NFT, „non-fungible token“, sind im Kunstmarkt in aller Munde. Welche Chancen ergeben sich dadurch im Fotokunstmarkt? Wir haben Experten nach ihrer Einschätzung gefragt.
1. Sind NFT nur ein Hype von Krypto-Enthusiasten oder werden sie sich langfristig auch auf dem Kunstmarkt und in der Kunstgeschichte etablieren?
2. Welche Auswirkungen haben NFT bislang für den Fotokunstmarkt?
3. Sind NFT für alle Künstler/Fotografen gleichermaßen interessant oder nur für die, die digitale/virtuelle oder die sehr hochpreisige Kunst machen?
4. Ist es ratsam für einen Künstler, der eigentlich klassische Prints seiner Fotos verkauft, auch NFT dieser Arbeiten anzubieten?
5. Kann ich auch bei NFT mit Auflagen arbeiten oder kann es jedes Kunstwerk dann tatsächlich nur ein einziges Mal geben?
Julian Sander, Inhaber der Galerie Julian Sander, galeriejuliansander.de
1.
In die jetzigen Form sind NFT ein Hype-Produkt, das aus dem fehlenden technischen Verständnis der meisten Menschen her kommt. Das Token ist ja lediglich eine eindeutige Speicherstelle innerhalb einer Blockchain. Es dient fast ausschließlich als Zertifikat des Besitzes und als technisches Mittel, um einen digitalen Kaufvertrag (Smart Contract) abzuwickeln. Das eigentliche Kunstwerk kann unter Umständen in den Block gespeichert werden, muss es aber nicht. Wenn die breite Bevölkerung verstanden hat, was das eigentlich ist, wird diese Thema neu angepackt werden müßen. Also NFT = Blockchain Certificate of Authenticity.
2.
Keine. Was sicherlich kommen wird ist die Erkenntnis, dass ein Fotoabzug im Vergleich zu einem JPEG durchaus als „unikat“ bezeichnet werden kann. Auch in der industriellen Produktion sind physische Abzüge leicht unterschiedlich. Bei JPEGs ist das nicht unbedingt der Fall, da die Erlebnis-Variationen mehr vom Computer und Monitor/Display abhängt als von der Datei.
3.
NFT sind nur in Ausnahmen teuer. Wir hören im Moment sehr viel darüber, weil es der letzte Schrei ist. Wenn der Markt dann mit Werken gesättigt und der Nervenkitzel verflogen ist, wird es nur noch eine weitere Form des Sammeln sein. Manche werden Werke mit einem digitalen Zertifikat (NFT) kaufen, andere nicht. Der ganze Crypto Currency Markt hat im letzte Jahr einen riesigen Sprung gemacht. Ich vermute allerdings, dass die Goldgräberstimmung jetzt schon vorbei ist. Selbst Beeple hat seine Millionen an Cryptowährung in US-Dollar umgetauscht.
4.
Wenn alle Künstler jetzt anfangen, NFT zu machen, wird der Markt so voll werden, dass die Preise drastisch nach unten gehen. Die meisten Arbeiten werden dann im Überangebot verschwinden. Dann wird der NFT-Markt genauso wie der jetzige Kunstmarkt.
5.
Da NFT Zertifikate sind, können diese auch als einzelne Zertifikate für Editionen dienen. Jede Nummer in einer Edition ist ja eindeutig. Man muss bei dieser Technik allerdings bedenken, dass es der Versuch ist, einen belastbaren, vertrauenswürdigen und nachvollziehbaren Weg aufzuzeigen, um den Wert eines Kunstwerkes festzuhalten. Früher war das der Job für Gutachter. Jetzt wollen wir uns auf Programme verlassen, weil diese als nicht bestechlich gelten. Aber das wirft die Frage auf, wie „bestechlich“ ein System tatsächlich ist. Was passiert, wenn ein Smart Contract eine Klausel beinhaltet die gegen die geltenden Gesetze verstößt? Das Smart Contract kann nicht verändert werden, das Gesetz darf aber nicht gebrochen werden. Somit wird das Kunstwerk unter Umständen nicht mehr veräußerbar. Wenn Smart Contract jedoch verändert werden kann, dann verliert er seinen besonderen Wert der Unbestechlichkeit. Letztendlich handelt es sich nicht um Kunstwerke, sondern um Besitztums-Zertifikate für Kunstwerke. Bei einem digitalen Werk brauche ich aber keine Rechte, um mir das Werk anzuschauen, wenn ich die Datei habe. Ich kaufe also viel mehr bloß das Recht zu sagen, dass ich das darf. Es ist deshalb nicht viel mehr als des Kaisers neue Kleider.
