Den Himmel in einem Foto austauschen, die Mimik und das Alter von Personen radikal verändern – all das können die Algorithmen von Adobe, Skylum und Co. mittlerweile mit nur wenigen Mausklicks. Viele Profi-Fotografen befürchten allerdings, bei der Nutzung von KI-Tools die Kontrolle über das individuelle Bildergebnis abzugeben. Sind solche KI-gesteuerte Tools auch für euch interessant und setzt ihr sie bereits ein – oder eben bewusst nicht?
1. Egal ob analog oder digital: Bislang musste ein Fotograf bei der Retusche noch selbst Hand anlegen, jetzt erledigt eine KI den gesamten Prozess. Verliert die Fotografie dadurch weiter an Glaubwürdigkeit?
2. Welche Auswirkungen haben KI-gesteuert automatisierte Bildmanipulationen auf Fragen der Urheberschaft? Macht die Software das Bild, oder der Fotograf?
3. Welche KI-Tools setzten Sie für Ihre Arbeit ein?
Katja Kemnitz, Herausgeberin von Kwerfeldein, kwerfeldein.de
1.
Ja, man könnte es so sagen, aber es klingt so negativ. Ich sehe in dem Gedankengang durchaus positive Seiten. In der Frage steht es ja bereits: Manipuliert wird auch ohne KI. Fotografien werden schon seit Erfindung des Mediums bearbeitet, die KI macht den Prozess nur etwas einfacher und schneller. Jetzt bekommen auch Nicht-Profis die Möglichkeiten dazu und sehen was alles möglich ist. Ich begrüße sehr, dass man Bildern nicht mehr einfach so traut.
Ich vergleiche die Situation gern mit Texten. Die Menschen haben früher viel eher den Dingen geglaubt, die sie in Blogs und Magazinen gelesen haben. In der aktuellen Zeit werden die Menschen sensibler für Manipulationen oder schlichten Falschmeldungen und hinterfragen das Gelesene. Die Gesellschaft sollte das auch mit Fotografien tun. Ich fände es zum Beispiel auch wichtig, wenn Medienkritik in den Lernplan von Schulen aufgenommen werden würde.
2.
Das müssen wahrscheinlich eher Juristen klären. Für mich persönlich ist KI ein Werkzeug, das ich als Kreative nutze. Was ich damit mache, ist mein Werk und sollte meiner Urheberschaft unterliegen. Ich habe das Gefühl, die Frage impliziert, dass ich durch die Nutzung von KI weniger für mein Foto machen müsse und weniger am Erschaffungsprozess beteiligt sei. Das sehe ich nicht so. KI eröffnet nur weitere Möglichkeiten, effektiver meine Ideen umzusetzen. Der Vergleich hinkt etwas, aber man würde ja einer Malerin auch nicht ihr Werk absprechen, wenn sie die Möglichkeit erhält bessere Farben oder Pinsel zu nutzen.
3.
KI hält, je nachdem wie man sie definiert, in vielen Bereichen meiner Arbeit Einzug. KI-basierte Techniken verstecken sich ja bereits in der Kamera selbst (Fokustracking). In der Bildbearbeitung muss ich auch keine Himmel austauschen um auf KI zu stoßen. Selbst einfache Werkzeuge, wie zum Beispiel das Freistellen-Werkzeug arbeiten mittlerweile dank und mit KI. Bei vielen Tools, mit denen ich arbeite, bin ich mir wahrscheinlich nicht einmal bewusst, dass ich gerade KI nutze.
Christian Ahrens, Fotograf, ahrens-steinbach-projekte.de
1.
War die Fotografie schon jemals glaubwürdig? Man musste bei Fotos schon immer genau hinsehen und sich darüber bewusst werden, dass das vermeintlich realistische Bild immer auch eine Interpretation ist. Ich finde auch nicht, dass Fotografie vorrangig „glaubwürdig“ sein soll. Für mich ist sie ein Ausdrucksmedium – und nicht eines, dessen Hauptaufgabe „dokumentarische Beweiskraft“ ist. Natürlich haben sich mit der Digitalisierung die Manipulationsmöglichkeiten vervielfacht – oder neutraler ausgedrückt: die Möglichkeiten, das aus der Kamera angelieferte Foto zu bearbeiten. Mit den neueren Software-Algorithmen, die man zurzeit gerne KI nennt, haben sich diese Möglichkeiten eigentlich nicht erweitert – es ist nur viel einfacher geworden. Viele aufwendige Bearbeitungen gehen jetzt auch ohne längere Trainingszeiten in Photoshop oder vergleichbaren Programmen. Im Übrigen ist es ja nicht so, dass die KI zwingend den gesamten Prozess erledigt, sondern der Fotograf oder Bildbearbeiter greift ja auch bei Software-Programmen wie Luminar AI immer ein, verändert die Parameter, schwächt sie ab oder kombiniert sie mit anderen Bearbeitungsschritten (auch aus anderer Software).
