Frauen sind in vielen Bereichen der Fotografie noch immer unterrepräsentiert und fühlen sich häufig benachteiligt. Wir wollen wissen, was sich ändern muss.
1. Wo sehen Sie Fotografinnen konkret benachteiligt?
2. Welche Vor-, aber auch Nachteile bringen geschlossene Gruppierungen nur für Frauen wie beispielsweise der Female Photoclub oder Female Photographers Org mit sich?
3. Was sind die drängendsten Probleme von Fotografinnen und wie können Frauen und Männer diese gemeinsam lösen?
4. Müssen Frauen selbst lauter werden und sich mehr Gehör verschaffen?
Nora Tabel, Fotografin und Initiatorin des Female Photoclub, braetalon.net
1.
Fotografinnen sind vor allem bei den finanziell gut bezahlen Jobs benachteiligt, die für Sichtbarkeit sorgen. Sieht man sich die Geschlechterverteilung der Magazine und Werbejobs an, sieht man da mit einer hohen Prozentzahl Männer vertreten. Hier geht also eine strukturelle Schere auseinander, die man fast überall im Berufsleben kennt. Erstaunlich ist das, weil die Zahlen der Berufsabschlüsse ja eine ganz andere Geschlechterverteilung aufzeigen. Was passiert also mit den Fotografinnen im Laufe der Karriere?
2.
Reine Frauennetzwerke haben den Vorteil eines geschützten Raumes, in dem man mit Kolleginnen vorurteilsfrei über Stolperteine, Erfolge und Sexismus reden kann. Der Austausch von Know-How und gegenseitiges Empowerment spielen eine ebenso wichtige Rolle. Ich selber habe nach jahrelanger Einzelkämpferin-Selbstständigkeit den Female Photoclub auf Facebook initiiert und es war durch und durch ein Gewinn nicht mehr alleine unter Männern zu sein. Die Stimmung ist eine andere und tiefere und ehrlichere Gespräche sind möglich. Natürlich waren mir befreundete Fotografen auch immer wieder zur Hilfe, aber viele Probleme kennen sie einfach nicht. Zum Beispiel wenn der Kunde sieht, dass du eine Frau bist und dir die Technik erst einmal erklären will oder dir nicht glaubt, dass du anpacken und Licht aufbauen kannst. Mal ganz abgesehen von all den Sprüchen unterhalb der Gürtellinie.
3.
In meiner Utopie ist Kooperation lohnender als Konkurrenzkampf, egal welches Geschlecht man hat. Es wäre schön möglichst darauf zu achten, dass der Pool an Talenten divers ist. Also ganz bewusst zu schauen, wen man bucht, wen man empfiehlt, wen man fördern möchte und wo Ungerechtigkeiten entstehen. Im Grunde ist der erste Schritt, sich die Zahlen anzuschauen, zu verstehen, was es mit der jahrelangen Diskriminierung von Frauen (und diversen Minoritäten) auf sich hat und dann entsprechend eine Strategie zu fahren, die dem entgegenwirkt.
4.
Das ist die Krux an der Sache. Bei struktureller Diskriminierung, die größtenteils auf internalisierten Vorurteilen basiert, geht man immer davon aus, die Frauen selbst Schuld an ihrer Benachteiligung seien. Sind sie aber nicht, denn das Problem sitzt bei der Unachtsamkeit und Verständnislosigkeit des Gegenübers. Hier müssen einfach bewusste Entscheidungen getroffen werden, die dafür sorgen, dass eine Balance entsteht. Das würde helfen. Zudem leben wir in einer extravertierten Welt, die laute und bunte Persönlichkeiten bevorzugt. Das an sich ist schon mal zu überdenken, da es viele Potentiale und Stimmen ignoriert, die aber auch gehört werden sollten. Eigentlich ist es daher erst Recht die Aufgabe der Lauten, den Leisen bewusst Platz zu machen. Aber das ist kein Frauenproblem, sondern das der Introvertierten. Ich kenne genug wahnsinnig professionelle und talentierte Fotografinnen, einige von ihnen sind Mütter und haben Managment/Organisations-Skills, da wirken Vorstandsmitglieder in großen Firmen blass gegen. Trotzdem schaffen sie es oft nicht an ihren männlichen Kollegen vorbei und das sollte nicht sein. Vetternwirtschaft? Zu albackene Fotoredakteure? Vorurteilsbelandene Art Buyer? Geht mal in euch und ändert das!
Daniela Hinrichs, Sammlerin & Unternehmerin, danielahinrichs.com
1.
Einkommen und Altersvorsorge. Das gilt nicht nur für Menschen mit weiblicher Geschlechtsidentität – auch Künstler, Menschen mit Behinderung und Minderheiten sind in diesen Punkten schlecht gestellt: Das Jahreseinkommen im Durchschnitt ist eine Katastrophe und es hat fatale Folgen für das Alter.