Christian Nagel, Galerie Nagel-Draxler, nagel-draxler.de
1.
Die Tatsache, dass sich digitale Kunstwerke oder andere Gegenstände wie Turnschuhe oder auch Wein in der Blockchain als Einzelwerk festschreiben lassen können, ist von großer Tragweite und wird den sich noch sehr zu vergrößernden Handel positiv beeinflussen
2.
Meines Wissens nach haben sich NFT auf den klassischen Fotokunstmarkt und der künstlerischen Fotografie noch nicht stark ausgewirkt. Aber selbstverständlich wird an allen Ecken und Enden gearbeitet.
3.
NFT sind vor allem für digital/virtuell arbeitende Künstler/Fotografen von Bedeutung. Mit hochpreisiger Kunst haben sie nicht unbedingt etwas zu tun. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, siehe wahnwitzige Auktionsergebnisse.
4.
Eigentlich muss ein Künstler seine Arbeiten erst einmal ausstellen und dann sinnvoll in den Markt einbinden und das hat nicht unbedingt mit NFT zu tun. Die Gunst der Stunde birgt aber viele gute Gelegenheiten Dinge schneller auf den Markt zu bringen. Deswegen liebäugeln viele Künstlerinnen und Künstler mit NFT.
5.
NFT gibt es als Unikat und auch in Auflagen.
Priska Pasquer, Galerie Priska Pasquer, priskapasquer.art
1.
Ich selbst hatte zunächst auch eine große Distanz zu dem Thema, aber NFT werden ja nicht erst seit dem Rekordverkauf von Beeple viel diskutiert und sie werden mit Sicherheit auch nicht einfach wieder so verschwinden. Tatsächlich geht bei ihnen letztlich in erster Linie um Echtheitszertifikate von digitalen Dateien. Ich sehe darin eine sehr gute Gelegenheit, um Kunst, Fotografie, Video und alles andere, was digital vorliegt, einen konkreteren Stellenwert in der Wertschöpfungskette zu geben. Auf Instagram teilen wir unendlich viele Fotos, aber wer bezahlt dort eigentlich? In diesem Zusammenhang habe ich gehört, dass NFT die Zukunft von Instagram werden könnte. Man würde also in Zukunft nicht mehr seinen Instagram-Account zeigen, sondern seinen NFT-Account, um der Öffentlichkeit oder einer zugelassenen Gruppe seine Kunstsammlung zu präsentieren. Das kann dann – ähnlich wie es heute auch schon für physische Kunstsammlungen der Fall ist – als Diskursgrundlage dienen. Auf Clubhouse gibt es ein Gespräch nach dem anderen zu dem Thema und gerade in Pandemie-Zeiten sind NFT interessant für Künstler, um sich neue Vermittlungswege für ihre Kunst zu erschließen. Spannend ist das Thema aber auch deshalb, weil sich durch NFT und Kunst plötzlich sehr unterschiedliche Welten treffen und miteinander verbinden: Die klassische Kunstwelt mit der Kryptowelt. Das sind komplett unterschiedliche Menschen, die auch komplett unterschiedlich miteinander reden.
3.
Ich vertrete viele Künstler, die schon immer auch mit Video und digital gearbeitet haben – wenn auch nicht unbedingt in erster Linie. Ein Beispiel ist Radenko Milak. Er arbeitet klassisch-analog mit Aquarellen – da würde erst einmal niemand auf die Idee kommen, daraus ein NFT zu machen. 2017 hat er aber auf der Biennale in Venedig schon einen über 13-minütigen Animationsfilm gezeigt. Und bereits 2014 hatte er aus einer Aquarell-Sequenz ein GIF produziert, das ein wartendes Auto vor einer Bahnschranke zeigt. Dieses GIF habe ich 2015 in einer Ausstellung in meiner Galerie auf einem iPad gezeigt. Es wurde nun als erstes Werk von Radenko Milak NFT-zertifiziert und wir haben es über die Plattform „Foundation“ erfolgreich versteigert. Und auch Pieter Hugo, der ein sehr klassischer Fotograf ist, hat immer auch schon kleine Videoarbeiten gemacht, beispielsweise aus seiner Serie „Permanent Error“. Die Abzüge daraus sind nahezu vergriffen. Die Videoarbeiten aus der Serie könnte man als NFTs anbieten und damit eine andere, neue Sammlerschaft erreichen.
