Der renommierte amerikanische Fotograf Ralph Gibson ist mit dem Leica Hall of Fame Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. Eine umfangreiche Ausstellung ist bis Ende Februar 2022 in der Leica Galerie Wetzlar zu sehen.
Seine Bildsprache ist so individuell wie zeitlos, sein Stil dabei unverwechselbar: Ralph Gibson hat in mehr als sechs Jahrzehnten ein vielschichtiges Werk geschaffen, das auch unmittelbar mit Leica verbunden ist. Bereits als Berufsanfänger erwarb er seine erste Leica, eine M2, der bis heute zahlreiche weitere Modelle folgten. Schon die seinerzeit noch auf Raten erworbene Kamera sollte entscheidend dabei helfen, seine fotografische Vision umzusetzen. Die Grundlagen einer soliden Ausbildung zum Fotografen hatte er bei der US Navy und am San Francisco Art Institute erworben, bevor er von 1961 bis 1962 bei Dorothea Lange und später von 1967 bis 1968 bei Robert Frank assistierte.
Gibsons Stil war schon früh stark von grafischen Kompositionen mit ausgeprägten Schwarzweiß-Kontrasten bestimmt, die bereits damals weniger angewandt als künstlerisch wirkten. Spätestens nachdem er 1966 einige Monate probeweise für die renommierte Agentur Magnum Photos in New York gearbeitet hatte, entschied er sich gegen eine Laufbahn als kommerziell angewandt arbeitender Bildjournalist oder Werbefotograf. Vielmehr war er auf der Suche nach selbstbestimmten Inhalten und einer eigenen autonomen Bildsprache. Sein Werk markiert daher beispielhaft den Wandel der amerikanischen Fotografie der 1970er-Jahre, die sich nun deutlich individualistischer und weniger bildjournalistisch oder dokumentarisch orientierte und in der Folge auch stärker und selbstverständlicher als künstlerisches Medium wahrgenommen wurde.
„Während meiner gesamten Laufbahn habe ich festgestellt, dass gelegentliche Auszeichnungen eine enorme kreative Energie in mir freisetzen. Es spornt mich an mich mehr anzustrengen, weiterzugehen und größere Anstrengungen zu unternehmen. Und das passt gerade zu meinem Gemütszustand in dieser Phase meines Lebens. Deshalb zolle ich meinen früheren Kollegen, die den Preis gewonnen haben, meine Hochachtung. Ich freue mich, dass ich jetzt zu ihnen gehöre“, so Ralph Gibson, Gewinner des Leica Hall of Fame Awards 2021.
Lange blieb Gibson ein Verfechter analoger Fototechnik, aber der Gebrauch einer Leica Monochrom veränderte 2013 seine Haltung. Schon nach den ersten Aufnahmen erkannte er das Potenzial digitaler Techniken und so gelang ihm mühelos der Wechsel von der Dunkelkammer zur digitalen Bildsprache. Seine Vision blieb dabei stets gleich. Viele Motive sind heute längst Bildikonen der Fotografie. Seine klaren, grafisch perfekt gestalteten Aufnahmen, mit denen er oft sehr nah an die Motive herangeht, sind stets sofort wiedererkennbar.
Sie wirken abstrakt, ohne jedoch den Bezug zur Realität ganz aufzugeben. Neben präzisen Objektstudien, surreal anmutenden Kompositionen, aber auch spontan wirkenden Straßenszenen gehören nicht zuletzt auch exquisite Aktaufnahmen zum wiederkehrenden Repertoire Gibsons. „Ob geheimnisvoll-emotional oder klar erkennbar, ob analog oder digital, ob schwarzweiß oder seltener auch in Farbe: Ohne Zweifel hat Ralph Gibson ein vielschichtiges und berührendes Lebenswerk geschaffen, für das wir ihn mit Freude in die Runde unserer Leica Hall of Fame Gewinner aufnehmen“, so Karin Rehn-Kaufmann, Artdirector und Generalbevollmächtigte Leica Galerien International.
Ralph Gibson, geboren am 16. Januar 1939 in Los Angeles, hat auch mit dem 1969 von ihm gegründeten Verlag Lustrum Press Fotografiegeschichte geschrieben. Hier erschienen über 40 Monografien sowie zahlreiche bedeutende Werke anderer Fotografen und Kompendien. Gibson ist in den wichtigsten Sammlungen und Museumskollektionen vertreten, wurde international ausgestellt und vielfach ausgezeichnet, darunter 1988 mit der Leica Medal of Excellence und 2018 mit dem französischen Verdienstorden L’ordre national de la Légion d’honneur. Er lebt in New York.