker ein Land voller Widersprüche. So entstand ein vielseitiges, starkes visuelles Zeugnis US-amerikanischer Realität. 1964 wechselte Hoepker in die Redaktion des „stern“; hier entwickelte er sein Talent weiter, zahllose Aufträge führten den rastlosen Fotografen quer durch die Welt.
Besondere Aufmerksamkeit erzielte er mit seiner „Champ“-Reportage über Muhammad Ali. Über Wochen begleiteten Hoepker und seine Frau, die Autorin Eva Windmöller, den Boxer und erhielten einen intimen Einblick in dessen Leben. Am bekanntesten wurden die Aufnahmen, die eine ausgestreckte Faust direkt vor der Leica des Fotografen zeigen; in der Ausstellung wird eine größere Motivauswahl präsentiert.
Durch die Möglichkeit, seine als Journalistin in Ost-Berlin akkreditierte Ehefrau zu begleiten, war Hoepker einer der wenigen Bildkorrespondenten, die den Alltag in der DDR über mehrere Jahre in eigener Anschauung erkunden konnten.
Unter dem Titel „Thomas Hoepker – Bilderfabrikant“ präsentiert das Ernst Leitz Museum Wetzlar vom 1. April bis zum 17. Juli 2022 eine umfangreiche, mit Unterstützung von WhiteWall realisierte Retrospektive des deutschen Magnum-Fotografen.
Aus der Fülle von Hoepkers reichem Lebenswerk und vielschichtigen Archiv zeigt die große Ausstellung rund 180 Motive, darunter zahlreiche Aufnahmen, die heute längst ikonischen Charakter besitzen, sowie auch viele nie gezeigte und gänzlich neue Arbeiten. Beginnend mit den 1950er Jahren werden die prägendsten Stationen seiner Karriere nachgezeichnet und die wichtigsten Motive des Fotografen in einer losen chronologischen Abfolge präsentiert. Auf den Spuren seiner ersten Reise von 1963 durchquerte der mittlerweile vierundachtzigjährige Fotograf 2020 noch einmal das Land. Erstmals werden diese Farbaufnahmen in der Ausstellung zu den längst historischen Motiven in Beziehung gesetzt. Zeitgleich zur Retrospektive erscheint im Steidl Verlag der Bildband „The Way it was. Road Trip USA“, eine ebenso spannende wie kritische Zeitreise durch das Land und durch die Zeit.