Wolf Lieser, Gründer von DAM Projects, dam.org
1.
Grundlegend ist NFT keine Kunstform und steht auch nicht für die Erfindung der Digitalen Kunst, wie es teilweise propagiert wird. Es handelt sich um eine Technologie, die es ermöglicht, eine digitale Datei zuverlässig als Unikat mit einem Besitzer zu identifizieren, so lange die Blockchain
in dieser Form existiert und zugänglich ist. Ein NFT ersetzt das analoge Zertifikat auf Papier, ist jedoch einfach weltweit handelbar, da es sich lediglich um eine Datei handelt. NFTs werden sicherlich weiter bestehen, weil sie den Künstlern ermöglichen, direkt ihre Kunst zu vermarkten.
Der jetzige Hype, der primär nicht auf der eigentlichen Kunst basiert, denn die ist in 99 Prozent der Fälle äußerst banal und oberflächlich, basiert mehr auf einem Investitionshype, der jedoch die Substanz vermissen lässt. Hier, und das ist ja auch in der Berichterstattung zu beobachten, geht es primär ums Geld und nicht um die Kunst. Also wird die Blase platzen. Gut für diejenigen, die früh genug ihre Gelder gesichert haben. Interessant ist auch, dass hier zum größten Teil Gelder investiert werden, die über Finanzgeschäfte, sprich Kryptowährung, generiert wurden. Es geht auch darum, vermeintliche Werte zu sichern.
2.
Für den Fotokunstmarkt kann ich es nicht einschätzen, da ich mich im digitalen Kunstumfeld bewege. Es lässt feststellen, dass einige Kunstmarktakteure auf diesen Zug aufgesprungen sind, da hier offenbar Geld zu verdienen ist. Interessanterweise sind es auch Galerien, die sonst nicht mit digitaler Kunst involviert sind. Unabhängig davon haben haben sich viele NFT-Plattformen, auch bedingt durch die Pandemie, gebildet, die den Künstlern eine Direktvermarktung ermöglichen. Das wird wohl auch nach einem Gesundschrumpfen bestehen bleiben. Direktvermarktungsplattformen für digitale Formate gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren, die hatten aber für den etablierten Kunstmarkt keine Bedeutung.
3.
Wie bereits oben beschrieben bezieht sich ein NFT nicht primär auf digitale Kunst, selbst Tweets oder Abbildungen von Gemälden wurden damit bereits vermarktet. Es bleibt also jedem Künstler selbst überlassen, ob er diesen Weg beschreiten mag und ob es für seine Kunstform sinnvoll erscheint.
4.
Der Künstler definiert die Rechte, der er/sie dem Kunden überträgt. Dies kann auch das Recht beinhalten, eine Datei auszudrucken. Das NFT dokumentiert den Besitzer. Das Gleiche gilt auch für limitierte Auflagen. Jede Edition ist dann ein NFT.
5.
Siehe meine Antwort zu Frage 4.
Arno Lampmann, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, lhr-law.de
1.
Natürlich wird es immer Kunstsammler geben, die einem haptisch erfahrbaren Original gegenüber einer digitalen Version eines Kunstwerks den Vorzug geben. NFT eröffnen (Foto-)künstlern die Möglichkeit, auch im digitalen Bereich Originale seriös herzustellen und zu vermarkten. Der Handel von digitalen Kunstwerken war vor Blockchain und Tokenisierung grundsätzlich immer schon möglich. Theoretisch gibt es auch seit jeher „digitale Originale“. Neu ist allerdings die Möglichkeit, die Originalität eines Werks auf der Blockchain zu verifizieren und zu perpetuieren. Die Tokeniserung eines Kunstwerks bietet daher insbesondere in rechtlicher Hinsicht Vorteile, nämlich dann, wenn – was nicht selten vorkommt – Parteien im Rahmen eines Gerichtsverfahrens über den Gegenstand und Umfang des urheberrechtlichen Schutzes eines bestimmten Kunstwerks streiten.
2.
Fotografien in sind im Gegensatz zu anderen Kunstwerken, wie zum Beispiel Skulpturen, in der Regel auf zwei Dimensionen beschränkt. Sie eignen sich daher ganz besonders zur digitalen Vermarktung. Die Möglichkeit, ein (Foto-)kunstwerk in digitaler Form nicht nur schnell und effizient vertreiben, sondern durch die Nutzung der Blockchain-Technologie zusätzlich als Original authentifizieren zu können, eröffnen Fotografen daher zurzeit einen sehr interessanten Markt.
