Seit nunmehr einem Jahr hält die Corona-Pandemie die Welt weiter in Atem und die Gesellschaft lernt mehr oder weniger mit ihr zu leben. Zwar sind beim letzten Corona-Gipfel am 03. März 2021 Öffnungsperspektiven in Aussicht gestellt worden, aber viele Segmente der Wirtschaft konnten und können trotz Lock-Downs weiterarbeiten. BFF-Justiziarin Dorothe Lanc informiert zu Haftungsrisiken für Fotografen.
Profi-Fotografen dürfen bekanntlich trotz Corona Foto- und Filmproduktionen für ihre Kunden durchführen, sofern die örtlichen Behörden dies nicht ausdrücklich verbieten. Häufig besteht aber die Sorge, dass sich jemand im Fotostudio oder beim Shooting am Set mit dem Corona-Virus anstecken könnte. Fotografen fragen sich, ob sie in diesem Fall haften und ob eine Haftung vertraglich ausgeschlossen werden kann. Hier gilt es zunächst einmal zwei grundlegend verschiedene Situationen voneinander zu unterscheiden
Fotografen, die in ihrem Fotostudio angestellte Mitarbeiter beschäftigen, tragen ihnen gegenüber Verantwortung und müssen allgemeine Fürsorgepflichten einhalten. Hierzu gehört, das Wohl und die berechtigten Interessen der Mitarbeiter zu berücksichtigen, gesundheitliche Schäden zu verhindern, aber auch deren Würde und Persönlichkeit zu achten. Ähnliches gilt für die Beschäftigung von Schülern, Praktikanten, Studenten, Volontären, arbeitnehmerähnliche Personen etc., die nur vorübergehend im Fotostudio arbeiten.
Konkret bedeutet dies, dass Fotografen Arbeitsschutzmaßnahmen ergreifen müssen. Unter Arbeitsschutz versteht man alle Maßnahmen, die Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gewährleisten und verbessern. Gesetzliche Grundlage sind unter anderem das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), das siebte Buch des Sozialgesetzbuch (SGB-VII) sowie verschiedene ergänzende Verordnungen. Unabhängig von der Corona-Pandemie ist jeder Fotograf, der auch nur einen Mitarbeiter beschäftigt, gesetzlich verpflichtet, sich um das Thema Arbeitsschutz zu kümmern.
Welche konkreten Maßnahmen der Fotograf als Arbeitgeber zu treffen hat, ist anhand einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Der Fotograf muss also das Gefährdungspotenzial der jeweiligen Tätigkeit bewerten und prüfen, bei welchen Arbeitsabläufen sich der Mitarbeiter mit dem Corona-Virus infizieren könnte. Ist das Ansteckungsrisiko identifiziert, folgt daraus die konkret umzusetzende Schutzmaßnahme. Diese wiederum muss dem aktuellen Stand von Technik und Hygiene sowie sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.
Hier sind insbesondere die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard und die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BMAS) zu berücksichtigen. In Ergänzung dazu trat am 27.01.2021 die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in Kraft. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Mitarbeitern die Arbeit im Home-Office zu ermöglichen, soweit dies nicht im begründeten Ausnahmefall möglich ist. Sie verpflichtet den Arbeitgeber, Mitarbeitern die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen, Ausnahmen davon sind nur in begründeten Fällen zulässig; bei Nutzung eines Arbeitsraums von mehreren Personen gleichzeitig, müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen; in Betrieben ab zehn Beschäftigten müssen diese in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden. Außerdem müssen medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung gestelltwerden.
Wer als Arbeitgeber gegen die Arbeitsschutzmaßnahmen verstößt, kann mit einem saftigen Bußgeld bestraft werden. Die Strafen können sich je nach Art und Intensität des Verstoßes zwischen € 5.000.- und € 25.000.- bewegen.
Erleidet ein Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall oder erkrankt er an einer Berufskrankheit, haftet der Arbeitgeber hierfür nicht, denn dieses Haftungsrisiko wird durch die Berufsunfallversicherung aufgefangen und der entstandene Gesundheitsschaden von ihr übernommen. Wer als Arbeitgeber einen Mitarbeiter beschäftigt, ist daher gesetzlich verpflichtet, diesen bei der Berufsgenossenschaft anzumelden. Für Fotografen ist hier die BG ETEM zuständig. Aber auch der selbständige Fotograf hat sich selbst gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten bei der BG ETEM zu versichern.
