Viele Fotografen sind auf der Suche nach einem Honorar-/Lizenzierungsmodell, das den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht wird. Die beiden Fotografen Jan-Frederik Wäller und Klemens Ortmeyer haben jetzt das `Hamburger Lizenzmodell´ für Architekturfotografie vorgestellt, das sich auch auf andere Bereiche anpassen lässt.
Jan-Frederik Wäller: „Eines der in letzter Zeit meist diskutierten Themen in der Fotobranche ist der Wert des Bildes. In unserer über 20-jährigen Praxis als Architekturfotografen sind wir täglich mit dem Thema konfrontiert und verfolgen die Beiträge zum Thema interessiert. Ebenso wie heute die technischen Wege zum Architekturfoto im Gegensatz zur analogen Zeit vielfältig sind, so gibt es heute unterschiedlichste Ansätze, den Wert des Bildes zu ermitteln. Doch welches ist der richtige Weg? Gibt es diesen überhaupt? Wäre es daher nicht für alle Seiten nützlich, wenn es ein einfaches und faires Honorarmodell gäbe, das sowohl die Auftragsfotografie, als auch die Lizenzierung von Archivmaterial sowie den Komplex der Nachlizenzierungen abdecken würde?!“
Seit mehreren Jahren hat er gemeinsam mit Klemens Ortmeyer an einem solchen Honorarmodell gearbeitet, dem sie den Arbeitstitel Hamburger_/Lizenzmodel (H_/LM) gegeben haben. „Wir haben versucht, gute Ansätze anderer Modelle zu integrieren und mit neuen eigenen Konzepten zu ergänzen“, so Klemens Ortmeyer. „Wir glauben, unser H_/LM ist nach Jahren der Entwicklung und der Tests am Markt inzwischen
„druckreif“. Zwar haben wir es auf unsere Bedürfnisse als Architekturfotografen hin entwickelt, sind aber der Meinung, dass es mit kleineren Anpassungen auch auf andere fotografische Aufgabenstellungen (Stilllife, Transportation, Event, etc.) anwendbar ist. Wir hoffen, damit einen sinnvollen Beitrag zum Diskurs zu leisten.“
Lizenz- und Werkvertrag
„Lizenziert man ein Lichtbildwerk oder Lichtbild aus dem Archiv für eine Publikation, so bedeutet dies die Einräumung von Nutzungsrechten an die Kunden. Man schließt also einen reinen Lizenzvertrag ab. Ebenso verhält es sich bei freien Fotoproduktionen, die man mit dem festen Plan, sie später an bestimmte potentielle Nutzer zu lizenzieren, in Angriff nimmt. Auch in diesen Fällen wird ein reiner Lizenzvertrag mit den Kunden abgeschlossen“, so Jan-Frederik Wäller.
„Lediglich bei der häufigsten Art, den Wert des Bildes zu fixieren – nämlich der Auftragsfotografie – kommt es bisher zu einem Werkvertrag. Auftraggeber und Fotografen legen fest, was für Fotografien in welcher Anzahl wann gefertigt werden. Dieser vertragliche Teil der Auftragsfotografie unterscheidet sich bisher nicht von einer x-beliebigen Handwerkerleistung. Aber welcher Fotograf und welcher Nutzer setzt Fotografie mit einem Fallrohr gleich, das ein Klempner verlegt oder repariert? Schließlich erarbeiten Fotografen oder Foto-Designer kreative Bildideen und -konzepte. Dies stellt eine eigene schöpferische geistige Leistung dar.“
Deutlich sinnvoller erscheint den beiden Fotografen der VTV, das Honorarmodell der AGD (https://www.vtv- online.de). Hier werden Arbeitshonorar (Werkvertrag) und Lizenzhonorar (Lizenzvertrag) detailliert getrennt berechnet. „Hat man lediglich einen Nutzer, der mit dem Auftraggeber identisch ist, scheint uns der VTV gut zu funktionieren – z.B. im Bereich der Logo- Entwicklung. Im Bereich der Fotografie – und speziell bei der Architekturfotografie – hat man nicht selten jedoch multiple Nutzer mit unterschiedlichsten Nutzungsarten, die nicht immer mit dem ursprünglichen Auftraggeber übereinstimmen. In der Folge berechnet der Fotograf dem Auftraggeber Arbeit plus Lizenz, den anderen Nutzern jedoch nur die jeweilige Lizenz. Das Rosinenpicken wird also beim VTV preislich belohnt. An die ursprünglichen Auftraggeber ergeht das Signal, deutlich mehr gezahlt zu haben als andere. Sie werden darüber zu Recht unglücklich sein. In der Folge wird es beim nächsten Auftrag harte Preisverhandlungen geben“, so der Fotograf.