2.
Ich bin eine große Verfechterin offener Systeme. Umso vielfältiger, umso besser. Die Komplexität der Welt bedeutet, dass alles miteinander verbunden ist. Wenn wir etwas besser stellen, dann führt das unweigerlich zu einer Verschlechterung an anderer Stelle. Wir lösen nicht das Problem, sondern verlagern es. Besser: Anheben des Niveaus an den verhandelbaren Punkten.
3.
Als Unternehmerin konzentriere ich mich auf diese Dinge: Netzwerken, kommunizieren, Lösungen finden und umsetzen. Künstler*innen und Unternehmer*innen sind sich nicht unähnlich: Sie gehen große Risiken ein, um etwas zu erreichen. Gut vernetzt lassen sich komplexe Themen besser lösen.
4.
Nachhaltige Sichtbarkeit hat etwas mit Frequenz und Relevanz zu tun. Wenn ich mich frage, wie mein Gegenüber mich am besten wahrnimmt und welche Inhalte wertvoll für beide Seiten sein können, dann schaffe ich Aufmerksamkeit.
Katja Kemnitz, Herausgeberin von kwerfeldein, kwerfeldein.de
1.
Obwohl mindestens genauso viele Frauen im Fotobusiness arbeiten, dominieren Männer auf Bühnen, in Jurys und in Ausstellungen. Auch große Jobs und Titelstories werden mehrheitlich an Männer vergeben. Das spiegelt sich auch in der finanziellen Situation wieder. Laut der Bundesagentur für Arbeit verdienen männliche Kollegen im Bereich der Fotografie im Schnitt 31 Prozent mehr. Wichtig ist mir dabei zu betonen, dass es sich in der Regel nicht um vorsätzliche Benachteiligungen handelt, sondern dass sie sich oft aus historisch gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen ergeben. Durch meine langjährige Arbeit in der Fotografie habe ich Frauen kennengelernt, die sich bewusst für ein neutrales Pseudonym als Firmennamen entschieden haben, weil es in ihrem fotografischen Genre Vorbehalte gegenüber Frauen gibt. Ebenso habe ich beobachtet, dass viele Frauen Schwangerschaften und Kinder in der Biografie verschweigen.
2.
Ich bin Suportmember des Female Photoclubs und sehe große Vorteile in dieser Gruppierung. Es ist ein geschützter Raum in dem sich Fotografinnen austauschen können. Es werden aktuelle Fragen besprochen und auch ganz offen über Preise oder Selbstdarstellung geredet. Man unterstützt sich gegenseitig auf Augenhöhe.
Ein solches Netzwerk kann dabei helfen gegen Benachteiligungen aufzustehen und den Einzelnen genügend Halt bei Problemen zu geben. So vorteilhaft es für die Gruppe nach innen ist, umso schwieriger ist es kritischen Stimmen gegenüber zu erklären, dass wir diesen Raum (zur Zeit noch) brauchen. Das Ziel einer solchen Gruppierung ist im Grunde sich selbst als Organisation irgendwann überflüssig zu machen.
Der Verein möchte Männer nicht ausschließen, und sich nicht über sie erheben. Vielmehr möchte er helfen die systemischen Benachteiligungen zu überwinden.
3.
Das Problem sehe ich darin, dass Verlage, Firmen usw. historisch gewachsen aktuell mit einem männlich dominierten Netzwerk dastehen. Zum großen Teil sind sie sich des Fehlens der Frauen bewusst, scheinen aber nicht zu wissen, wie sie an sie herankommen. Ein ganz einfacher Lösungsansatz: Wenn ihr einen Job nicht annehmen könnt, empfehlt neben dem Kollegen doch auch mindestens eine Kollegin. Mit solchen kleinen Gesten kann man viel bewirken. Ich selbst schreibe Firmen und Verlage ganz konkret an, wenn mir auffällt, dass sie in ihren Talkreihen 80 Prozent Männer einladen oder ein Buch herausbringen, in dem sie als Inspiration 75 Männer und eine Frau aufführen. Nicht um zu belehren, aber um auf das Problem aufmerksam zu machen. Meist biete ich meine Hilfe bei der Suche nach tollen Fotografinnen an.Ich stelle in den letzten Jahren durchaus eine positive Entwicklung fest. Die Me-too-Bewegung hat viel dazu beigetragen, dass Menschen und Firmen sensibler mit dem Thema umgehen.
4.
Ein ganz klares Nein! Frauen müssen nicht lauter werden, sondern wir müssen als Gesellschaft lernen auch auf „leise“ Stimmen zu hören. Oft wird gesagt, Frauen müssen sich besser verkaufen lernen. Aber gemeint ist damit eher, sie sollten aggressiver sein und weniger selbstkritisch. Ist das wirklich besser? Wir verlieren durch dieses Denken wichtige Stimmen, die einfach anders aber sicher nicht schlechter auftreten.