Erkrankt oder verstirbt ein Mitarbeiter nach seiner Tätigkeit im Fotostudio am Corona-Virus, stellt sich die Frage, ob dies als Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit gilt.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung vertritt hier die Auffassung, dass es sich bei einer Corona-Infektion am Arbeitsplatz nicht um einen Arbeitsunfall, sondern um eine so genannte Allgemeingefahr handle und sie deshalb nicht für Personenschäden infolge von Corona-Infektionen aufkommen werde. Diese Haltung spiegelt sich auch in aktuellen Zahlen (Stand: 12/2020) wieder:
Derzeit ist es so, dass die Unfallversicherung nur in wenigen Fällen eine Corona-Erkrankung als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall anerkennt und Leistungen erbringt. Von ca. 19.550 als Berufskrankheit angezeigten Fällen haben die Unfallversicherungsträger ca.12.800 anerkannt. Von etwa 9.400 als Arbeitsunfall gemeldeten Corona-Erkrankungen sind ca. 4.000 anerkannt worden. Bezogen auf die gemeldeten Infektionszahlen erhielten danach ca. 2% der Infizierten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Anerkannt werden derzeit i.d.R. nur Infektionen von Arbeitnehmern, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege sowie in Laboratorien arbeiten oder durch eine andere Tätigkeit dem Infektionsrisiko in ähnlichem Maße typischerweise ausgesetzt sind. Dies erklärt die niedrige Anerkennungsrate.
Es bleibt aber abzuwarten, ob die Gerichte der Rechtsansicht der Unfallversicherung folgen werden. Falls die Gerichte deren Rechtsansicht bestätigten, bedeutete dies, dass die Haftungsbefreiung des Arbeitgebers in vielen Fällen nicht greift und er folglich auch für eine fahrlässig verursachte Corona-Erkrankung in Anspruch genommen werden könnte. Damit tragen Fotografen, die Arbeitgeber sind, ein erhebliches zivilrechtliches Haftungsrisiko ihren Mitarbeitern gegenüber, wenn diese sich am Arbeitsplatz mit Corona infizieren.
Fotografen sind jedenfalls gut beraten, wenn sie die von der BG ETEM herausgegebenen umfangreichen Informationen zur Corona-Krise und deren Handlungshilfen, Ergänzungen zu Gefährdungsbeurteilungen und weitere Medien (aktueller Stand: 01.02.2021) beachten und einhalten. Insbesondere die Checkliste für die Ergänzung der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung, die die BG ETEM u.a. für Fotografen und Filmproduktionen zur Verfügung stellt, ist sehr hilfreich.
Hat der Fotograf sämtliche Vorkehrungen in seinem Fotostudio nachweislich getroffen, um eine Corona-Infektion seiner Mitarbeiter zu vermeiden, besteht doch noch die Chance, dass die Berufsgenossenschaft die Erkrankung als Arbeitsunfall anerkennt und für den Gesundheitsschaden des Corona-infizierten Mitarbeiters aufkommt.
Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich Gesundheitsschäden bei seinen Mitarbeitern verursacht. Dies wäre z.B. der Fall, wenn er die erforderlichen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nicht oder nicht hinreichend umsetzt. Oder er weiß, dass einer seiner Mitarbeiter mit dem Corona-Virus infiziert ist und diesen Mitarbeiter dennoch in seinem Betrieb arbeiten lässt, so dass hierdurch andere Mitarbeiter infiziert werden. Dann wird die Unfallversicherung für den eingetreten Schaden nicht mehr aufkommen und der Arbeitgeber haftet allein.
Viele selbständige Fotografen haben keine angestellten Mitarbeiter. Aber auch sie arbeiten mit verschiedenen anderen Beteiligten, wie z.B. Assistenten, Modellen, Stylisten, Visagisten usw. zusammen, wenn sie diese für ein vom Kunden beauftragtes Foto-Shooting buchen. Um diese Shooting-Teilnehmer vor einer Corona-Infektion zu schützen, können Fotografen vieles aus den o.g. Arbeitsschutzmaßnahmen ableiten.
Den Fotografen treffen hier sogenannte Verkehrssicherungspflichten gegenüber den anderen am Shooting beteiligten Personen. Danach ist er verpflichtet, alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung der Anderen zu verhindern.
Welche Vorkehrungen das in der aktuellen Corona-Krise sind, kann der Fotograf aus den o.g. Arbeitsschutzstandards, Arbeitsschutzregeln, Arbeitsschutzverordnungen und der Gefährdungsbeurteilung der BG ETEM ableiten. Denn die dort aufgezählten Schutzmaßnahmen sollen nicht nur Arbeitnehmer, sondern die Gesellschaft insgesamt vor einer Corona-Infektion schützen.
Hat der Fotograf alle genannten Maßnahmen ergriffen und auch auf deren Einhaltung geachtet, kann man es ihm nicht zum Vorwurf machen, wenn es dennoch zu einer Corona-Infektion eines Beteiligten am Set kommt. Eine Haftung des Fotografen wird dann nur noch schwer durchsetzbar sein.
Trotz aller Vorsicht kann es dennoch zu einer Infektion am Set kommen. Hat sich ein anderer Shooting-Teilnehmer, z.B. ein Modell, dort mit Corona infiziert, könnte dieser versuchen, den Fotografen in Haftung zu nehmen.