3.
NFT sind für Künstler bzw. Fotografen aus jedem Preissegment interessant. Gerade für Künstler, die mit kleineren Arbeiten in einem niedrigeren Preissegment tätig sind, eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Sie können zB ohne großen Aufwand Serien oder Collagen ihrer Werke herstellen und authentifizieren. Genau das ist in Gestalt des Werks „Everydays: the First 5000 Days” geschehen. Dabei handelt es sich um eine Collage aus 5000 digitalen Bildern, die als NFT erst kürzlich im Auktionshaus „Christie´s“ den Preis von 69,3 Millionen Dollar erzielt hat.
4.
Jeder Künstler verfolgt sein eigenes, individuelles Ziel. Nicht immer spielen kommerzielle Interessen eine Rolle. Allerdings können NFT für Künstler, die bereits Drucke oder Prints ihrer Werke vermarkten, einen sinnvollen weiteren Vertriebsweg darstellen. Da es sich dabei um eine völlig neue Art der Verkörperung von Kunst handelt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Wert bereits physisch in Verkehr gebrachter Kunstwerke, sogar dann, wenn es sich dabei um Originale handelt, durch die Vermarktung der virtuellen Version in Gestalt eines NFT wenig oder gar nicht beeinträchtigt wird.
5.
Künstler sind in der Ausgestaltung eines NFT grundsätzlich völlig frei. Die NFT an sich unterliegen als Dateieinheit nicht dem Urheberrecht, sie repräsentieren nur den dahinter liegenden Vermögenswert und stellen die Eigentumsverhältnisse fest. Den meisten bis jetzt gehandelten NFT liegen jedoch künstlerische, urheberrechtlich schutzfähige Werke zugrunde. Das Urheberrecht entsteht mit der Schaffung des Werkes und liegt bei dem jeweiligen Künstler. Die Urheberschaft ist nach deutschem Recht nicht übertragbar und geht auch nicht auf den Käufer des NFT über.
Was der NFT-Käufer erlangen kann, sind Lizenzen, also Nutzungsrechte an dem Werk, insbesondere das Recht, das Werk zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich auszustellen. Die Lizenzvereinbarungen bezüglich der Werke bei dem Kauf von NFT sind nicht einheitlich geregelt. Momentan liegen bei NFT jedenfalls keine erkennbaren ausschließlichen Lizenzen vor. Die genauen Regelungen sind von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Es gibt NFT zu NBA-Dunks. Diese werden zB mit einer „NBA Top Shop-Lizenz“ versehen, die dem NFT-Inhaber die Nutzung zur persönlichen, nicht-kommerziellen Zwecken sowie die Einbettung auf Webseiten und Apps einräumt. Dem Inhaber eines Cryptokitties-NFT ist z.B. die kommerzielle Nutzung der Cartoons erlaubt, solange die Bruttoeinnahmen den Umsatz von 100.000 US-Dollar pro Jahr nicht übersteigen.
Laurence Gartel, Digital Media Pioneer, gartelmuseum.weebly.com
1.
In der Kunstgeschichte geht es darum, Ästhetik-Genres zu brechen. Kryptowährung ist ein Marketing-Vehikel, kein kreativer Prozess. Digitale Kunst ist nicht neu und hat sich schon vor längerer Zeit als Interaktion zwischen „Künstler und Maschine“ und „Künstler und Software“ entwickelt. NFT sind so vielleicht eine neue Kaufoption.
2.
Einen sehr geringen. Aber es ließ mein Telefon ununterbrochen klingeln. Denn wenn „Nobodys“ plötzlich Millionen-Dollar-Preise erreichen können, dann muss der „Father of Digital Art“ (also ich) ja selbst Billionen wert sein. Die Kunstwelt basiert auf der Aristokratie und das schon seit Jahrhunderten. Die Fäden werden von den Finanzmärkten gezogen.
3.
Kunst ist immer besser, wenn sie greifbar ist. Wenn jemand etwas auf der Blockchain kaufen möchte und er damit zufrieden ist, dann ist das sein gutes Recht. Zwei Beispiele: Robert Rauschenbergs „The 1/4 Mile or 2 Furlong Piece“ oder Boticellis „Geburt der Venus“ sind emotionale Erlebnis und sie können den menschlichen Geist nur im persönlichen Erleben wirklich erreichen.