Christian Ahrens, Fotograf, ahrens-steinbach-projekte.de
1.
Aus meinem eigenen praktischen Erleben in der Industrie- und Wissenschaftsfotografie kann ich eigentlich nur eine Erfahrung beisteuern: Wenn wir als (m/w) Fotografenteam vor Ort sind, neigen unsere Auftraggeber (und auch die Auftraggeberinnen!) dazu, mich zunächst als den Fotografen anzusehen, der seine Assistentin mitgebracht hat. Das ist für meine Kollegin nicht besonders schön – andererseits lässt sich diese Erwartung auch binnen weniger Minuten wieder auflösen, wenn wir mit Worten und Taten klargemacht haben, dass wir als Fotografenteam agieren und dass wir beide gleichberechtigt für die anstehende Fotoproduktion verantwortlich sind. Danach läuft dann alles gut, und wir beschäftigen uns für den Rest des Tages nur noch mit den fotografischen Herausforderungen der jeweiligen Aufgabe.
2.
Ich denke, dass solche Organisationen sehr hilfreich sein können, weil sie Räume und Kommunikationsmöglichkeiten bieten, in denen Frauen unter sich sein und in denen manche Themen spezifischer und offener besprochen werden können – um dann hoffentlich gestärkt „raus“ zu gehen und selbstbewusst zu zeigen, was man als Fotografin drauf hat und für wen man sehr gute Lösungen anbieten kann.
3.
Ich glaube, dass der einzige Weg für Ungleichheiten in der Fotografie darin besteht, dass Fotografinnen sich selbst mehr zutrauen, selbstbewusster agieren und entschlossener auftreten. In meiner Wahrnehmung neigen Fotografinnen dazu, sich selbst zurückzunehmen und sich ein bisschen zu klein darzustellen. Umgekehrt neigen Männer dazu, sich selbst ein bisschen größer zu sehen als sie eigentlich sind. Als sehr angenehm würde ich es empfinden, wenn Fotografinnen wie Fotografen gleichermaßen entspannt agieren würden – das wäre für all großartig, nicht zuletzt auch für die Kunden und den Job.
4.
Ja. Wobei ich sogar sagen würde: Fotografinnen UND Fotografen müssen deutlicher und klarer werden, sichtbarer werden, sich besser und stringenter präsentieren, auf potenzielle Kunden aktiver zugehen und so weiter. Ich denke, dass unser Berufsstand dazu neigt, dies alles eben nicht zu tun und uns vor allem als sensible Kreative zu sehen und nicht so sehr als Unternehmer. Aber das sind wir nun einmal fast immer, und dafür ist eine selbstbewusste und „unüberhörbare“ Eigenpräsentation wichtig.
Nadine Dinter, PR-Beraterin, Journalistin und Kuratorin, www.dinter-pr.de
1.
Einige Erfahrungen, die ich im Gespräch mit Fotografinnen gemacht habe, waren, dass Ausschreibungen, Ausstellungsmöglichkeiten etc. oftmals unter den männlichen Kollegen, d.h. unter „Kumpels“ weiterempfohlen und direkt vermittelt werden. Auch habe ich oftmals den Eindruck, dass Fotografinnen alleine durch das “Frau-Sein” und die somit anfallende Zeitaufteilung zwischen Karriere und Familie/Familiengründung in manchen Fällen zu einer Verlangsamung oder Unterbrechung eines gradlinigen Werdegangs „gezwungen“ werden.
2.
Dafür kenne ich die Strukturen dieser beiden Organisationen nicht gut genug, aber im Prinzip sind Zusammenschlüsse immer dann positiv, wenn sie Strukturen verbessern, die Mitglieder gegenseitig unterstützen und Synergien wie ein gemeinsames Marketing oder Ausstellungen möglich machen. Nachteilig könnte sein, dass die einzelne Fotografin in dieser Organisation weniger individuelle Sichtbarkeit hat oder ihr Werk in Gruppenausstellungen “untergeht”. Allgemein gibt es aber wohl mehr Vor- als Nachteile.
3.
Probleme, die mir auf meiner Position aufgefallen sind, wären sicherlich die immer noch international herrschende Unterrepräsentanz von Fotografinnen im Galerien-Business und in den großen Museumsausstellungen. Populäre weibliche Vertreterinnen des Fotogenres wie Katharina Sieverding oder Candida Höfer sind und bleiben leider bis dato eine Ausnahme. Das muss sich endlich ändern!
4.
