Die Fotografie zählt zu den 11 Teilmärkten der Kreativwirtschaft und die Vorstellung davon, wie traumhaft das Leben eines Berufsfotografen ist, ist sehr verbreitet. Die Berufsfotografen selbst wissen am besten, welche Prozesse in ihrer Jobpraxis kreativ sind und wie hoch der handwerklich/technische oder administrative Anteil in ihrem Beruf ist. Vor lauter Tagesgeschäft kommen manche von ihnen nicht dazu, neue Ideen zu entwickeln und sich inspirieren zu lassen, denn die Leistungskurve schnellt täglich wieder hoch. Aufträge wollen erledigt werden, Bilder nachbearbeitet und ausgeliefert und der Bürokram wartet auch nicht. Woher soll da Zeit und Raum für Ideen und Kreativität kommen? Abgesehen davon, dass dieser Arbeitsalltag stressig sein kann, eintönig ist er allemal und wird diesem kreativen Beruf oft nicht gerecht.
In den vergangenen Monaten waren viele Berufsfotografinnen und Fotografen aufgrund der Pandemie von Auftragsstornierungen oder Verschiebungen betroffen. Manche von ihnen haben daraus das Beste gemacht, indem sie sich um Weiterbildung, freie Projekte oder ihr Backoffice gekümmert haben. So manches meiner Coaching-Gespräche mit Fotografen begann mit der Bemerkung „endlich Zeit für Fortbildung und meine beruflichen Ziele“. Demnach fehlt Fotografen in ihrem Joballtag oft die Zeit, sich um neue Ideen zu kümmern.
Wann braucht ein Berufsfotograf gute Ideen und wo ist Kreativität gefordert? Wenn ich mit Nachwuchsfotografen oder Quereinsteigern spreche, stellen diese sich das so vor: Der Art Direktor der Werbeagentur bucht einen Fotografen, um eine Idee für seine neue Werbekampagne „geliefert“ zu bekommen und diese Idee wird dann von dem Fotografen produziert.
Eine schöne Vorstellung, die Realität ist allerdings anders. Der Art Direktor und die Agentur haben bereits lange an der Idee herumlaboriert und sehr genaue Vorstellungen davon, wie die Kampagne aussehen soll, wenn ein Fotograf für die Produktion gebucht wird. Leider ist das Motiv, um das es geht, oft bis ins kleinste Detail festgelegt und die Umsetzung lässt dem Fotografen kaum kreativen Interpretationsspielraum. Was von ihm allerdings erwartet wird ist, dass er sicher weiß, wie das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann und den Kunden dabei berät, wie die technische Umsetzung oder das Lichtkonzept sein sollte. Die Rolle des Fotografen in diesem Kontext ist die eines handwerklich technischen Profis, der die richtigen Ideen und das Know-how für das gewünschte Ergebnis hat und abliefert.
Viele Fotografen sind mit dieser Jobbeschreibung zufrieden und definieren sich lieber über die Buchungsquote als über den Kreativitätslevel. Auch ok. Diejenigen, die für ihren Beruf mehr wollen, sollten sich Gelegenheiten schaffen. Denn Kreativität spielt nicht nur im Portfolio und für freie Projekte eine wichtige Rolle. Der Joballtag ist geprägt von Routinen und für kleine oder große Probleme fehlen oft frische Ideen und kreative Lösungen. Sowohl im Marketing als auch in der Akquise und in der Kundenkommunikation spielt Kreativität eine Schlüsselrolle. Sogar eine Honorarverhandlung kann mit Kreativität besser gelöst werden. Kreativität kann eine Art Haltung im Job sein, denn kreatives Denken ist verknüpft mit Neugier und der Fähigkeit spielerisch zu handeln. Diese Fähigkeit kommt uns manchmal abhanden, im Dschungel von Pflichtbewusstsein und falschen Prioritäten.
Wie kann man Kreativität einladen? Tipps und Literatur dazu gibt es viel. Erst einmal muss das Umfeld bereitet werden, damit Muße entstehen kann. Denn Erschöpfung, Produktivitäts- und Zeitdruck sind hinderlich für Kreativität und neue Ideen. Es hilft, Zeiten einzurichten, die unverplant und ohne Ablenkung sind, die gar Langeweile ermöglichen. Im Alltag fehlt vielen von uns Muße für freie Gedanken und Imagination, weil wir jede Minute verplanen. Wir denken, dass Betriebsamkeit für die Produktivität wichtig ist.
Probieren Sie es aus, halten Sie sich eine Stunde frei und machen Sie einen ziellosen Spaziergang, beobachten Sie und werten Sie nicht, seien Sie neugierig. Oder umgeben Sie sich mit Schönem, blättern Sie ein Magazin, besuchen Sie eine Ausstellung oder spazieren Sie durch eine Landschaft. Um in den „Flow“ zu kommen, müssen Sie ihre Welt nicht neu erfinden, nur mit offenen Augen erkunden. Um mit Steve Jobs zu sprechen „Think different“! Es geht darum, die Dinge einmal anders zu sehen und zu machen.
Und wie laden Sie Ideen zu sich ein?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.