4.
Künstler können machen, woraus sie auch immer Lust haben. Es gibt keine Reglen, keine Gesetze und keine Regularien. Die Blockchain wird dabei einfach nur ein neues Liefersystem darstellen.
5.
Ein NFT kann alles sein, was man für sinnvoll hält. Es handelt sich einfach um digitale Vervielfältigungen. Denken Sie einfach daran, dass Menschen Millionen von Jpegs per E-Mail verschicken und Zillionen von Bildern auf Facebook und Instagram hochgeladen haben, ganz zu schweigen von Websites usw. Die Ästhetik eines signierten Drucks hinter Glas, mit einem prächtigen Rahmen, bleibt jedoch unübertroffen. Ich persönlich mag es einfach, wenn ich meine Kunst vor meinem Auge habe – und das, obwohl ich seit 50 Jahren digitale Kunst schaffe.
1.
Ich fürchte, ja. NFTs etablieren sich explosionsartig durch den Kunstmarkt, nicht durch die Kunst, denn die würde eine kritische Distanz einfordern. Der Rekordverkauf eines NFT für 69 Millionen ist ein Höhepunkt für die Wirtschaft, aber ein Tiefpunkt für die Kunst. Es handelt sich bei diesem Handlungsprodukt um ein „Bild“, das mit Kunst nicht viel am Hut hat, da es von schlechter (künstlerischer) Qualität ist, kaum Merkmale aufweist, die Kunst definieren. Man kann also sagen, dass hier Scheiße als Gold verkauft wurde. Geil für das System Wirtschaft, schlecht für das System Kunst, das hier seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt. Die Kunst schleimt sich ja auch gerne mal ein, gerade wird offensichtlich die Welle vom Klima geritten, man macht auf öko, aber sobald das Geld winkt, werden umweltzerstörerische Prinzipien, was NFT ohne Zweifel sind, in Kauf genommen. Kryptowährung und NFT unterstützen ist im Grunde nichts anderes als auf die Malediven fliegen oder Schweinegehacktes für 99 Cent das Kilo kaufen. Da ist also ein weiteres „Frankensteins Monster“ in die Welt gesetzt, ein neues Virus und ab sofort gilt: „We have to deal with it…“.
2.
Ich kann das nicht wirklich beurteilen, m. E. sind sie aber noch gering.
3.
Ich fürchte, es ist vor allem für diejenigen interessant, die die Regeln des Systems kennen, diese Klaviatur spielen und vor allem die medialen Kanäle der Kommunikation beherrschen. Das sind aber nicht unbedingt Künstler. Erfolg misst sich hier, jedenfalls bis jetzt, nur am Geld, nicht an der Qualität. Wie immer gilt, „It takes money to make money”, denn natürlich wollen alle, die mitmischen, ein Stück vom Kuchen abhaben. Die extrem hohen Kosten für Mining, Gas fees, Promotion, etc. kann sich nicht jeder Künstler und nicht jeder Galerist leisten, auch kann nicht jeder das unternehmerische Risiko stemmen, besonders, da die Ausgaben, an die hohe Volatilität der Kryptowährung gebunden, unberechenbar sind.
4.
Ich denke, da würde nichts dagegen sprechen, wichtiger ist aber die grundsätzliche Entscheidung, ob und wenn, aus welchen Gründen ich eine hochkomplexe teure, verschwenderische, uneinschätzbare Technologie bemühe, um letztendlich kapitalistische, neoliberale Prinzipien zu erweitern. Angebot und Nachfrage bestimmen den Markt, strategische Verknappung findet in Form von Seltenheit oder Unikat statt. Agiert man hier nicht auch als pseudo-individuelles Konsumopfer, das die Welt nur für sich beansprucht? Das man einen Vintage Print besitzen will, verstehe ich gut, aber ist es wichtig, den Datensatz einer Fotografie sein Eigen nennen zu können? Kann ein Echtheitszertifikat so sexy sein? Ganz zu schweigen von der Frage: Ist das für eine Fotografie wichtig? Ändert NFT irgendwas am eigentlichen Bild? Verlieren wir hier den Blick für das Wesentliche der Fotografie?
5.