Ja, absolut! Auf der anderen Seite muss das natürlich jede Fotografin für sich selbst entscheiden, denn nicht jede möchte im Rampenlicht stehen. Viele Künstlerinnen sind primär daran interessiert, einen guten oder gar perfekten Job zu machen, den Auftraggeber zufrieden zu stellen und von der Fotografie zu leben. Hier wird das Künstlerego erst gar nicht angesprochen und ist so ziemlich irrelevant. Fotokünstlerinnen, die Erfolg auf dem heiß begehrten Kunstmarkt anstreben, brauchen hingegen ganz andere „Waffen“ und Strategien, um sich einen Platz im Ranking zu sichern, Sammler für ihr Werk zu begeistern und dem Trend und der Nachfrage entsprechend zu produzieren. Meines Erachtens nach sind jedoch in beiden Fällen drei Faktoren unabdingbar: 1) ein verlässliches Safety-Net, 2) eine unaufdringliche, aber konstante Sichtbarkeit durch persönliche Auftritte (Teilnahme an relevanten Events etc) sowie im Bereich Social Media und 3) ein Netzwerk, das diejenige unterstützt, mit Informationen versorgt und mit Rat & Tat zur Seite steht.
Natalya Reznik, Fotografin und Autorin, natalyareznik.com
1.
Ich habe eine kleine Tochter und werde immer gefragt, ob ich Hobby-Fotografin sei. Einmal wurde mir sogar gesagt, dass mein Hauptberuf „Mutter“ sei. Wie, bitte? Seit dem antworte ich immer, dass ich „professionelle Fotografin und Hobby-Mutter” sei. Ich habe vorher für zehn Jahre als Fotografin und über Fotografie schreibende Autorin in Russland gearbeitet, habe Fotografie an der Uni unterrichtet, aber solche Kommentare habe ich dort nie bekommen. Ich weiß nicht, ob dass typisch ist, aber hier in Erlangen sieht es so aus, dass Frauen in der Fotografie (und vielleicht nicht nur in der Fotografie) nicht ernst genommen werden. Seit ich Mutter geworden bin, spüre ich mehr und mehr Diskriminierung. Man romantisiert noch immer die Figur der Künstlerin und des Künstlers, als etwas “Jenseitiges” – ohne Probleme, Familie und Bedürfnisse.
2.
Ich nehme nicht so häufig an geschlossenen Gruppierungen teil. Manchmal, kooperiere ich – zum Beispiel, mit “Fast Forward: Women In Photo”. Es ist gut, wenn man sich gegenseitig unterstützt, aber manchmal birgt es gewisse Gefahren. An speziellen Wettbewerben für Fotografinnen nehme ich nicht so gerne teil. Meiner Meinung nach sollte die Einreichnungen vor der Jury anonym bleiben und einen Preis nicht dafür erhalten, dass man eine Frau oder ein Mann ist. Es sollte allein die professionelle Kompetenz und das Talent zählen. Spezielle Wettbewerbe für Frauen sehe ich als eine Art positiver Diskriminierung und dort fühle ich mich manchmal wie in einem Ghetto eingesperrt.
3.
Die Probleme von Fotografinnen sind die gleichen wie von arbeitenden Frauen in anderen Bereichen – wenn du zu jung bist, wirst du nicht ernst genommen. Wenn du Erfahrung hast, bist du plötzlich zu alt. Diese Alterquote bis 35 Jahre bei vielen Künstlerwettbewerben macht mich wirklich sauer. Ein bekanntes Problem sind die Künstler-Residenzen. Mit Kindern wird man dort fast nie genommen, dabei ist die Residenz ein wichtiges Instrument in der künstlerischen Karriere, um Kontakte zu knüpfen, den Lebenslauf zu stärken, Kollegen und Kuratoren zu treffen, ein Projekt und Ausstellungen zu machen und ein lokales Publikum zu erreichen. Wenn du kleine Kinder hast, steht dir als Frau diese Möglichkeit nicht mehr zur Verfügung. Deshalb plädiere ich für eine Abschaffung der Altersbeschränkungen und wünsche mir, dass Frauen in so genannten Männerberufen (und komischerweise gehört die Fotografie noch immer dazu) ernst genommen werden. Mehr Ausstellungen von Frauen in großen Museen, mehr museumspädagogische Vorträge, mehr Bücher und Research, mehr Filme und kunsthistorische Publikationen können da sehr helfen.
4.
Ich glaube, Frauen sollen sich mehr trauen und lauter werden, ja. Aber vorsicht: Hier besteht die Gefahr, Teil einer Quote zu werden und immer wieder von den „anderen“ abgetrennt zu werden. Das Ziel sollte sein, nicht die Arbeiten von Frauen zu isolieren, sondern in den Kontext zu bringen und gesehen/verstanden zu machen.
Alina Gross, Fotografin und Dozentin, alina-gross.com
1.
