Noch in dieser Woche wird mit der Gesetzgebungsvorlage zur Urheberrechtsreform gerechnet, die die Rahmenbedingungen für eine mögliche Plattformlizenz definiert. Dr. Urban Pappi von der VG Bild-Kunst beantwortet im Vorfeld Fragen zur geplanten Plattformlizenz.
Der Markt für professionelle Fotografien ist geprägt durch direkte Beziehungen zwischen Fotografen und ihren Kunden oder durch die Lizenzkette von den Fotografen über ihre Bildagenturen zu den Kunden. Das Urheberrecht bietet das rechtliche Instrumentarium, die Kontrolle über die Werke auszuüben.
Mit dem Aufkommen von Social-Media-Plattformen kam es allerdings zu einem partiellen Marktversagen: Plattformbetreiber wurden durch eine Haftungsbefreiung geschützt und private Uploader urheberrechtlich geschützter Fotografien konnten aus praktischen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Obwohl Plattformbetreiber wirtschaftlich enorm profitierten, wurde den eigentlichen Werkschöpfern, den Fotografen, bislang keine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke zuteil.
Die neue EU-Urheberrechtslinie von 2019 führt nun erstmalig ein Haftungsregime für Social-Media-Plattformbetreiber ein. Diese sollen dafür bezahlen, dass ihre Dienste durch den massenhaften Upload geschützter Werke attraktiv werden. Gleichzeitig sollen andere Rechtsgüter – insbesondere die Meinungsfreiheit der User – so wenig wie möglich beschnitten werden.
Die Urheberrechtsrichtline soll 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden. Weil es um massenhafte Werknutzungen geht, bietet sich eine Einbindung von Verwertungsgesellschaften in die Administration von Lizenzen an. Denn Verwertungsgesellschaften bilden bei massenhaften Werknutzungen eine Brücke zwischen Rechteinhabern und Rechtenutzern, die durch gesetzliche Regelungen – in Deutschland durch das Verwertungsgesellschaftengesetz von 2016 – unterstützt werden.
Die VG Bild-Kunst entwickelt seit 2019 eine Plattformlizenz für Werke der bildenden Kunst und der Fotografie, die erweitert werden kann auf Werke der Illustration und des Designs. Als Partner hat sie den Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) gewinnen können, mit dessen Hilfe das Foto-Repertoire der Bildagenturen in die Lizenz eingebracht werden kann. „Erst durch die wettbewerbsrechtlich erlaubte Bündelung aller Repertoires kann der Marktmacht von Instagram, Twitter, Pinterest und Co. auf Augenhöhe begegnet werden. Die Erfahrungen aus der Musikbranche haben gezeigt, dass eine solche Bündelung unerlässlich ist, um eine angemessene Vergütung zu erzielen“, so Dr. Urban Pappi.
Bild-Kunst und BVPA haben ihre Pläne im Herbst 2020 öffentlich gemacht, um auf den Gesetzgebungsprozess in Deutschland Einfluss zu nehmen. Pappi: „Der Gesetzgeber soll wissen, dass eine umfassende Administration des Foto-Repertoires gegenüber Plattformbetreibern möglich ist, wenn die gesetzlichen Regelungen dem nicht entgegenstehen. Eine neuartige Lizenzstruktur für die massenhafte Lizenzierung von Werken der Fotografie schafft man nicht über Nacht. Nach und nach sind alle Stakeholder in den Prozess einzubeziehen. Sobald der gesetzliche Rahmen für Deutschland steht – wir warten derzeit auf den Regierungsentwurf – können die Einzelheiten ausgearbeitet werden. Dabei wird insbesondere darauf zu achten sein, dass die Geschäftsmodelle professioneller Fotografen und Bildagenturen durch das Lizenzmodell nicht gestört werden“, so der geschäftsführende VG Vorstand.
ProfiFoto: Dr. Pappi, zu den Mitgliedern beziehungsweise stellvertretenden Mitgliedern im Verwaltungsrat der VG Bild Kunst gehören unter anderem Vertreter der Fotografenverbände FreeLens und BFF. Zu den Aufgaben des Verwaltungsrats gehört die Kontrolle der Arbeit des Vorstands. Grundsätzliche Strategien, wie etwa der Vorschlag zur Einführung einer Kollektivlizenz für Bild-Uploads, brauchen demnach die Zustimmung des Verwaltungsrats. Haben die genannten Anwenderverbände diesem Vorschlag zugestimmt?
