Ein wichtiges Ziel der aktuellen Urheberrechts-Reform ist, dass Kreative zukünftig fair an den Gewinnen der Social Media Plattformen beteiligt werden. Freelens Geschäftsführer Lutz Fischmann hat die Pläne zur Kollektivlizenzsierung für Bild-Uploads von Anfang an begleitet. Im ProfiFoto Interview stellt er sich kritischen Fragen.
ProfiFoto: Lutz Fischmann, wie zufrieden sind Sie mit dem Anfang Februar verabschiedeten Gesetzentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts?
Lutz Fischmann: Im vorläufigen Ergebnis und in der Frage der Zustimmung zu Plattformlizenzen sind wir uns mit mindestens 39 anderen Urheberverbänden, die über 140.000 Urheber in der Initiative Urheberrecht vertreten, einig, dass der Entwurf grundsätzlich begrüßenswert ist. Denn wir sehen alle die gelebte Praxis: Privatpersonen laden ohne jede Hemmung Fotos auf alle großen Plattformen hoch – und das in völliger Unkenntnis des Urheberrechtes. Der einzelne Urheber ist gar nicht in der Lage, diese Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen, weil er in den allermeisten Fällen davon gar keine Kenntnis erlangt. Und wenn, bleibt ihm im Einzelfall nur ein „notice-and-takedown“-Verfahren gegen die Plattformen. Den eigentlichen Verletzer erwischt er in der Regel nicht, und Schadenersatz fließt auch keiner. Natürlich beinhaltet der Entwurf auch noch einige Kröten – wir arbeiten daran, diese noch zu beseitigen.
ProfiFoto: Als Vorsitzender im Verwaltungsrat der VG Bild-Kunst sind Sie an der Ausgestaltung der angestrebten Plattformlizensierung beteiligt gewesen. Welche Rolle spielen Sie dabei?
Lutz Fischmann: Zunächst möchte ich festhalten, dass ich keine „Rolle“ bei der VG Bild-Kunst einnehme, sondern von vielen tausend Mitgliedern der VG Bild-Kunst als Urheber in den Verwaltungsrat gewählt wurde – wie viele andere Urhebervertreter auch. Die Plattformlizensierung wurde ja nicht von der VG Bild-Kunst ausgestaltet, sondern zuerst auf EU-Ebene und muss jetzt vom nationalen Gesetzgeber bis 7. Juni 2021 umgesetzt werden. Natürlich versuchen wir beim Gesetzgeber Einfluss auf die Ausgestaltung u.a. der Plattformlizensierung zu nehmen – sei es allein oder im Zusammenschluss mit anderen Urheberverbänden.
Die Rahmenbedingungen, welche Rechte von den Urhebern wahrgenommen werden müssen, um Plattformen überhaupt Lizenzen anbieten zu können (Satzung, Verteilungsplan, Wahrnehmungsvertrag etc.) werden ausschließlich von der Mitgliederversammlung der VG Bild-Kunst beschlossen. Dort können alle Mitglieder einzeln – auch online – teilnehmen und abstimmen. Die Schwelle, sich und seine Stimme einzubringen, ist also extrem niedrig. Natürlich begleitet der Verwaltungsrat ständig alle wesentlichen Arbeiten der VG Bild-Kunst – dafür ist er ja da. Nach wie vor hat jedes Mitglied, das einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Bild-Kunst abgeschlossen hat, dort eine gleichberechtigte Stimme – im Gegensatz zum Beispiel zur Gema und VG Wort.
ProfiFoto: Wurden die Freelens Mitglieder vor der Abstimmung im Verwaltungsrat der VG Bild-Kunst über die Anpassung der Wahrnehmungsverträge befragt, wie Sie für Freelens in der Sache abstimmen sollen?
Lutz Fischmann: In Angelegenheiten, in denen der Verwaltungsrat selbstständig entscheiden darf, tut er das auch, wenn die Satzung dies vorsieht. Änderungen der Satzung, des Verteilungsplanes und des Wahrnehmungsvertrages sind ausschließlich Sache der Mitgliederversammlung (und nicht des Verwaltungsrates) – dort hat jedes VG Bild-Kunst Mitglied eine Stimme, die auch online abgegeben werden kann.
Wir befragen vorher nicht die Mitglieder von Freelens, wie wir in einzelnen Punkten abstimmen sollen – das wäre aus vielerlei Gründen nicht leistbar. Unser Vorstand, der immer und umfänglich über die Arbeiten im Verwaltungsrat der VG Bild-Kunst informiert ist, entscheidet selbstständig über sein Vorgehen, wie in vielen anderen Fällen auch. Er unterliegt, so wie dies meines Wissens auch in anderen Verbänden vorgesehen ist, keinem imperativen Mandat. Im Übrigen ist neben mir auch noch ein Vorstandsmitglied, Roland Geisheimer, seit Jahren im Verwaltungsrat der VG Bild-Kunst vertreten, sodass eine Verzahnung zwischen dem Vorstand und der VG Bild-Kunst automatisch gegeben ist.
ProfiFoto: Wann sind die Freelens Mitglieder über den Beschluss vom Sommer 2019 informiert worden? Fand dazu eine interne Konsultation statt?