In Bezug auf Mutterschaft kann ich hier aus eigener Erfahrung sprechen. Nachdem ich zum ersten Mal Mutter wurde, verlor ich meinen damaligen Job. Ich war festangestellt als Agenturfotografin in einer Modelagentur in Düsseldorf und Hamburg. Bis kurz vor der Zeit im Mutterschutz stand ich für eine 50-Stunden-Woche mit unbezahlten Überstunden für die Agentur zur Verfügung, danach nicht mehr. Ich musste nach der Geburt meiner Tochter meine Karriere quasi von vorne beginnen. Frauen müssen immer zurückstecken, wenn sie Kinder bekommen, alle Arbeitnehmer und Selbstständige müssen das bei einschneidenden Veränderungen. Ich habe diese Entscheidung trotzdem nie bereut.
Die anderen oft thematisierten Benachteiligungen sind Karrierechancen und Bezahlung. Das ist aber vielleicht weniger eine Mann/Frau-Sache, als eher eine Sache zwischen schüchternen und nicht schüchternen Leuten, sowie denen, die ihrem Beruf alles andere unterordnen wollen und können, und denen, die das nicht wollen oder können.
2.
Als Mitglied einer geschlossenen Gruppierung mag ich bei denen, die von dieser Gruppe ausgeschlossen werden, durchaus auf Ablehnung stoßen, Stichwort britischer Men-Only-Upper-Class-Club. Andere sind vielleicht der Meinung, man habe es nötig, da man es alleine nicht schafft.
Trotzdem ist eine Mitgliedschaft in einer Gruppierung von Menschen mit ähnlichem Hintergrund positiv, sofern man sich nicht unter eine geistige Käseglocke begibt und offen bleibt für Meinungen und Erfahrungen außerhalb des „Clubs“. Ähnlich wie andere Vereine haben derartige Gruppierungen letztlich den Zweck, ein Netzwerk zu bilden und sich in der Not zu helfen.
Man tauscht sich aus und teilt sein Wissen mit anderen. Es gibt Workshops und Fortbildungen und z.B. Weihnachtsfeiern, die bei Freiberuflern sonst fehlen.
Davon abgesehen ist es die Frage, was man aus der Mitgliedschaft macht. Auch hier kann man an unsichtbare Decken stoßen und sich beklagen, wenn man nichts ändert. Man muss in Kontakt mit den anderen Mitgliedern treten, Netzwerke knüpfen und nutzen und sich auch in die Gruppierung einbringen.
Wenn man das gut kann und mag, ist das ein Vorteil. Tritt man nicht gerne mit anderen in Kontakt, ist man einfach nur stiller Beitragszahler und wird enttäuscht sein. Die Vorstellung, man tritt einer Gruppierung bei, und kann aus den Anstrengungen der Gruppe profitieren, ohne über den Jahresbeitrag hinaus der Gruppierung einen Nutzen zu bringen, ist naiv.
3.
Das ist schwer zu beantworten. Jeder hat, glaube ich, unterschiedliche Probleme, unabhängig vom Geschlecht. In einen Dialog zu treten wäre aber sicher hilfreich für alle Seiten, um nicht nur die eigenen Benachteiligungen den anderen vorzuwerfen.
Das Hauptproblem ist sicher, dass es viele Fotografen gibt, aber einen viel kleineren Markt für Fotografie, von dem man leben kann. In so einem Umfeld werden die wenigen, die mehr Vorteile haben als andere, den Hauptteil des Kuchens unter sich aufteilen, und der große Rest bekommt die wenigen Reste.
Es ist die Frage, ob dann nicht am Ende eine eingeschränkte Fotografie steht nach dem Geschmack derer, die sich in Politik und Verbänden am Besten durchsetzen konnten und die Positionen belegt haben, die zu belastende Vorteile und zu fördernde Nachteile definieren darf. Dann gäbe es in Gerechtigkeit gekleidete Ungerechtigkeit, in der die eigentliche Fotografie zur Nebensache geworden ist.
4.
Ich glaube nicht, dass es darum geht, wortwörtlich die Lautstärke zu erhöhen, sondern darum, in der eigenen Bildsprache überzeugend und unabhängig eine Stimme für sich selbst zu finden und über Themen und Werte zu sprechen, die einem wirklich wichtig sind. Erst dann werden diese Themen auch ein Gehör und ein Echo in der Gesellschaft finden. Die Hauptsache in der Fotografie sollte letztlich gute Fotografie sein.
Lucja Romanowska, Fotografin, lucja-romanowska.com
1.
In der Kunst, aber auch im kommerziellen Bereich findet meiner Ansicht nach eine generelle Benachteiligung von Frauen statt. Dies liegt natürlich zumeist an den bestehenden Strukturen, die sich größtenteils in den Händen männlicher Entscheidungsträger befinden, hat aber natürlich auch gesellschaftliche Gründe, die es differenzierter zu betrachten gilt. Diese Strukturen punktuell aufzuweichen und generell zu überdenken – nicht nur in der Fotografie – ist eine der großen Aufgaben unserer Zeit.
