Viele Profifotografen und Profifotografinnen arbeiten für die Werbung. Sie haben regelmäßig interessante Aufträge von Werbeagenturen und deren Kunden. Ein scheinbar lukratives und attraktives Ziel für junge Fotografen, die Kampagnen namhafter Marken zu fotografieren. Aber als Geschäftsmodell für angehende Berufsfotografen eignet sich die Werbebranche nur bedingt. Sie ist derzeit nicht mehr tragfähig genug, um sich als Fotograf in diesem Bereich eine Existenz aufzubauen und hier erfolgreich viele Jahre zu arbeiten. Das war mal anders, für viele Profifotografen klappte das sehr gut und die Rechnung ging sprichwörtlich auf. Heute sollten junge Fotografinnen und Fotografen den Wandel der Branche verstehen und sich gut überlegen, ob hier eine Positionierung Aussicht auf Erfolg hat.
D ie Diskussionen zu Themen wie „Der Wandel in der Fotobranche“ sind allgegenwärtig. Nicht nur in zahlreichen Pod- casts. Besonders in der neuen App „Clubhouse“ wird heiß diskutiert. Hier können Interessierte täglich Gesprächsrunden lauschen, in denen es um die Fotobranche und die Auftragsfotografie geht. Im Fokus stehen dabei Jobs, Kunden, die Digitalisierung oder Content Creation. Das Interessante ist, dass sich fast zu jeder Zeit Fotografen, Bildredakteure, Video-Produzenten, aber auch Auftraggeber in unterschiedlichen Runden über Trends und Entwicklungen der Imagingbranche austauschen. Ihre Geschichten belegen das, was für viele Fotografen spürbar ist. Die Fotobranche ist im Wandel und das schon eine ganze Weile. Insbesondere die massiven Änderungen in der Werbebranche sind hier ein schwergewichtiger Faktor und wirken disruptiv auf die Branche.
In meinen Gesprächen mit Fotografen dreht es sich oft um die Werbefotografie. Es ist und bleibt für viele von ihnen begehrlich, Jobs für große Kampagnen und etablierte Marken zu fotografieren – sie wollen das unbedingt machen. Kein Wunder, denn Reichweite und Strahlkraft sind groß, auch für das eigene Portfolio. Ganz oben auf der „Wunschliste“ stehen Produktionen für Modekunden, People & Lifestyleprodukte oder Automobilfirmen. Aber, frei nach Boris Becker „Ich bin drin“, bedeutet das leider nicht, dass es so bleibt. Und mancher, der einen der begehrten Aufträge bekommen hat, ist enttäuscht, dass der nächste Job an einen anderen Kollegen geht.
Warum ist es nicht mehr so leicht, als Werbefotograf heute genauso erfolgreich zu sein, wie vor 20 Jahren? Nicht nur einmal eine tolle Kampagne an Land zu ziehen, sondern regelmäßig wieder dafür gebucht zu werden? Dafür müssen wir auf das System der Werbebranche blicken. Das Prinzip der Werbung ist, dass sie sich fortwährend selbst neu erfinden muss. Sie ist getrieben von der Suche nach frischen Ideen, neuer Bildsprache und jungen Bildautoren. Es ist Selbstzweck, immer wieder andere Fotografen zu finden und sich mit frischem Content zu profilieren.
„Schuld“ daran ist nicht nur die zeitgenössische Bilderflut und die Verfügbarkeit von Bildautoren auf zahllosen Plattformen. Aber es hat Einfluss auf die Nachfrage und schließlich auch auf den Preis. Dabei wecken besonders branchenfremde Bildermacher die Aufmerksamkeit der Entscheider in den sozialen Medien. Visuelle Begehrlichkeiten und Problemlösungen sind schon lange nicht mehr nur an den Profimarkt geknüpft. Und viele Auftraggeber nutzen das große Angebot, um digitale Kampagnen und Marketingaktionen mit Bildern von Fotografen zu besetzen, die Fotografie eigentlich nicht beruflich machen. Da mittlerweile so viel Content für so viele Kanäle zur Verfügung stehen muss, hat sich die Suche nach neuen Impulsen verlagert und erweitert. Und das entscheidende Kriterium, ob ein Bild oder ein Bildautor Erfolg hat, ist nicht mehr nur der Grad der Professionalisierung oder des Portfolios, sondern wie gut das Bild für die Zielgruppe funktioniert. Besonders, da viele Bilder und Videos heute nur für einen kurzen Zeitraum gesehen werden.
Eine langfristige und stetige Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Fotografen, der aufgrund seiner fachlichen Expertise über viele Jahre für denselben Kunden und die gleiche Kampagne gebucht wird, ist rar. Werte und Entscheidungskriterien haben sich gewandelt und anstelle von Erfahrung und Beständigkeit sind Entdeckergeist und Abwechslung gerückt.
Die Berufsfotografen, die das verstanden haben, haben eine Chance, ihr Angebot anzupassen. Aber das setzt nicht nur technisches Know-how, sondern auch mentale Beweglichkeit und Begeisterung für das System voraus. Denn man sollte das, was man tut, eben auch lieben, oder?
Und wie „beweglich“ sind Sie?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.