Grundlage ist hier die vertragliche Beziehung zwischen Modell und Fotograf. Denn das Modell hielt sich aufgrund des Auftrages des Fotografen am Set auf und war deshalb dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Das Modell müsste vortragen, dass der Fotograf eine Pflichtverletzung beging, die die Corona-Infektion verursachte. Es müsste also darlegen, dass eine Schutzmaßnahme nicht eingehalten wurde und es sich deshalb infizierte. Hierauf müsste der Fotograf beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft, d.h. er weder vorsätzlich noch fahrlässig handelte, und er alle Schutzmaßnahmen einhielt. Vorsätzliches Handeln bedeutet, dass man die Schutzmaßnahmen bewusst und in Kenntnis dieser nicht einhält und darauf verzichtet. Fahrlässig handelt hingegen, wer die Schutzmaßnahmen nicht streng genug umsetzt. Grobe Fahrlässigkeit geht noch darüber hinaus, d.h. man geht mit den Schutzmaßnahmen leichtfertig um und beachtet einfache, offenkundige, grundlegende Regeln nicht.
Stellt sich heraus, dass der Fotograf die Schutzmaßnahmen nur unzureichend einhielt, müsste er beweisen, dass die mangelhaften Maßnahmen die Infektion nicht verursachten und sie aus einer anderen Quelle herrührte. So wäre es auch möglich, dass sich das Modell außerhalb des Sets schon zuvor infizierte. Schließlich ist auch zur berücksichtigen, ob das Modell ein Mitverschulden trifft, etwa weil es selbst die vorgeschriebenen Maßnahmen nicht einhielt.
Kann dem Fotografen nachgewiesen werden, dass er am Set Schutzmaßnahmen nicht einhielt und dies nachweislich die Infektion verursachte, sind Haftungsrisiken für ihn erheblich: Kosten für medizinische Hilfsgeräte, Therapie- und Pflegekosten, Erwerbsausfall bis hin zu den Kosten der Beerdigung und ein Unterhaltsanspruch der Hinterbliebenen könnten auf ihn zukommen.
Viele Fotografen fragen sich, ob sie das Risiko einer Haftung für eine Corona-Infektion womöglich vertraglich ausschließen oder zumindest einschränken können. So könnte man auf die Idee kommen, einen entsprechenden Haftungsausschluss in seinen AGB zu formulieren.
Allerdings wäre eine Klausel, mit der die Haftung für Körperschäden (Leben, Körper und Gesundheit), die auf einer (grob) fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung des Fotografen beruhen, begrenzt oder ausgeschlossen werden soll, AGB-rechtlich problematisch und sehr wahrscheinlich unwirksam.
Im Rahmen eines Individualvertrages wäre es wohl möglich, die Haftung für einfache Fahrlässigkeit auszuschließen und die verschuldensabhängige Haftung auf den Vorsatz zu begrenzen. Denn das Gesetz erlaubt in Individualverträgen den Ausschluss aller Fahrlässigkeitsstufen, also auch der groben Fahrlässigkeit. Allerdings dürfte es hier schwierig sein, von Individualverträgen auszugehen, wenn der Fotograf für sämtliche seiner Foto-Shootings allen dort Beteiligten eine Standard-Klausel zum Haftungsausschluss bezüglich einer Corona-Infektion vorlegt.
Steckt ein am Foto-Shooting Beteiligter eine andere Person am Set an, so stellt sich die Frage, ob er der anderen Person gegenüber haftet. Hier wird es entscheidend darauf ankommen, ob der Corona-Infizierte von seiner Infektion wusste, sich des Ansteckungsrisikos in Bezug auf seine Umgebung bewusst war und sich in diesem Wissen sodann unter Mitmenschen begab.
In diesen Fällen handelte der Infizierte nämlich entweder fahrlässig, etwa weil er die Ansteckungsgefahr erkannte, aber darauf vertraute, dass schon nichts passieren werde. Oder aber er handelte vorsätzlich, weil er eine die Ansteckung seiner Mitmenschen zumindest in Kauf nahm oder sie ihm womöglich sogar egal war. In beiden Fällen wird er für die Ansteckung einer anderen Person einstehen müssen.
Fazit: Fotografen sollten im Hinblick auf eine mögliche Haftung für die Corona-Infektion ihrer Mitarbeiter oder beauftragten Subunternehmer ein umfassendes Hygienekonzept erstellen. Dies darf nicht nur Theorie sein. Sie müssen deshalb auch auf dessen peinlich genaue Umsetzung und Einhaltung im Fotostudio bzw. am Set achten. Um sich im Falle einer Corona-Infektion entlasten zu können, sollten Fotografen die Hygienemaßnahmen dokumentieren. Denn sie müssen ggf. später beweisen können, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternommen haben, um eine Corona-Infektion der Beteiligten zu vermeiden.
Außerdem sollte jeder Fotograf prüfen, ob seine Betriebshaftpflichtversicherung eintritt, wenn sich ein Corona-Fall in den oben geschilderten Situationen realisiert. Ist dies nicht der Fall, sollte er den Versicherungsschutz erweitern bzw. eine Zusatzversicherung abschließen. Denn die Betriebshaftpflichtversicherung ist die wichtigste Versicherung, da sie die Existenz des Unternehmens vor den finanziellen Folgen der Haftung schützt.
© Foto: Klaus Mellenthin