Dr. Urban Pappi: Vorab: Die Rahmenbedingungen sind noch stark im Fluss. Daher weise ich darauf hin, dass es sich um work-in-progress handelt. Je nach konkreter Ausgestaltung des neuen gesetzlichen Rahmens werden sich einzelne Aspekte noch konkretisieren. Sobald der Regierungsentwurf vorliegt, könnten meine Antworten teilweise schon wieder überholt sein. Darauf hinzuweisen ist mir wichtig.
Als Verwertungsgesellschaft und Verein wird die Politik der Bild-Kunst von ihren Mitgliedern bestimmt. Die Mitgliederversammlung selbst entscheidet dabei alle grundlegenden Angelegenheiten des Vereins. Dazu zählen zum Beispiel die Fragen, welche Rechte die Bild-Kunst verwalten soll und wie die Einnahmen für diese Rechte verteilt werden sollen. Der Verwaltungsrat ist zuständig für die Festlegung der Rahmenbedingungen und Konditionen der Rechtevergabe an Lizenznehmer.
Im konkreten Fall der neuen Providerverantwortlichkeit hatte die Mitgliederversammlung der Bild-Kunst im Sommer 2019 den Wahrnehmungsvertrag für Fotografen um den Sachverhalt der Plattformlizenzierung erweitert. Hierin wurde und wird eine große Chance gesehen, der Branche neue kollektiv verwaltete Einnahmen zu verschaffen. Die Bild-Kunst plant jedoch nicht, über den Sachverhalt der Plattformlizenzierung hinaus die Verwaltung von Exklusivrechten für Fotografen anzubieten. Dies käme sowieso nur für Sachverhalte in Frage, in denen die individuelle Lizenzerteilung versagt.
Der Verwaltungsrat der Bild-Kunst hat die Entwicklung der Strategie zur Lizenzierung von Plattformanbietern von Anfang an begleitet und die Weichenstellung, wie zum Beispiel die Kooperation mit dem BVPA, abgesegnet. Da momentan die gesetzliche Grundlage in Deutschland für eine Lizenzierung von Plattformanbietern noch nicht in Kraft getreten ist, kann auch noch nicht über konkrete Tarifierungsfragen gesprochen werden.
Nach der Satzung der Bild-Kunst rekrutieren sich die Mitglieder des Verwaltungsrats aus der Mitgliedschaft. Stellvertretende Verwaltungsräte können auch Personen werden, die keine Mitglieder sind, jedoch über einen branchenspezifischen Sachverstand verfügen. Die Verbände FreeLens und BFF haben keinen offiziellen Sitz und Stimme im Verwaltungsrat. Berufsverbände und Gewerkschaften spielen jedoch im politischen Gefüge der Bild-Kunst eine wichtige Rolle, da die Mitglieder ihre Stimmen auf sie übertragen können und dies regelmäßig auch tun. Die Stimmführer der Verbände führen auf der Mitgliederversammlung und in den Berufsgruppenversammlungen deshalb die großen Stimmpakete, auf die es ankommt.
ProfiFoto: Der Vorschlag sieht vor, dass die Kollektiv- beziehungsweise Plattformlizenzen nur für Privatpersonen, nicht aber für nicht-kommerziell handelnde Personen gelten sollen, und dass Fotografen sogenannte „kommerziellen Nutzern“ weiterhin Lizenzen erteilen und diese für unberechtigte Nutzungen zur Rechenschaft ziehen können, weil hier nur die Haftung der jeweiligen Plattform ausgenommen sein soll. Abgesehen von Bedenken hinsichtlich der Trennschärfe der Begriffe „Privatperson“ und „kommerzieller Nutzer“ ist eine solche Trennung im letztendlich entscheidenden Text des Wahrnehmungsvertrages gar nicht enthalten?!?