2.
Ich bin selbst Mitglied beim Female Photoclub und freue mich sehr darüber, dass diese Organisation ins Leben gerufen wurde. Die Vernetzung hilft sicherlich langfristig dabei, sich selbst eine Art Lobby zu schaffen. Darüber hinaus helfen sich die Fotografinnen innerhalb der Gruppe gegenseitig, unterstützen sich also mit Rat und Tat. Es entsteht mit der Zeit bestenfalls ein Gemeinschaftsgefühl, das das ansonsten eher vorherrschende Konkurrenzdenken zwischen diversen Einzelkämpferinnen überragt. Ein Nachteil ist sicherlich, dass naturgemäß kein Geschlechter übergreifender Austausch stattfinden kann, aber generell sind solche geschlossenen Gruppen für Frauen zunächst einmal gut und wichtig und können das Selbstvertrauen stärken. Dabei ist es ja nicht so, dass alle Mitglieder ausschließlich auf dieser Plattform unterwegs sind und sich von den anderen Gruppen/Bereichen deswegen völlig abgrenzen.
3.
Frauen müssen generell selbstbewusster werden, was Ihr eigenes Können angeht und öfter auch entsprechend auftreten. „Wir“ tendieren leider oft dazu, mehr an uns und unserer Arbeit zu zweifeln, als Männer dies tun. Aber dieses Problem ist ja allgemein bekannt und nicht nur in der Fotografie zu beobachten. Eine gemeinsame Lösung dieses Problems scheint mir allerdings leider lediglich eine schöne Utopie zu sein, denn man kann den männlichen Fotografen ja schwerlich verbieten, auch bei mangelnder fachlicher Kompetenz ein lautes, sicheres Auftreten an den Tag zu legen. So bleiben viele gute Fotografinnen leider oft, mehr oder weniger selbstverschuldet, eher unter dem Radar und werden aufgrund dessen nicht wahrgenommen.
4.
Klar, das sollten sie, denn sie haben natürlich genau so viel zu zeigen, wie männliche Fotografen! Wer weiß: Vielleicht sogar mehr. 😉 Und ob Female Photoclub oder andere, überwiegend oder gar ausschließlich weiblich besetzte Institutionen: Sich organisieren, um gemeinsam stark, oder eben auch laut zu sein, ist in jedem Fall sicherlich schon einmal ein guter Weg.
Melina Mörsdorf, Fotografin und Vorständin des Female Photoclub, https://femalephotoclub.com
1.
Wie bereits von zum Beispiel Übermedien recherchiert und veröffentlicht, gibt es eine ganz klare Benachteiligung von Fotografinnen, die sich in der Unterrepräsentation und damit einhergehender Unterbezahlung im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen manifestiert. Diese Benachteiligung ist eine strukturelle, denn sie resultiert nach wie vor aus einem Frauenbild, das sich in den letzten Jahrzehnten nicht ausreichend erneuert hat. Frauen werden als weniger tough und einsatzbereit wahrgenommen, ihnen wird nicht alles zugetraut, wofür männliche Fotografen selbstverständlich
gebucht werden. Gleichzeitig sorgt die Konnotation von Frauen und Care-Arbeit immer noch dafür, dass es sowohl schwieriger ist, nach der Geburt eines Kindes in den Beruf wieder einzusteigen, es gleichzeitig aber auch allzu oft ein Hindernis ist, überhaupt für Jobs wahrgenommen zu werden, da in unserer Gesellschaft ein Bild der vermeintlichen Unvereinbarkeit von Selbständigkeit und Mutterschaft herrscht.
2.
Der Female Photoclub leistet Aufklärungsarbeit über die Missstände in der Branche. Wir erhöhen die Sichtbarkeit von Fotografinnen und bieten auf unserer Homepage die Möglichkeit, gezielt nach Fotografinnen zu suchen. Der Austausch in geschlossenen Gruppen birgt die Möglichkeit, auf alle Fragen in einer geschützten und sicheren Atmosphäre individuell einzugehen. Da wir vom FPC auch männliche Mitglieder in Form von Support Membern aufnehmen, stärken wir den Diskurs auf allen Ebenen.
3.
Solidarität, Paritätische Bezahlung, ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in den Publikationen und Mut, die weibliche Perspektive wahrzunehmen und dann auch zu zeigen, das wäre mein Wunsch.
4.
Sie müssen sich trauen in die Öffentlichkeit zu gehen, Sichtbarkeit zeigen, ihr eigenes Licht nicht unter den Scheffel stellen, mutig und selbstbewusst in Honorar- und Jobverhandlungen sein, sich gegenseitig mehr gönnen und andere Frauen unterstützen. Sie sollten aufhören sich als Konkurrentinnen zu sehen und mehr untereinander netzwerken.