2.
Das Ausgangsmaterial ist ja immer noch eine Fotografie, die ich als Fotograf mit meiner Kamera aufgenommen habe. Hier liegt auch der wichtigste schöpferische Akt. Und wenn dieses Bild nun mithilfe KI-gestützter Software modifiziert wird, ändert sich meines Erachtens an der Urheberschaft gar nichts. Die Tools aus Luminar & Co. sind Werkzeuge, nichts weiter, und es obliegt mir als Fotografen, zu entscheiden, wie und in welchem Maße ich sie einsetze. Das Endprodukt wird von mir als Urheber autorisiert, verkauft, veröffentlicht, ausgestellt oder publiziert. Es ist nach wie vor in vollem Umfang auch mein Werk. Ich sehe da keinen Unterschied zur bisherigen Praxis.
3.
Mein Bildbearbeitungs-Workflow beginnt bei der Bearbeitung einer RAW-Aufnahme in Capture One, welches ein klassischer RAW-Konverter mit wenig Automatikfunktionen ist. In 90 oder mehr Prozent der Fälle reichen die mir dort gebotenen Bearbeitungsmöglichkeiten aus. In seltenen Fällen übergebe ich ein Foto an Luminar AI, um die dort verfügbaren Möglichkeiten zu nutzen. Dabei schätze ich vor allem die sehr effizienten Tools für die Retusche, setze sie aber nur sparsam ein. Gelegentlich greife ich auch auf die angebotenen „Looks“ zurück und variiere sie in meinem Sinne. Auch ein Lichteffekt habe ich schon mal ins Bild eingebaut oder die automatische Perspektivkorrektur zur Anwendung gebracht. Meiner Meinung nach sind das aber ganz gängige Methoden der Bildbearbeitung oder -aufwertung, die auch nicht im eigentlichen Sinne KI sind: Es sind einfach nur besonders schlaue Algorithmen, die als Besonderheit das jeweilige Bild aktiv analysieren. Das Ganze kombiniert mit einer sehr leicht erlernbaren Benutzeroberfläche. Für mich ist die Software ein Werkzeug, das viel mühsame Handarbeit erspart und zudem den großen Vorzug besitzt, dass ich meine Bearbeitung auf mehrere Varianten eines Fotos übertragen kann. Auch das spart zum Beispiel bei Auftragsproduktionen viel Zeit.
Thomas Fühser, Co-Founder SWAN Magazine, lightflash.de
1.
Wenn man diese Frage vernünftig beantworten will, muss man vermutlich trennen zwischen Fotografie, Fotografie und Fotografie. Das, was wir mit Handys machen, ist eine besondere Form der Fotografie. In diesem Bereich profitiert der Nutzer von den Algorithmen. Wir bekommen immer mehr wirklich gute Handyfotos, weil die Handyhersteller, wenn sie nur zehn Euro pro verkauftem Handy in die Weiterentwicklung der Kameramodule investieren, mehr Entwicklungsbudget für die nächste Handygeneration haben als ein Kamerahersteller alle drei Jahre, wenn dieser 100 Euro pro Kamera reinvestiert. Das liegt in den unterschiedlichen Stückzahlen begründet und führt dazu, dass die KI in der Fotografie nicht mehr wegzudenken ist.
Die zweite Art der Fotografie ist jede Form von Reportagefotografie, also z.B. Street-, Urlaubs- oder Hochzeitsfotografie. Hier hilft KI dabei, weniger Ausschuss zu haben und am Ende einen konsistenten Look zu verwirklichen. Fuji geht dort einen spannenden Weg, weil sie es zulassen, über eine externe Software auch eigene „Rezepte“ in der Kamera zu speichern und diese direkt auf die JPG’s anzuwenden.
Die dritte Art der Fotografie nenne ich die künstlerische Fotografie. Hier wird die KI immer nur Impulse liefern können. Der Künstler selbst will Einfluss nehmen und wird darauf auch nicht verzichten wollen.