Dr. Urban Pappi: Diese Thematik lässt sich nur auf der Grundlage des künftig in Deutschland geltenden Gesetzestextes beantworten. Derzeit warten wir auf den Regierungsentwurf für die Urheberrechtsreform. Nach dem Referentenentwurf vom 2. September 2020 sieht die vom Gesetzgeber vorgesehene Konstruktion wie folgt aus:
• Diensteanbieter im Sinne des geplanten Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG) werden verpflichtet, Lizenzen zu erwerben für die von ihren Usern hochgeladenen Inhalte.
• Wer seine eigenen Werke hochlädt, räumt dem Diensteanbieter die notwendigen Rechte (und mehr) über die AGB des Dienstes ein.
• Die Lizenzen professionell handelnder User (um den Begriff „kommerziell“ zu vermeiden), die ihre lizenzierten Werke auf Plattformen einstellen, wirken zugunsten der Plattformbetreiber (vgl. § 9 Absatz 2 des Referentenentwurfs). Umgekehrt erstrecken sich Lizenzen der Plattform- betreiber nicht auf das Handeln professionell handelnder User, wie sich aus dem Umkehrschluss zu § 9 Absatz 1 des Referentenentwurfs ergibt.
• Die Notwendigkeit des Erwerbs zusätzlicher Lizenzen besteht für den Diensteanbieter somit in den Fällen, in denen private User fremde Werke hochladen. Denn diese verschaffen sich in der Regel nicht die notwendigen weiterübertragbaren Lizenzen für ihre Uploads.
• Im Ergebnis soll sich eine Plattformlizenz nach dem Willen des Gesetzgebers auf Privatpersonen erstrecken, die keine wesentlichen Einnahmen mit dem Hochladen fremder Werke erzielen. Diese sollen aus der Haftung entlassen werden und scheiden deshalb als Kunden für die Fotografen aus, wenn die entsprechende Plattform einen Lizenzvertrag mit der Bild-Kunst abschließt.
Im Gesetzgebungsverfahren wird der Begriff der Kommerzialität von der Bild-Kunst kritisiert, da er wesentliche Marktplayer ausschließt, wie zum Beispiel die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wir bemühen uns, hier noch eine Schärfung des Begriffes zu erreichen.
ProfiFoto: Selbst wenn ein Mitglied der Rechteübertragung an die Bild-Kunst zustimmt, behält es demnach das Recht, kommerziellen Nutzern die Nutzungsrechte für eine Verwendung ihrer Werke auf Plattformen selbst einzuräumen, zum Beispiel im Zuge eines Auftrags. Gegen die Plattform selbst kann das Mitglied in diesem Fall aber nicht mehr vorgehen, wenn kommerzielle Nutzer ohne Erlaubnis Werke des Mitglieds auf eine Plattform hochladen. Oder doch?
Dr. Urban Pappi: Weil sich eine Plattformlizenz nicht auf das Handeln kommerziell tätiger Uploader erstreckt, folgt daraus, dass diese nach wie vor selbst eine Lizenz benötigen, siehe die Antwort auf Frage 2. Ein Fotograf kann somit gegen einen solchen Verwender seiner Werke auch direkt vorgehen.
Umgekehrt ist in § 9 Absatz 2 des Referentenentwurfs geregelt, dass im Normalfall des erlaubten Uploads die Lizenz des Uploaders auch die Tätigkeit der Plattform umfasst. Es kommt also nicht zu einer Doppelvergütung.
ProfiFoto: Im rechtlich verbindlichen Text des Wahrnehmungsvertrages finden sich diese Einschränkungen nicht wieder. Hier ist nur pauschal von den „Nutzern“ die Rede, eine Einschränkung hinsichtlich irgendwelcher Eigenschaften der Nutzer findet sich nicht. Damit wären jede natürliche und juristische Person, die als Nutzer der Plattformen auftritt, berechtigt, Bilder dort zu posten und zu nutzen. Egal ob es sich um einen Schüler, eine Partei oder einen Großkonzern handelt?!?