Katharina Bosse, Künstlerin und Professorin an der FH Bielefeld, katharinabosse.com
1.
Das hängt vom Arbeitsbereich ab. Für die Hochschule kann ich sagen, dass wir seit Jahrzehnten einen gleichen Anteil an Frauen und Männern ausbilden, und die Qualität der Abschlüsse gleichwertig ist. Dennoch ist die Sichtbarkeit der Frauen anschließend geringer. Es verändert sich also nicht über den prozentualen Anteil an der Ausbildung von selbst, wie man lange gehofft hatte.
In der Lehre achte ich darauf, einen fotografischen Kanon vorzustellen, der zu 50 Prozent weiblich ist, und thematisiere auch den „male gaze“ und „female gaze“. Ich bespreche Fragen von Gendergerechtigkeit mit den Studierenden. Im Kunstbereich ist der durchgängig geringere Anteil von Frauen in Ausstellungen auffällig. In der Kunstförderung sind Frauen mit Kindern teilweise ausgeschlossen, da man seine Kinder bei vielen Residenzstipendien nicht mitbringen darf, und die Nachwuchsförderung gerade in den Jahren, in denen die Kinder klein sind, aufhört (35 Jahre). Hier wäre eine Definition von „Emerging Artist“, die altersunabhängig ist, wesentlich geschlechtergerechter.
2.
Ich bin Mitglied bei Femalephotographers.org und sehe keine Nachteile darin, sondern nur Vorteile 🙂 Wie jede Initiative bringt auch diese viel Arbeit mit sich, aber wir sind mit der Publikation bei Hatje Cantz im vergangenen Jahr und ersten kleineren Ausstellungen auf einem guten Weg. Ich mag die Zusammenarbeit mit den internationalen und vom Alter her verschiedenen Fotografinnen.
3.
Mich stört die Ungerechtigkeit in der Kunstförderung, denn diese wird von öffentlichen Mitteln finanziert und wäre recht einfach anzupassen. Deshalb freue ich mich über kulturpolitische Initiativen wie #mehrmütterfürdiekunst. Sich mit einer Quote anzufreunden hilft auch.
Die Benachteiligung ist in den einzelnen Berufsbereichen von verschiedener Art, aber es lohnt sich, den Blick darauf zu werfen: wo gibt es Ressourcen, zu denen Frauen systematisch einen schlechteren Zugang haben?
4.
Netzwerken hilft immer. Es geht ja um Langfristigkeit, nicht nur darum, einen Nachwuchspreis zu gewinnen, sondern darum, sich eine Existenz aufzubauen. Dafür braucht es schon eine Mischung aus eigenem Engagement, aber eben auch Austausch und Unterstützung. Das ist ja das Schöne an Netzwerken: dass man sich gegenseitig weiterhelfen kann.
Marcia Breuer, Künstlerin und Initiatorin von „Mehr Mütter für die Kunst“, mehrmütterfürdiekunst.net
1.
Grundsätzlich glaube ich, dass der Beruf nach wie vor weitestgehend männlich konnotiert ist und dass Frauen hinter der Kamera in dieser Branche erst im zweiten Anlauf mitgedacht werden. Ich glaube auch, dass unsere Bildvorstellungen, die durch lange bestehende Sehgewohnheiten geprägt wurden, noch immer von einem eher männlichen Geist und Gestus bestimmt werden.
2.
Die genannten Organisationen rücken Fotografinnen wie auch ihre Arbeiten stärker in den öffentlichen Fokus und leisten einen wertvollen Beitrag zur Sichtbarmachung weiblicher fotografischer Positionen. Darüber hinaus rufen derartige Verbindungen in Erinnerung, dass Gleichstellung und Diversität Themen von hochgradiger Aktualität sind und es hier noch einiges zu tun gibt.
3.
Als Grundproblem betrachte ich die oben bereits benannte Tatsache, dass Fotografie in Bezug auf ihre Urheber und Erzeugnisse nach wie vor ein männlich dominiertes Feld ist und Fotografinnenpositionen folglich in angemessener Form sichtbar gemacht werden müssen. Auf eigenen Erfahrungen und auf der Beobachtung der Künstlerinnenbiografien in meinem Umfeld fußend, habe ich außerdem feststellen müssen, dass Künstlerinnen oder auch Fotografinnen, die Mütter werden, einen an Selbstzerfleischung grenzenden Aufwand betreiben müssen, um im Beruf weiterhin Erfolg und Anerkennung zu erfahren. Ja, der Arbeitsalltag von Fotografinnen mit Kind(ern) mag sich von dem ihrer kinderlosen oder männlichen Kollegen unterscheiden, aber, nein, Mutterschaft darf nicht als ein zur Diskriminierung verleitendes Merkmal missbraucht werden. Mutterschaft muss auch in kreativen und künstlerischen Berufen endlich als eine Spielart der Normalität anerkannt werden.