Beim Thema KI geht es meiner Meinung nach nicht um Glaubwürdigkeit, sondern um etwas anderes: Die KI wird Fehlbelichtungen und Verwackler immer weiter reduzieren und automatisiert Korrekturen anwenden, die für 90 Prozent der User hilfreich sind und eine Zeitersparnis bedeuten. Mein Lieblingsbeispiel: Die Nachtfotografie. Früher war sie nur erfahrenen Fotografen möglich und selbst bei denen war der Ausschuss hoch, doch heute ist sie dank automatischer High-Iso-Einstellung und KI-gesteuerter Entrauschung für jedermann anwendbar.
Die KI wird aber massiv Einfluss haben auf die Kamerahersteller und auf den Beruf des Fotografen. Aktuell erleben wir, dass immer mehr Kamerahersteller daran arbeiten, eine schwarze Katze vor schwarzem Hintergrund bei tiefer Nacht per Augen-Autofokus korrekt darzustellen. Das brauchen die meisten Fotografen nicht – sie kaufen diese Funktionen aber mit, wenn sie eine neue Kamera erwerben. Dieses Beispiel zeigt, warum schon heute Laien mit professionellen Kameras und lichtstarken Objektiven Hochzeitsfotografie anbieten können, die davon eigentlich keine Ahnung haben – die Technik ersetzt das früher erforderliche Wissen und sogar teilweise die Erfahrung. Wenn man nur zwei Schritte weiterdenkt, wird diese Technik der Augenerkennung immer weiter reifen und sukzessive auch in andere Bereiche unseres Lebens vordringen. Vermutlich schon 2025 werden innovative Autohersteller diese Kameramodule x-fach in ihren PKW verbauen – um laufend zu prüfen, ob der verantwortliche Fahrer schläft und um Rehe am Fahrbahnrand zu erkennen, bevor die menschliche Netzhaut überhaupt in der Lage ist, Helligkeitsunterschiede wahrzunehmen. Wildunfälle wird es 2030 nur noch mit Oldtimern geben. Insofern hat die KI sehr positive Effekte. Aber: Die Herstellervielfalt am Kameramarkt wird sinken. Mittelfristig bedarf es (wenn man die durchaus positive Wettbewerbssituation einmal kurz ausblendet) eigentlich nur noch zwei Kameramarken: Eine, die mit KI durchflutet ist und über Sprachsteuerung Rezepte anwendet wie es heute schon moderne Küchenmaschinen tun. Und eine, die entweder gar keine oder nur eigene (vom Nutzer individuell erstellte) Rezepte beinhaltet. Die anderen Marken (die nur das Gleiche in anderer Verpackung anbieten) werden schneller verschwinden als je zuvor. Oder sie werden z.B. mit der Autoindustrie ihr Know How ganz anderen Branchen zur Verfügung stellen.
2.
Bei dieser Frage wird deutlich, warum ich zuvor zwischen Fotografie, Fotografie und Fotografie unterschieden habe. In der Handy-Fotografie wird das Urheberrecht schon heute mit Füßen getreten. Das zeigt uns nur auf, wie unbedeutend es ist, wer das Bild mit einem Handy aufgenommen hat – denn das hätte jeder andere, der die gleiche KI in seinem Endgerät hat, genauso machen können, wenn er zur gleichen Zeit am gleichen Ort gewesen wäre. In der zweiten Art der Fotografie ist das Urheberrecht heute noch wichtig, weil die KI noch nicht so ausgereift ist. Das wird sich aber ändern. Nur in der dritten Gruppe spielt das Urheberrecht wirklich eine entscheidende Rolle. Dort ist es aber auch egal, welche Rolle die KI im Entstehungsprozess des Bildes hatte. Vermutlich jedoch werden Fotografen aber nur noch in der dritten Kategorie Geld verdienen können.
3.
Jeder, der ein halbwegs aktuelles Smartphone nutzt, setzt schon heute selbst KI ein. Vielen Menschen ist das nur nicht bewusst. Denn schon heute werden die Fotos vom Skiurlaub nur deswegen so brillant und der Schnee so leuchtend weiß, weil das Smartphone mit Hilfe der Geo-Lokalisationsdaten längst erkannt hat, dass das Bild, das unten etwas Weisses zeigt und oben etwas Blaues, eben kein Strand sein kann. Während wir das Kameramodul nur starten, weiß das Smartphone auf dem Gletscher schon, welche Uhrzeit wir gerade haben und kann aus anderen Apps sogar das Wetter ablesen. Das im Handy schon seit mehr als 10 Jahren vorhandene Bildoptimierungsrezept für „Strand und Meer“ wird heute – soweit ist die KI schon – durch die dem Handy bekannten Ortsinformationen ausgeschaltet, bevor der Sensor überhaupt erkennt „oben blau, unten weiss“.