Dr. Urban Pappi: Eine Einschränkung des Rechteumfangs im Wahrnehmungsvertrag ist nicht notwendig. Die Bild-Kunst lässt sich von ihren Fotografen das Recht einräumen, Plattformbetreiber wie Facebook, Twitter, Pinterest und so weiter zu lizenzieren. Dies umfasst also nicht Schüler, Parteien oder Großkonzerne. Die Wirkung der Lizenzvergabe durch die Bild-Kunst an die Plattformen ergibt sich aus dem Gesetz selbst.
Darüber hinaus bleiben die Fotografen als Urheber stets im Besitz ihres Urheberpersönlichkeitsrechts. Auf dieser Grundlage können sie gegen Nutzungen vorgehen, die dieses verletzen. Wenn zum Beispiel eine bestimmte politische Partei ein Foto verwenden sollte oder ein Großkonzern zu Werbezwecken, dann kann der Fotograf dagegen unabhängig von irgendwelchen Lizenzen vorgehen.
ProfiFoto: Vielen Fotografen erscheint der Begriff der „exklusiven Rechteeinräumung“, der hier auftaucht, problematisch und diffus, denn „exklusive Rechte“ sind in der Regel vollumfänglich, eine Einschränkung ist nicht definiert, dies könnte also auch über die Dienstanbieter hinaus wirken, die VG mithin alle Nutzungsrechte an den Werken des Vertragsunterzeichners exklusiv für sich beanspruchen. Wie antworten Sie auf diese Einwände?
Dr. Urban Pappi: Wenn Verwertungsgesellschaften Exklusivrechte verwalten – die GEMA tut dies im großen Stil für Komponisten und Textdichter – dann lassen sie sich die Rechte über die entsprechenden Wahrnehmungsverträge zum Schutz der Künstler meistens exklusiv einräumen. Würden sie es nicht, könnten die Nutzer die Künstler unter Druck setzen, ihre Rechte an der Verwertungsgesellschaft vorbei günstiger oder vergütungsfrei zu lizenzieren.
Exklusive Rechteinräumung steht also im Gegensatz zur „einfachen Rechteeinräumung“ bei der der Urheber die Befugnis behält, weiteren Personen für den gleichen Sachverhalt Rechte einzuräumen.
Wichtig ist, dass die Exklusivität oder Nicht-Exklusivität der Rechteeinräumung nichts darüber aussagt, welche Nutzungssachverhalte umfasst sind. Im Wahrnehmungsvertrag der Bild-Kunst ist nur die Rechtenutzung von Plattformbetreibern umfasst. Wie schon erklärt, gibt es aktuell keine Pläne der Bild-Kunst, den Tätigkeitsbereich für Fotografen darüber hinaus auszuweiten. Denn sinnvoll ist die Tätigkeit der Bild-Kunst für ihre Fotografen nur bei massenhaften Werknutzungen, die von einzelnen nicht sinnvoll lizenziert werden können.
ProfiFoto: Für Fotografen entsteht das Problem, dass sie als VG Mitglieder schon dadurch, dass sie dem neuen Wahrnehmungsvertrag nicht widersprechen, bestehende Verträge mit Kunden, Abgebildeten etc. verletzen und da haftbar werden. Hat man übersehen, dass Fotografen keine Nutzungsrechte im Rahmen von Plattformlizenzen an Bildern vergeben können, an denen sie Kunden ein ausschließliches Nutzungsrecht (siehe UrhG §31 (3)) eingeräumt haben beziehungsweise, dass sie keine (i.d.R. lukrativen) ausschließlichen Nutzungs- rechte mehr an Bildern vergeben können, sobald sie den aktuellen Wahrnehmungsvertrag annehmen?
Dr. Urban Pappi: Den Fotografen stehen nach dem Referentenentwurf zwei Wege offen, wie sie mit Uploads ihrer Werke umgehen können: den Weg der Lizenzierung oder den Weg der Sperrung. Trotz ihrer neuen Haftung sollen Plattformbetreiber aber keine Pflicht haben, Lizenzen von einzelnen Fotografen zu erwerben. Wer den Weg der Lizenzierung gehen will, müsste sich also auch nach der Reform an die einzelnen Uploader wenden. Bei kommerziellen Nutzern entspricht dies der normalen Vorgehensweise – bei Privatpersonen stellt das dagegen ein aussichtsloses Unterfangen dar. Damit der Weg der Lizenzierung im letzten Fall trotzdem möglich wird, muss die Bild-Kunst ihre Plattformlizenz anbieten. Denn Plattformen sollen verpflichtet werden, mit Verwertungsgesellschaften zu verhandeln.