Ich glaube nicht, dass sich das auf Dauer ausschließen wird, aber das wird die Entwicklung zeigen. NFT erscheint ja erst am Horizont. Wohin die Reise geht und wie sich das ganze, sehr komplexe System entwickeln wird, ist absolut offen. Genauso welcher Verhaltenscodex sich zwischen Künstlern, Galerien, Händlern, Kritikern, Rezensoren, Medien, aber auch unerwünschten Trittbrettfahrern , als ein Regelwerk etablieren wird. Alle Revolutionen waren technische Revolution, sagte Vilém Flusser. Ob NFT eine solche sind, wird die nahe Zukunft zeigen.
Johann König, Galerist, koeniggalerie.com
1.
NFT gehen so wenig wieder weg wie das Internet. Und in die Kunstgeschichte sind NFT bereits durch den Auktionsrekord von Beeple bei Christie’s eingegangen. 69 Millionen US Dollar wurden für eine digitale Datei bezahlt, Beeple ist damit der drittteuerste lebende Künstler. Die drei Buchstaben NFT stehen für eine Revolution in der Kunst, die es seit den Impressionisten und Duchamp nicht mehr gegeben hat. Digitale Kunst kann jetzt gesammelt werden wie Malerei und Skulptur, da es einen digitalen Echtheitsnachweis gibt. Es gibt natürlich weiterhin viele, sehr viele Kopien, die durch das Internet wandern, aber genau dadurch entsteht der Wert. „In der Vergangenheit entstand der Wert durch Verknappung. Künstler, die ihre Videos nicht ins Internet hochladen, haben möglicherweise das Gefühl, Bedeutung entsteht, wenn sie in heiligen Räumen wie einer Galerie gesehen werden. Das Gegenteil ist der Fall. Je mehr etwas sich für Memes eignet, desto mehr verbreitet es sich, desto mehr kulturelles Kapital erhält es. Und desto mehr wird es Teil der Gesellschaft“, sagte der Künstler Jon Rafman bei der DLD Konferenz 2019 im Gespräch mit dem Starkurator Hans Ulrich Obrist.
Hito Steyerl derweil regt sich im Interview mit Monopol darüber auf, dass digitale Dateien schon als Kopien geboren werden, da würde auch keine Kryptomagie helfen. War da nicht etwas mit Echtheit und Einmaligkeit, um die sich schon Walter Benjamin 1935 mit Blick auf die technische Reproduzierbarkeit eines Kunstwerks Sorgen gemacht hat? Die Aura verkümmere, so der Philosoph. Und da ist sie plötzlich wieder: die Aura. Und zwar dank des Smart Contracts, das heißt, dem Programmcode, der in der Blockchain gespeichert ist und dazu genutzt wird, ein NFT zu erzeugen, dem ein Besitzer zugewiesen wird.
2.
Bisher hält sich die Fotoszene noch zurück, aber das kennen wir ja schon von Instagram. Etablierte Fotografen haben auch etwas länger gebraucht, um sich mit dem sozialen Netzwerk anzufreunden und herauszufinden, wie sie es für sich und ihre Kunst nutzen können.
3.
NFT sind zuerst einmal für Künstler interessant, die digital arbeiten. Bisher haben diese Künstler, wie selbst Beeple, für Brands und Musiker gearbeitet, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das ändert sich jetzt endlich, da ihre Kunst wie Malerei gesammelt wird. Für Fotograf und Künstler besteht also kein Handlungszwang, da es hier bereits einen funktionierenden Markt gibt.
4.
Selbstverständlich kann das attraktiv sein. Warum sollte man Fotografie, die mit einer Digitalkamera oder vielleicht sogar einem Smartphone gemacht wird, nicht auch digital verkaufen?
5.
Das kommt darauf an. Beides ist möglich. Einige der Auktionsrekorde, die immer wieder in den Medien genannt werden, kamen durch den Verkauf offener Editionen zustande. Auf Nifty Gateway etwa werden offene Editionen für einen sehr kurzen Zeitraum von etwa fünf oder sieben Minuten angeboten. Da werden dann oft tausende Arbeiten verkauft, was natürlich nicht dazu beiträgt, dass die Preise auf dem Zweitmarkt steigen. Das ist bisher also nicht wirklich nachhaltig. Die Lösung wird auch hier sein, mit limitierten Editionen zu arbeiten, auch wenn dann natürlich nicht Kunst für Millionen verkauft wird. Dafür sind langfristig alle Beteiligten zufrieden: Die Künstler, die am Weiterverkauf ihrer Werke mitverdienen. Und die Sammler, weil der Preis der Werke im besten Fall steigt und sie die Werke weiterverkaufen können, wenn sie das denn möchten.