In der zweiten und dritten Art der Fotografie nutze ich schon lange KI – aber dosiert. Bei Hochzeitsreportagen helfen mir eigene Lightroom-Presets. Jede automatisierte Objektivkorrektur ist am Ende KI und ist bei mir standardmäßig aktiviert. Wenn ich aber echte Fotokunst erschaffen will, dann schalte ich alle Automatiken (und damit auch alle KI) aus, fotografiere rein manuell, setze den Fokuspunkt manuell und frage mich oft, warum ich dazu eigentlich so einen Hightech-Boliden in der Hand halte.
Heinrich Mehring, Fotograf und Bildredakteur, mehringfotografie.de
1.
Nein. Das Fotografie glaubwürdig wäre, ist von Anbeginn des Mediums an ein hartnäckiges Missverständnis. Sie war nie der „pencil of nature“. Das Publikum zur Zeit von Daguerre und Fox Talbot war einfach überwältigt durch die präzise Darstellung und daher zu einer kritischen Würdigung zunächst unfähig. Schon sehr früh wurde allerdings versucht, die Realitätsnähe zu verstärken, z.B. durch Kolorierung von Daguerreotypien. Die zunächst „unschuldige“ Retusche, die dazu diente, technische Mängel wie Staub und Fusel zu beseitigen, wurde in den Händen fähiger Spezialisten zu einem Werkzeug der Faltenglättung und Körperoptimierung. Jeder Landschaftsfotograf hatte seine Wolkennegative, mit denen er Stimmungen verstärken konnte. Sehr bald entdeckte man auch die Möglichkeiten, mit fotografischen Mitteln völlig neue „Realitäten“ zu erschaffen (Die letzten Momente, Henry Peach Robinson, 1858). Diese Methode wurde nicht nur in der Kunst (Herbert Bayer) aufgegriffen, sondern vor allem in der Werbung und politischen Propaganda (Heartfield). Stalin ließ mit Hilfe der Retusche unliebsame Genossen aus Fotografien verschwinden. Jedes Foto ist zunächst eine Auswahl – und damit eine Manipulation des Fotografen. Und auch heute ist es der Fotograf, der manipuliert, egal, welche Werkzeuge er nutzt. Für den Betrachter waren inhaltliche Veränderungen nie sichtbar, wenn sie gut gemacht waren. Statt „Glaubwürdigkeit der Fotografie“ steht eher die Glaubwürdigkeit des Fotografen zur Debatte. Ich meine außerdem, dass das heutige Publikum aufgeklärter ist und auch durch eigene Erfahrung (Smartphone Filter, offensichtlicher Werbepfusch etc.) sich eher als früher darüber im Klaren ist, dass ein Foto einen Krümel Wahrheit enthalten kann, dass man ihm aber nie ganz glauben darf.
2.
Wie oben dargestellt, bleibt der Fotograf der Urheber im rechtlichen Sinne. Er löst ja erst die Manipulation aus, bestimmt ihre Art und den Grad der Änderung. Ich könnte mir allerdings Auftraggeber vorstellen, die die Fotografenhonorare um den Anteil der KI-generierten Bildinhalte zu kürzen versuchen und Rechtsanwälte, die begeistert so eine neue Verdienstquelle nutzen.
3.
Bei meinem Raw-Entwickler DxO bin ich nicht sicher, wieviel seiner Werkzeuge auf KI beruhen. Die darin vorhanden Möglichkeiten nutze ich intensiv, weil sie den Raw-Datensatz ohne merkbare Verfälschung optimieren. Ansonsten bislang nur die PS 21 implementierten Tools und die eher aus Neugier denn aus Notwendigkeit. Sollte die Praxis ergeben, dass diese Tools geeignet sind, meine Bildvorstellungen (meine Interpretation von Wirklichkeit) zu verdeutlichen, werde ich sie selbstverständlich nutzen.
Martín Volman, Fotograf und Soziologe, martinvolman.com
1.
Die Frage nach der Glaubwürdigkeit reicht zurück bis zur Erfindung der Fotografie im Jahr 1839. Inszenierungen und Retuschen gab es schon in den ersten bekannten Bildern und mein Standpunkt zur Glaubwürdigkeit ist: Sie hat in der Fotografie nie existiert. Wir sollten die Fotografie deshalb mit neuen Begriffen denken.