An diesen absehbaren gesetzlichen Vorgaben orientieren sich die Überlegungen der Bild-Kunst und des BVPA. Kein Konflikt wird dabei gesehen, wenn ein Fotograf einem kommerziell handelnden Kunden ein exklusives Recht einräumt und dieser Kunde das Foto auf einer Plattform verwendet. Denn in diesem Fall erstreckt sich die Plattformlizenz nicht auf das Handeln des Kunden des Fotografen.
Anders sieht es aus, wenn ein Kunde von einem Fotografen gerade deswegen ein exklusives Nutzungs- recht verlangt, weil er jede Verwendung des Fotos auf Social-Media-Plattformen unterbinden will. Über die Plattformlizenz wäre das Hochladen des Fotos durch Privatpersonen legalisiert. In diesem Fall müsste ein Opt-out für das spezielle Werk ermöglicht werden, damit die Interessen des Fotografen und seines Kunden gewahrt bleiben.
Normalerweise ist es Mitgliedern von Verwertungsgesellschaften nur gestattet, ganze Rechte aus dem Wahrnehmungsvertrag auszunehmen, die sich dann auf alle Werke des Betreffenden beziehen (kein „Rosinenpicken“). Im vorliegenden Fall würde aber gerade diese Möglichkeit der Einzelfall-Ausnahme zielführend sein. Sobald der Wahrnehmungsvertrag an den Text der deutschen Urheberrechtsreform angepasst werden wird, kann eine solche Möglichkeit vorgesehen werden, die dann wirksam wäre, bevor die erste Lizenz an Plattformen vergeben wird. (Der gegenwärtige Text des Wahrnehmungsvertrags wurde noch auf der Grundlage des Textes der EU-Richtlinie entworfen und enthält kein Finetuning.)
ProfiFoto: Kann, wer als Fotograf die Nutzungsrechte exklusiv zur Vermarktung seiner Bilder an eine Agentur gegeben hat, diese Rechte einfach auch noch zusätzlich der VG Bild übertragen?
Dr. Urban Pappi: Ein solcher Fotograf kann ohne Probleme den Wahrnehmungsvertrag unterschreiben, da die neue Plattformlizenz ja in Kooperation mit den Bildagenturen konzipiert wird. Der Gesetzgeber hat für solche Fälle eine Regelung im Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) getroffen: Nach § 27 Absatz 2 kommt es nicht darauf an, ob – in diesem Fall – der Fotograf seine Rechte wirksam an die Agentur und diese an die VG oder ob er seine Rechte direkt an die VG übertragen hat. Die Aufteilung der Erlöse erfolgt nach einer im Verteilungsplan festzulegenden Quote.
ProfiFoto: Was geschieht in Fällen, in denen Fotografen gegenüber Kunden und Abgebildeten schadenersatzpflichtig werden, wenn zum Beispiel Bilder, bei denen das Modelrelease oder der Werkvertrag Einschränkungen in der Nutzung/Lizensierung durch den Fotografen vorsieht, in den sozialen Medien gepostet werden, die der Fotograf über die VG lizensiert hat? Fotografen, die dem aktuellen Wahrnehmungsvertrag nicht widersprochen haben, befürchten schon jetzt, damit Verträge mit ihren Kunden verletzt zu haben.
Dr. Urban Pappi: Diese Fallkonstellation sollte kein Problem darstellen: der Fotograf überträgt der Bild-Kunst im Wahrnehmungsvertrag für die Plattformlizenzierung nur die aus seinem Urheberrecht folgenden Verwertungsrechte an seinen Werken, keine sonstigen Rechte. Die Bild-Kunst kann somit den Plattformen auch nur diese urheberrechtlichen Nutzungsrechte einräumen.