4.
Ja, Frauen müssen im Feld der Fotografie sichtbarer werden und, ob einem dieser Weg gefällt oder nicht, so bedeutet dies in der Regel, dass man ein wenig lauter werden muss – und die eigene Position, die, wenn man ans individuelle Profiling denkt, in vielen Fällen ja eine selbst erwählte ist, mit Souveränität und Selbstverständlichkeit behauptet.
Alexander Hagmann, Podcaster, Fotograf und Herausgeber von dieMotive, diemotive.de
1.
Wenn diese Frage die Benachteiligung von Fotografinnen innerhalb der Branche/des Jobs meint, dann dürfte es hier kaum einen Unterschied zu anderen Branchen geben: Schlechtere Bezahlung und schlechtere Wertschätzung. Die Entwicklung hin zu einer Gleichstellung aller Genderidentitäten verläuft innerhalb der Fotografie parallel zu einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Dabei ist noch lange nicht alles gut, aber es wird besser. Auch wenn es manche Frauen nicht sehen wollen und viele Männer leider nicht (verstehen) möchten.
Nimmt man die Fotografiebranche als Gesamtgebilde wahr, ist sogar eine sehr positive Entwicklung zu erkennen. Immer mehr relevante Positionen im Kunst-, Fotografie- und Kulturbetrieb werden oder sind mit Frauen besetzt. Gleiches gilt für die Bereiche Art-Buying und Fotoredaktion. Im angewandten kommerziellen Bereich (Werbung/Corporate) sowie im Fotojournalismus sehe ich Fotografinnen immer noch unterrepräsentiert. Dass dem so ist, sagt aber nur wenig über die Ursachen aus. Die Verantwortung liegt in Teilen sicher auch bei den Auftraggebern (ja, maskulin, es sind noch immer mehr Männer in Entscheidungspositionen). Zumindest im Bereich der Werbung.
Es kann so einfach sein: Was genau soll eine Frau nicht genauso fotografieren können wie ein Mann? Gleichzeitig schreckt das noch immer vorherrschende Alpha-Tier-Gehabe nicht nur Frauen ab. Im weiten Feld der Editorialfotografie besteht meine „Fotoblase“ größtenteils aus sehr guten Fotografinnen, die auch alle von ihrem Beruf leben können. Das ist aber ein sehr subjektiver Blick und absolut nicht zu verallgemeinern.
Eine Datenrecherche des SPIEGEL und des Deutschen Journalisten Verbands Hamburg (DJV Hamburg) ergab im letzten Jahr, dass bei der Erstellung von 540 Covern für 30 Magazine nur bei 14% eine Frau (Fotografin/Illustratorin) beteiligt war. Viel interessanter wäre jedoch zu erfahren, wer in welcher Position für die Buchung der Fotograf*innen verantwortlich war und welche Prozesse zur Auswahl stattgefunden haben. Denn das Problem einer Benachteiligung muss dort behandelt werden wo es entsteht und nicht wo es sichtbar wird.
2.
Ich sehe die Gruppen nur bedingt als geschlossen an und kann auch kaum Nachteile erkennen. Solange eine genderübergreifende Diskussionskultur geführt wird, werden sich auftretende Spannungen problemlos beseitigen lassen. Dass die Gruppierungen nur weibliche Mitglieder aufnehmen ist eben jener Sinn und Zweck, denn nur so können Frauen sich direkt vernetzen, austauschen und gleichzeitig ihre Wahrnehmbarkeit erhöhen. Diese Gruppierungen haben auch ganz andere, praktische Vorteile: Wer konkret nach einer Fotografin sucht, sollte dort fündig werden.
3.
Das drängendste Problem ist sicherlich die Sichtbarkeit. Eine patriarchialische Gesellschaft hat auch Einfluss auf das Feld der Fotografie, weshalb eine selbstständige Fotografin auch in diesem Bereich aufgrund ihres Geschlechts in vielen Bereichen benachteiligt wird. Welche Bereiche und Probleme das im spezifischen sind, lässt sich aus meiner Position nur erraten. Wahrscheinlich muss auch ich noch mehr zuhören. Die Lösung steht in der nächsten Antwort.
4.
Eindeutig ja. So lange, bis eine wahrnehmbare Gleichstellung aller Genderidentitäten stattgefunden hat. Bis dahin muss man immer wieder miteinander reden. Bitte auf Augenhöhe und weniger auf Social-Media-Plattformen. Ein Zusammenschluss zu oben genannten Gruppen sollte auf diesem Weg als eine begrüßenswerte Entwicklung gesehen werden.
Foto oben: Petra Gerwers