In den letzten 180 Jahren wurde das Medium mit Konzepten aus der Malerei gedacht (die Wahrnehmung, die Repräsentation, usw.) Wenn wir weiter über Fotografie reflektieren, wäre es gut, wenn wir neue Kategorien nutzen würden. Selbst, wenn die Realität eine zentrale Frage der Fotografie ist, bin ich der Meinung, dass die aufkommende KI nichts am Glaubwürdigkeitskonzept geändert hat, aber sie stellt neue Fragen. Was kann und was macht Fotografie? Darüber denke ich noch nach und habe auch ein Podcast dazu gemacht: Wir müssen die Fotografie anders und neu denken.
2.
Ob das KI-generiertes Bild dem Fotografen oder dem Softwarehersteller gehört, ist für mich keine Frage. Das Apparatprogramm macht das Bild. Früher hat das die Kamera gemacht und in der
analogen Zeit wurde auch nicht darüber diskutiert, ob die Rechte Agfa, Kodak oder Rolleiflex gehörten. Auch mit KI gehört dem Fotografen die Urheberschaft, da er alle wichtigen
Entscheidungen trifft – das Programm alleine kann nichts machen.
Der Fotograf entscheidet, wie er die Programme anwendet und wenn ich über Programmen spreche, meine ich nicht nur die KI oder das Bildbearbeitungsprogramm, sondern auch, wie Vilém Flusser geschrieben hat, was in den Kameraprogrammen steht.
3.
Bisher habe ich Spaß, wenn Instagram versucht, Objekte und Personen zu erkennen und tatsächlich forsche ich aktuell selbst zu dem Thema für eine eigene künstlerische Arbeit: Mit der Mavica, einer der ersten digitalen Kameras aus dem Jahr 1998) habe ich mehr als 4.000 Bilder gemacht. Ich erstelle eine Website mit den Bildern und plane, die Bilder nicht manuell zu “taggen”, sondern diese Verschlagwortung einer KI-Software zu überlassen. Da sind entsprechend noch viele Fragen offen, wie gut oder schlecht das funktioniert.
Ivonne Thein, Künstlerin, ivonnethein.art
1.
Fotografie war vielleicht noch nie glaubwürdig, sondern immer nur der Versuch einer Imitation der „realen Welt“. Sie wurde schon immer auch manipulativ genutzt, auch als man nur die Dunkelkammer zum Entwickeln der Bilder nutzte. Die digitale Fotografie hat diesen Prozess der Manipulation aus meiner Sicht nur vereinfacht und beschleunigt. Ich denke, wenn man über Glaubwürdigkeit in der Fotografie nachdenkt, muss man immer auch den jeweiligen Kontext eines Fotos sehen. Es gibt beispielsweise gute Gründe dafür, dass ein Pressefoto zum Beispiel nicht bearbeitet werden darf (außer Farb- und Helligkeitskorrekturen). Was sich sicher ändert, ist, wie Fotografen zukünftig mit den Möglichkeiten dieser Technologien umgehen und in welchem Maße sie den Eingriff der KI in die Bedeutung des Bildes erlauben. Das ist für mich vor allem auch eine ethische Frage, die jeder Fotograf wahrscheinlich nur für sich selbst beantworten kann.
2.
Aus meiner Sicht setzt Urheberschaft auch eine bewusste künstlerische Entscheidung voraus, und einen damit verbundenen kreativen Prozess dahinter. Eine KI-basierte Bildbearbeitung bietet dem Fotografen ähnlich wie klassische Bildbearbeitungsprogramme immer noch die Möglichkeit verschiedenste Parameter selbst zu bestimmen. Insofern würde ich die KI eher als schnellere und effizientere Alternative zum Retoucher sehen. Dieser kann mitunter durch seine Retusche die Bedeutung eines Bildes auch stark verändern, trotzdem bleibt der Fotograf der Urheber.
3.
Ich nutze noch keine KI-Tools für meine Arbeit.
Carsten Bockermann, Fotograf, cabophoto.com
1.