Als Nutzer der Werke im urheberrechtlichen Sinn ist nach dem neuen Gesetz der Plattformbetreiber einzustufen. Ob das auch für die Klärung von Persönlichkeitsrechten gilt, ist fraglich. Wahrscheinlich ist hier nach wie vor der uploadende User verantwortlich, nicht aber der Fotograf. Im Normalfall lässt sich ein Auftraggeber von seinem Fotografen eine Freistellung einräumen für die Klärung sonstiger Rechte. Auf dieser Freistellung beruht die Haftung des Fotografen bei einer Rechteverletzung. Die Plattformbetreiber werden aber von der Bild-Kunst nicht für sonstige Rechte freigestellt.
In der Praxis werden diejenigen Models oder abgebildete Personen, deren Persönlichkeitsrechte ggf. verletzt werden, wie bereits bisher gegen die Verwendung des Fotos auf Plattformen gegenüber den
Plattformbetreibern vorgehen können unabhängig davon, ob es hinsichtlich dieser Rechte zu einer Haftungsverschiebung von den Uploadern auf die Plattformbetreiber gekommen ist.
Sollte im Einzelfall aber der Fotograf selbst dem Model für die Einschränkungen haften, hat er die Möglichkeit des Opt-out.
ProfiFoto: Neben den finanziellen Aspekten regelt das Urheberrecht unter anderem auch die Kontrolle des Urhebers über die Verwendung seiner eigenen Werke. Verlieren Fotografen hier nicht die Möglichkeit, gegen Nutzungen ihrer Werke, die ihrem Ruf oder dem Ruf der Abgebildeten schaden können, vorgehen zu können?
Dr. Urban Pappi: Nein, das tun sie nicht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht verbleibt stets beim Fotografen. Dies ist auch in § 13 Absatz 3 des Referentenentwurfs zum UrhDaG klargestellt.
ProfiFoto: Wie will die VG die Einnahmen gerecht verteilen, wenn gar nicht transparent wird, was wie oft genutzt wird?
Dr. Urban Pappi: Eine wichtige Expertise von Verwertungsgesellschaften liegt gerade darin begründet, pauschale Einnahmen möglichst leistungsgerecht zu verteilen. Der bestehende Verteilungsplan regelt auf diese Weise zum Beispiel die Verteilung der Privatkopievergütung, für die es ebenfalls keine Nutzungsmeldungen oder Nutzungsstatistiken gibt.
Die in der Bild-Kunst vereinten Fotografen und Bildagenturen werden rechtzeitig ein Modell zur Verteilung neuer Einnahmen entwickeln. Erst muss aber der Gesetzentwurf zur Reform des Urheberrechts in Kraft treten und der gesetzliche Rahmen feststehen.
ProfiFoto: Es soll ein Opt-Out geben, um als Fotograf der Teilnahme an dem Verfahren zu widersprechen. Wie soll das funktionieren?
Dr. Urban Pappi: Grundsätzlich soll den Plattformbetreibern durch die Lizenz der Bild-Kunst Rechtssicherheit verkauft werden. Es soll möglichst das Weltrepertoire der professionellen Fotografie eingeräumt werden, was nur durch umfangreiche Kooperation mit den Bildagenturen gelingen kann. Im Gegenzug kann von den Plattformbetreibern erstmalig eine substanzielle Vergütung für die (bislang rechtswidrige) Rechtenutzung verlangt werden, an der die Fotografen natürlich profitieren.
Wenn ein Fotograf seine Rechte trotz der anvisierten Vorteile der Bild-Kunst nicht einräumen will, kann er die Rechteübertragung für den Plattform-Sachverhalt kündigen. Diese Kündigung betrifft dann alle seine Werke der Fotografie. Wie bereits dargelegt, sollte zusätzlich auch die Möglichkeit des Opt-out für einzelne Werke ermöglicht werden.
Wer einzelne oder alle seine Werke ausnimmt, wird diese über einen vom Gesetzgeber noch zu beschreibenden Mechanismus in ein Werkregister eintragen müssen, auf das die Plattformen Zugang erhalten. Schließlich können Plattformen einen Upload von Werken nur dann wirksam unterbinden, wenn sie Kenntnis von diesen haben. Im Unterschied zu heute reduziert sich der Aufwand eines Fotografen, der eine Werknutzung verhindern will: er muss sich nicht mehr mit einer Vielzahl an Plattformen auseinandersetzen, sondern lädt das fragliche Werk nur einmal in ein offizielles Werkregister hoch.