Nachdem demnach der Werkvertragsanteil für schwer kommunizierbare Ungleichgewichte verantwortlich ist, stellte sich beiden die Frage nach einer für alle Beteiligten fairen Lösung.
Klemens Ortmeyer: „Damit ein Auftraggeber bzw. ein Bildnutzer ein Lichtbild oder Lichtbildwerk publizieren darf, bedarf es der Einräumung von Nutzungsrechten durch die Urheber. Auch bei der Auftragsfotografie ist die Nutzung also der eigentliche Sinn und Zweck. Die Einräumung von Nutzungsrechten stellt die primäre Leistung dar. Wie der Name schon erkennen lässt, verstehen wir das Hamburger_/Lizenzmodell (H_/LM) als System zur Preisfindung bei der Einräumung von Nutzungsrechten. Auch zukünftig noch zu erstellende
Lichtbildwerke oder Lichtbilder können damit kalkuliert werden, da das reine Erstellen der Lichtbildwerke oder Lichtbilder nicht extra berechnet werden muss. Der werkvertragliche Anteil des Auftrags bleibt honorarfrei. Somit können Erstellung, Nutzung von Archivmaterial oder Nachlizenzierung nach demselben Modell klassifiziert und eine faire Vergütung pro Lichtbildwerk oder Lichtbild berechnet werden.“
Grundlizenz
Im Laufe ihrer langjährigen Berufserfahrung haben die beiden Fotografen festgestellt, dass es Nutzungsarten gibt, die nahezu alle Kunden irgendwann im Laufe des Lebenszyklus eines Lichtbildwerkes ausprobieren möchten, wie zum Beispiel die öffentliche Zugänglichmachung auf den eigenen Internetseiten. Diese Nutzungsarten kann man in einer Grundlizenz zusammenfassen.
Jan-Frederik Wäller: „Diese Lizenzform hat sich in den letzten 20 Jahren durchaus bewährt und entspricht weitgehend den tatsächlichen Nutzungswünschen der Lizenznehmer. Durch die Auflockerung des Werbeverbotes für Architekten haben sich im Laufe der letzten Jahre neue Nutzungsarten entwickeln können, die über die Grundlizenz hinausgehen.“
Die von beiden vorgeschlagene Grundlizenz aus dem Bereich Architekturfotografie sieht die Übertragung einfacher Nutzungsrechte an die Lizenznehmer vor. Sie beinhaltet eine zeitlich und räumlich uneingeschränkte Nutzung der Lichtbildwerke und Lichtbilder zum Zwecke der Selbstdarstellung in ihren eigenen, selbst erstellten und herausgegebenen Medien, in Ausstellungen, Bewerbungen, eigenen Bildpräsentation, Broschüren/Prospekten und selbst herausgegebenen Büchern. Dabei ist zu beachten, dass eine Unterlizenzierung oder Weitergabe von Nutzungsrechten an Dritte nicht möglich ist. Die Urhebernennung der Fotograf:in erfolgt immer am Bild. Metadaten (IPTC- und EXIF Daten) in den übermittelten Bilddaten müssen unverändert erhalten werden.
Das H_/LM sieht ausdrücklich keine festen Beträge für Lizenzen vor. Jeder Fotograf kann die Bemessung zum Beispiel der Grundlizenz frei gestalten. Vorgeschlagen werden lediglich Lizenzparameter.
Klemens Ortmeyer: „Überlegungen zur Bemessung der Grundlizenz erscheinen uns jedoch sinnvoll. Hilfreich können hier Honorarrechner im Internet sein. Allerdings wird dort der ermittelte gewünschte Jahresumsatz oder -gewinn in einen Tagessatz umgerechnet, was wir gerade nicht empfehlen. Statt dessen plädieren wir für die Umrechnung in das beschriebene Grundlizenzhonorar, welches pro Bild berechnet wird.“
Bonifikation
„In der beruflichen Alltagspraxis wird es jedoch nur wenige Situationen geben, bei denen man für ein einzelnes Foto zum Grundlizenzhonorar gebucht wird. Für die Architekturfotografie nehmen wir an, dass ein Kunde am Ende pro Objekt ca. 10 bis 20 Lichtbildwerke oder Lichtbilder lizenziert. Wir sind der Ansicht, dass sowohl der Kunde als auch der Fotograf von der Nutzung mehrerer Lichtbildwerke oder Lichtbilder profitieren können sollten. Je mehr Bilder der Kunde lizenziert, desto geringer sollte der Preis pro Bild sein, wobei der Preis für die Lizenz für mehrere Lichtbilder steigt. So profitieren beide Seiten fair. Hierbei gehen wir von einer Bonifikation bezogen auf ein Objekt aus. Für jedes Objekt sollte die Bonifikation gesondert berechnet werden, auch wenn mehrere Objekte zu einem Auftrag gehören sollten.“
Die Bonifikation wird durch den Bonifikationsfaktor, welcher entscheidend in den Bonifikationsalgorithmus einfließt, festgelegt. Der Bonifikationsfaktor wird frei festgelegt. Er liegt zwischen 0 und 1. Je kleiner der Wert, desto größer die Bonifikation. „Je mehr Bilder ein Kunde lizenziert, desto stärker sie sich also wirtschaftlich engagiert, desto mehr trägt sie zum Entstehen einer guten Bildserie bei. Mit Recht wird dies durch eine Bonifikation belohnt“, so Jan-Frederik Wäller.