Objektiv betrachtet ist die Fotografie ja schon seit kurz nach ihrer Erfindung nicht mehr hundertprozentig glaubwürdig. Der Einsatz künstlicher Intelligenz ist nur ein weiterer Schritt zur Vereinfachung der Manipulation, die ihren bisher größten Sprung beim Übergang von der analogen zur digitalen Fotografie gemacht hat. In einer Zeit, in der jeder via App selbst auf seinem Smartphone Gesichter in Fotos (und sogar Videos) austauschen kann, dürfte den meisten Menschen klar sein, wie es um die Glaubwürdigkeit steht. Zuvor war dies nicht so offensichtlich, da Retuschen nur mit relativ hohem Aufwand zu bewerkstelligen waren, wie er zum Beispiel zur Durchsetzung politischer oder wirtschaftlicher Ziele betrieben wurde.
Der Einsatz der KI macht die Manipulation letztendlich nur ökonomischer und wird daher zu einer weiteren Verbreitung führen. Er stellt meines Erachtens also keine qualitative Veränderung dar. Allerdings nehme ich an, dass die Wahrnehmung der Fotografie als „ehrliches“ dokumentarisches Medium darunter leiden wird, dass praktisch jeder ausgefeilte Methoden zur Veränderung von Bildern zur Verfügung hat und daher leicht annimmt, das andere diese Methoden natürlich auch einsetzen. Es bleibt abzuwarten, ob es journalistischen Medien durch die Einhaltung eines Kodex zur Bildauthentizität gelingen wird, ihre Glaubwürdigkeit zu verteidigen.
2.
Ich denke, es lässt sich argumentieren, dass der Fotograf solange „das Bild macht“, wie er die KI z.B. durch Eingabe von Parametern steuert. Bei selbstlernenden Algorithmen wird es schwieriger. Der Fotograf ist bei ihrer Anwendung nicht mehr der Urheber. Der Software-Hersteller ist es auch nicht, da er ja nur einen lernenden Algorithmus entwickelt hat, dessen Ergebnisse auch für ihn nicht vorhersehbar sind. Hier tut sich eine Lücke im Urheberrecht auf, die Rechtsexperten sicher noch über Jahre Stoff für Kontroversen bieten wird.
3.
Keine. Meine Fotografie ist dokumentarischer Natur; dabei geht es mir um die realistische Darstellung von tatsächlich Erlebtem.
Heike Rost, Fotografin und Journalistin, heikerost.com
1.
Warum sollte sie? Vieles in der Fotografie ist an die Person des Fotografen gebunden, darunter auch sein wichtiges „Pfund“: Die persönliche Integrität, ergänzt von individueller Sichtweise. Es ist nicht nur eine interessante, sondern meiner Meinung nach existenzielle Thematik, mit der man sich als Bildurheber auseinandersetzen und eine eigene Position finden sollte. Davon abgesehen ist die Diskussion um Glaubwürdigkeit der Fotografie recht ähnlich wie die Diskussion um Henne und Ei.
2.
Gegenfrage: Macht KI zukünftig alle Bilder? Stichwort neuronale Netzwerke und deren fantastische Bildkreationen, aber auch Deep Fake – es wird sicherlich zu diskutieren sein, welche Anteile KI an Schöpfungen hat und welche der Mensch. Womit wir wiederum bei persönlicher Integrität und individueller Sichtweise landen. Und bei einer Menge ethischer Fragen hinsichtlich des Einsatzes von KI in der Fotografie – nicht zuletzt nutzen Smartphones mittlerweile KI zur technischen Verbesserung von Bildern.
3.
Bislang keine. Die verfügbaren KI-Tools in Photoshop lohnen allerdings die Beschäftigung damit, vor allem im Porträtbereich. Aber auch hier liegt es in der Verantwortung der Bildurheber, wie und in welchem Umfang sie mit diesen Tools umgehen und vor allem, in welchen Bereichen. Siehe beispielsweise die Diskussionen um übermäßige Retusche, die z.B. Kate Winslet anstieß oder die zu juristischen Auseinandersetzungen führten, weil sie in das Urheberrecht eines Fotografen eingriffen – was in Advertising schon lange Usus ist, künstlerischer Fotografe und Visual Arts bereichern und durchaus spannend für Stil und Umsetzung werden kann, verbietet sich in anderen Bereichen wie Dokumentarfotografie oder im Bildjournalismus: Bildmanipulation und damit eine gewollte Verfälschung von Realität. Siehe dazu die häufigen Diskussionen um Editing z.B. beim World Press Photo Award und deren sehr schwer zu definierende Grenzen: Wo fängt die „Handschrift“ eines Fotografen an, wo ist die Grenze zur Fälschung überschritten?
Foto oben: PIV