Es ist allerdings zu bedenken, dass der Gesetzgeber ein Interesse daran hat, so genannte „Uploadfilter“ so weit es geht zu verhindern. Im Referentenentwurf ist vorgesehen, dass Fotos mit einem Datenvolumen von bis zu 250 KB erlaubnisfrei hochgeladen werden können. Die Bild-Kunst setzt sich im Gesetzgebungsprozess dafür ein, den Fotografen mehr Kontrolle über ihre Werke zu verschaffen, und fordert die Streichung dieser so genannten „Bagatellschranke“. Außerdem weist sie darauf hin, dass der Parameter des Datenvolumens zur Abgrenzung untauglich ist.
ProfiFoto: Für eine durchführbare Opt-Out-Option benötigt man ein funktionsfähiges Werkverzeichnis. Wenn dieses daher ohnehin erstellt und abgefragt werden muss, warum kann es dann nicht auch gleich als Grundlage für eine individuelle Abrechnung dienen? Und wo liegt der Unterschied zum Uploadfilter, der z.B. nur Bilder zulassen würde, bei denen der Urheber zustimmt (Opt-In)? Wer organisiert und bezahlt das Opt-Out? Die Plattformen, oder die VG und damit alle ihre Mitglieder? Oder diejenigen, die das Opt-Out wollen?
Dr. Urban Pappi: Mit dem Modell der erweiterten Kollektivlizenz, das nach dem Willen des Gesetzgebers absehbar bei der Plattformlizenzierung eingesetzt werden soll und über das auch die Rechte von Außenstehenden (also Urhebern, die nicht Mitglied in einer Verwertungsgesellschaft sind) erfasst werden, soll die Anwendung von Filtern so weit wie möglich verhindert werden. Nur im Falle eines durch den einzelnen Rechteinhaber erklärten Opt-out müssen den Plattformen im Zweifel die Bilder zur Verfügung gestellt werden, damit die weitere Nutzung unterbunden, sprich automatisch blockiert werden kann.
Würde man hingegen anhand von Werkverzeichnissen lizenzieren wollen, dann müssten zunächst einmal alle Werke der Plattform zur Verfügung gestellt werden, damit ein automatischer Abgleich erfolgen kann, ob ein Werk genutzt werden darf, ob es genutzt wird und damit einen Vergütungsanspruch auslöst. Das sind unglaubliche Datenmengen, die so verarbeitet werden müssten – ganz abgesehen davon, dass ganz bestimmt nicht jeder alle seine Werke den Plattformen zur Verfügung stellen will.
Wie dargelegt, ist der Opt-out-Mechanismus bei der erweiterten Kollektivlizenz vom Gesetzgeber eingerichtet. Die nähere Ausgestaltung ist einer Rechtsverordnung vorbehalten, die derzeit noch nicht existiert. Diese Verordnung wird die Modalitäten des Opt-out regeln. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Plattformen in die Pflicht genommen werden, ein einfaches und transparentes Opt-out-Verfahren anzubieten.
ProfiFoto: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Dr. Urban Pappi (Jahrgang 1969) ist geschäftsführender Vorstand der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Er führt die Geschäftsstelle in Bonn mit rund 50 Mitarbeitern.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in München mit anschließendem Referendariat im Regierungsbezirk Oberbayern von 1997 bis 1999 als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Urheber- und Medienrecht in München. Er promovierte über ein rundfunkrechtliches Thema bei Prof. Dr. Manfred Rehbinder in Freiburg. Im Anschluss war er elf Jahre für die GEMA in München tätig. Zuletzt verantwortete er die gesamte Lizenztätigkeit in den Bereichen Rundfunk und Internet und war Geschäftsführer einer abhängigen Lizenzierungseinheit für ein Online- Verlagsrepertoire. Zum Jahresbeginn 2012 übernahm er seine jetzige Position bei der VG Bild-Kunst von Prof. Gerhard Pfennig.