Nutzergemeinschaft
„Seriöse Architekturfotografie zu betreiben ist aufwändig, nichts, was man „mal eben aus der Hüfte schießt“. Genehmigungen müssen eingeholt werden, das Wetter sollte treffend vorhergesagt werden, man muss zu den Objekten anreisen, etc. Nicht alle an einem Bauwerk beteiligten Firmen möchten allein die Aufgabe „stemmen“, weder organisatorisch noch finanziell. Viele Firmen entscheiden sich für die Zweitnutzung, zumal es hier die Möglichkeit gibt, nur die vermeintlich besten Lichtbildwerke oder Lichtbilder zu lizenzieren und so zu sparen. Über die Bonifikation hinaus sind wir davon überzeugt, noch einen weiteren Anreiz für die Beauftragung von Fotografien schaffen zu müssen, um die Auftraggeber gegenüber den Zweitnutzeren nicht zu benachteiligen: die solidarische Nutzergemeinschaft“, so der Fotograf
Ausgehend davon, dass ein Beitrag zum Zustandekommen einer Bildserie vom Markt belohnt werden sollte, geben die beiden bei jedem zusätzlichen Auftraggeber/Nutzer einen Nachlass von 50% auf die Grundlizenz, wenn diese bei der Erstellung der Fotos der Nutzergemeinschaft beitreten. Die ermittelte Gesamtsumme wird solidarisch unter den Auftraggebern aufgeteilt. „Im Ergebnis kostet es für jeden Auftraggeber weniger und der Fotograf erhält insgesamt mehr. So werden aus unserer Sicht faire Anreize geschaffen“, so Ortmeyer.
Bei insgesamt drei Auftraggeber:innen für dasselbe Objekt und ein lizenziertes Foto sieht das Beispiel demnach folgendermaßen aus: Der erste Auftraggeber zahlt 450 Euro (beispielhaftes Grundhonorar), der zweite und dritte jeweils 225 Euro, so dass sich in Summe 900 Euro ergeben, von denen jeder der Auftraggeber 300 Euro zu zahlen hat. Jeder Auftraggeber spart also 30% im Vergleich zu einem Alleingang, und der Fotograf freut sich bereits vor dem Shooting über sichere Mehreinnahmen.
„Darüber hinaus bedeutet die solidarische Nutzergemeinschaft einen Gewinn an Rechtssicherheit für alle Beteiligten“, so Wäller. „So könnten unter Umständen – je nach Rechts- und Vertragslage – z.B. der Architekt oder der Bauherr ihre jeweiligen Rechte geltend machen und so eine Publikation der Bilder blockieren, falls die Aufnahmen nicht unter die Panoramafreiheit fallen. Sind jedoch beide Teile der solidarischen Nutzergemeinschaft, so stimmen sie vertraglich der Veröffentlichung durch die jeweils andere zu. Schließlich erhält ja jede den Vorteil nur dadurch, dass die jeweils andere sich ebenfalls am Auftrag beteiligt.“
Zur Berechnung der Grundlizenz haben beide Fotografen eine Tabelle entwickelt, die für die Bonifikation einen Algorithmus enthält, in den der sogenannte Bonifikationsfaktor entscheidend einfließt. Die Tabelle gibt die Preise für die jeweiligen Grundlizenzen bei bis zu fünf Auftraggeber/Nutzer und bis zu 20 Lizenzen pro Objekt und Kunde an.
„Über den Umfang der Grundlizenz hinausgehende, individuelle Nutzungsbedürfnisse der Kunden bezeichnen wir als erweiterte Nutzungsrechte“, so Wäller. „Wir glauben, dass mehr Stücke vom Kuchen – also mehr Nutzungsrechte – auch mehr kosten müssen. Wie sollte man einem kleinen Kunden gegenüber rechtfertigen, der nur wenige Rechte benötigt, dass sie für dasselbe Bilder das gleiche Lizenzhonorar zu entrichten haben, wie eine Intensivnutzer?“
Sphärenmodell
Klemens Ortmeyer: „Nachdem wir anfangs von einem Hinzukommen einzelner Module ausgingen, haben wir im Laufe der Beschäftigung mit der Thematik der erweiterten Nutzungsrechte eine kugelartige – sphärische – Vorstellung der Erweiterungen entwickelt. Man könnte es sich wie eine Zwiebel vorstellen, weil aber Nutzungsrechte auch zeitlich und räumlich (und inhaltlich) beschränkt werden können, haben wir uns für eine dazu passende Zeit-Raum-Vorstellung entschieden. Die einzelnen Sphären umkreisen einen inneren Kern – die Grundlizenz – in eigenen Bahnen, und bilden die am Bildmarkt üblichen und bekannten Nutzungsarten und entsprechende Aufschläge ab.