Lutz Fischmann: Die Mitglieder der VG Bild-Kunst wurden in zahlreichen Newslettern und sehr ausführlichen Begleittexten zu den jeweiligen Berufsgruppen- und Mitgliederversammlungen über die Vorschläge zur Änderungen unter anderem des Wahrnehmungsvertrages durch die VG Bild-Kunst selbst informiert – und dies über Jahre. Urban Pappi (Geschäftsführender Vorstand der VG Bild-Kunst) leistet hier eine hervorragende Arbeit. Die Satzung, Ordnungen, Verteilungspläne und Wahrnehmungsverträge müssen übrigens jedes Jahr geändert werden, weil sich die Rahmenbedingungen auch jedes Jahr ändern. Sollten Freelens-Mitglieder dazu Fragen haben und weitere Erläuterungen benötigen, können sie sich natürlich immer gerne an uns wenden und tun dies auch regelmäßig.
Warum Mitglieder der VG Bild-Kunst deren Informationen manchmal nicht zur Kenntnis genommen haben, obwohl sie in einem wichtigen Vertragsverhältnis mit der VG Bild-Kunst stehen, kann ich Ihnen nicht sagen.
ProfiFoto: Wie ist die offizielle Meinung von Freelens zur angestrebten Plattformlizensierung?
Lutz Fischmann: Grundsätzlich begrüßt der Freelens Vorstand, dass erstmalig Plattformen in die Haftung genommen werden. Viel zu lange konnten sie schalten und walten, wie sie wollen und allein mit dem Material der Urheber ihr Geschäftsmodell betreiben, ohne auch nur einen Cent an diese auszukehren. Mehr noch – sie missachten dabei auch noch dreist die Urheberrechte der Fotografen.
ProfiFoto: Aber längst nicht alle Fotografen können sich mit dem Modell einer Plattformlizensierung durch die VG Bild-Kunst anfreunden!?
Lutz Fischmann: Ihrer Frage entnehme ich indirekt, dass Sie davon ausgehen, mit der Verweigerung der VG Bild-Kunst, eine Erweiterung des Wahrnehmungsvertrages vorzunehmen, gäbe es in Zukunft keine Plattformlizenzierung. Jegliche Ansprüche bezüglich kollektiver Lizenzen können aber nur durch Verwertungsgesellschaften, den Treuhändern der Urheber, wahrgenommen werden – sie unterliegen einem Kontrahierungszwang. Insofern ist die Frage, ob Verwertungsgesellschaften eine Plattformlizenz verweigern können, nur eine akademische. Bieten sie diese Lizenz nicht an, springen andere, eventuell neue Verwertungsgesellschaften in diese Bresche. Zum Wohle der Urheber wäre dies nicht. In der Konsequenz bleibt den betroffenen Verwertungsgesellschaften keine Wahl: Sie müssen sich um die nötigen Nutzungsrechte der Mitglieder bemühen, indem sie ihren Wahrnehmungsvertrag erweitern. Die DSM-Richtlinie (und dann auch die nationalen deutschen Gesetze) sehen hier keine Kann-Vorschrift vor.
ProfiFoto: Wie sieht nach dem beschlossenen Regierungsentwurf zur Urheberrechtsreform der weitere Fahrplan aus?
Lutz Fischmann: Es wird entscheidend sein, wie die Gesetzgebung final aussieht. Das diese nicht immer ausschließlich zu Gunsten der Urheber ausfallen wird, kennen wir ja alle aus den letzten 20 Jahren. Im Ergebnis ist der aktuelle Regierungsentwurf somit ein klassischer Kompromiss: Kollektives Geld wird fließen – die individuelle Herrschaft über das Werk geht aber zu einem Stück verloren. Man muss aber bedenken, dass das Alternativmodell eine allgemeine Schranke à la Privatkopievergütung gewesen wäre – dann wäre die Kontrolle über die Fotos komplett abhandengekommen.
Im nächsten Schritt wird die VG Bild-Kunst wissenschaftlich erheben lassen, wie viele der von privaten Usern (und nur um die geht es) auf die Plattformen hochgeladenen Bildern „Fremdmaterial“ ist, um die Größenordnung der aktuellen quasi Urheberrechtsverletzungen festzustellen, danach erfolgt der Entwurf eines Lizenzvertrages für die Plattformen, in dem noch vieles vereinbart werden wird, was der Stärkung der Urheber dient, und natürlich wird es noch in diesem Jahr einen Tarif geben, der die Höhe der Vergütung regelt. Dies alles muss bis zum 7. Juni 2021 geschehen, da an diesem Tag die nationalen Gesetze in Kraft treten werden und jede Verzögerung mit einem Verlust für die Urheber behaftet wäre. Denn es ist damit zu rechnen, dass sich die Plattformen massiv gegen jede Geldleistung wehren und jede Einigung in die Länge ziehen werden und vielleicht am Ende erst die Aufsichtsbehörde oder Gerichte entscheiden werden. Mit der rechtzeitigen Aufstellung von Wahrnehmungsverträgen und Tarifen ist auch eine nachträgliche Vergütung der Urheber ab dem 7. Juni 2021 gewährleistet.
Auch wird mit Sicherheit der Wahrnehmungsvertrag noch einmal angepasst, da er bisher nur auf der Grundlage des Textes der EU-Richtlinie entworfen wurde und die deutsche Gesetzgebung noch nicht berücksichtigt werden konnte.