Lizenznehmer haben außerdem die Möglichkeit, die Lizenz (Grundlizenz plus Sphären) nach ihren Bedürfnissen zu erweitern. Die Lizenzerweiterungen sind nicht auf das Grundlizenzhonorar, sondern auf die Lizenz (Grundlizenz plus Sphären) bezogen: So wird für die Bildnutzung ohne Urhebernennung der übliche Aufschlag auf das Lizenzhonorar von +100 % fällig.,
Das Honorarmodell sieht aber auch die Möglichkeit vor, die Gesamtlizenz im Nachhinein noch zu erweitern, wobei dabei keine Bonifikation und Vorteile gewährt werden.
Fazit
Jan-Frederik Wäller zu der Frage, warum man auf das H_/LM umstellen sollte: „In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass es im Markt große Verunsicherungen gibt. Dies betrifft zum einen die Preise, zum anderen die Rechtssicherheit für alle Vertragspartner. Beide Vertragsparteien sollten sich fragen, ob Lichtbildwerke fair und angemessen honoriert werden, schließlich kann laut Urheberrechtsgesetz ein angemessenes Honorar jederzeit nachträglich eingefordert werden (siehe § 32 UrhG). Umfangreichste Nutzungsrechte für einen Dumpingpreis zu erwerben bedeutet also per se Rechtsunsicherheit. Beide Seiten profitieren von klaren und fairen Absprachen, die zukünftige Auseinandersetzungen vermeiden helfen. Zwar gab es auch bisher Kalkulationshilfen zur Ermittlung eines angemessenen Honorars, jedoch unseres Wissens nach keine, die Auftrag, Lizenzierung von Archivmaterial und Nachlizenzierungen gleichermaßen abdeckt. Zudem ist das H_/LM einfach, transparent und logisch aufgebaut und daher leicht kommunizier- und anwendbar.“
Klemens Ortmeyer ergänzt: „Das H_/LM gibt im Gegensatz zu anderen Ansätzen keine absoluten Preise vor. Vielmehr ist es als hilfreiche Systematik zu verstehen. Wenn wir ein Grundlizenzhonorar von z.B. 450 Euro vorschlagen, so haben wir dies zwar auf Basis vernünftiger Erwägungen nach vorgegebenen betriebswirtschaftlichen Vorgaben ermittelt, ein Dekret ist es jedoch nicht. Ein erfolgreicher Top-Fotograf wird sicher mehr verlangen wollen, schließlich möchte er vielleicht keinen gebrauchten Mittelklassewagen mehr fahren, hat eine Familie gegründet, die nicht in die Zweizimmerwohnung hineinpasst, etc.. Ein totaler Beginner – vielleicht parallel zum (Foto-) Studium aktiv – hat geringere Kosten und möchte das – zunächst – an die Kunden weitergeben. All dies ist mit dem H_/LM möglich und von uns auch so beabsichtigt. Auf diese Weise kommt es bei Nutzung des H_/LM auch nicht zu Preisabsprachen zwischen den Anwendern, denn jeder wird das H_/LM individuell zuschneiden. Die Stellschrauben sind hier die Höhe der Grundlizenz und der Bonifikationsfaktor. Denkbar – jedoch aus unserer Sicht nicht sinnvoll – wäre ebenso eine individuelle Anpassung der Aufschläge bei den einzelnen Sphären und Lizenzerweiterungen.“
Dabei ist das Lizenhzmodell einfach anzuwenden: „Man muss lediglich die Grundlizenztabelle, die Grundlizenz-, Lizenz- und Gesamtlizenzerweiterungen anwenden – also ablesen -, um zu fairen und marktgerechten Ergebnissen zu gelangen. Ein tiefgreifendes Verständnis der Grundlagen erscheint uns dafür nicht erforderlich. Haben sich also Lizenzgeber und Nutzer prinzipiell auf das H_/LM geeinigt, erscheint uns die Preisfindung auch für den ungeübten Anwender sogar einfacher als die Anwendung der MFM, denn das H_/LM ist kompakter und universeller.“
https://www.hamburger-lizenzmodell.de