Corona hat auch massive Auswirkungen auf den Kunstmarkt: Wegen geschlossener Ausstellungen, fehlendem Vernissage-Publikum, abgesagter Kunstmessen und ohne internationale Besucher rechneten deutsche Galeristen laut einer IFSE-Studie ohnehin schon mit einem Umsatzrückgang von rund einem Drittel. Im November fiel dann auch noch die Paris Photo aus. Wir wollten wissen:
1. Wie hat sich Corona ganz konkret auf Ihren Galerienbetrieb ausgewirkt?
2. Mit welchen Langzeitfolgen für den Kunstbetrieb müssen wir in Deutschland rechnen?
3. Wie gehen die von Ihnen vertretenen (Foto)künstler mit der Situation um?
Ute Hartjen, Vorstand der Camera Work AG, camerawork.de
1.
Wir halten uns seit Beginn der Pandemie eng an die Vorgaben des Berliner Senats und der Gesundheitsämter. Im Zuge des Lockdowns im Frühjahr haben wir die Galerie Camera Work für den Kundenverkehr für rund sechs Wochen schließen müssen. Diese Zeit wurde beispielsweise für Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen der Galerie genutzt. Gleichzeitig haben wir uns strategisch auf die Situation eingestellt und ein Konzept entwickelt, die Präsentation, Vermittlung und den Verkauf der Kunst an die veränderte Lage anzupassen. Als eine der international führenden Fotokunstgalerien agieren wir auf mehreren Säulen – der stationäre Galeriebetrieb ist eine davon. Eine Online-Strategie mussten wir jedoch, anders als über viele Galerien berichtet wird, nicht adhoc neu entwerfen. Unser bereits vor vielen Jahren langfristig angelegtes Online-Konzept ist lediglich beschleunigt und intensiviert worden. So wurde die Planung der innovativen Camera Work Virtual Gallery fertiggestellt, die im November gelauncht wird. Der persönliche Kontakt zu Sammlern wurde verstärkt digitalisiert. Unser Expertenteam, das international hohe Ansehen und Vertrauen in Camera Work, die Innovationskraft und natürlich das exklusive Künstlerportfolio tragen dazu bei, dass wir auch im Jahr 2020 wachsen und unsere Marktposition ausbauen.
2.
Unsere Stellung auf dem weltweiten Kunstmarkt macht uns krisenfest. Die Abhängigkeiten sind breit verteilt und können ausgeglichen werden. Viele kleine Galerien, die tagtäglich hervorragende Arbeit leisten, sind leider die Leidtragenden. Sie sind oftmals alleinig vom stationären Galeriegeschäft abhängig oder machen die Hauptumsätze eines Jahres auf Messen. Diese Säulen sind eingebrochen und werden zwangsläufig zu Veränderungen in der Galerienlandschaft führen. Der weltweite Kunstmarkt verändert sich fortlaufend. Wer diesen Prozess in den vergangenen zehn Jahren nicht analysiert hat und auf sein Galeriegeschäft umsetzen konnte, für den wirkt das Jahr 2020 wie ein Katalysator. Man kann in Deutschland aber vom Standortvorteil und von dem wirksamen Maßnahmenpaket im Frühjahr des Jahres profitieren: So können Galerien in starken Märkten wie den USA oder Großbritannien bis heute nicht ansatzweise einen regulären Galeriebetrieb für Kunden ermöglichen. Teilweise ist das Geschäft aufgrund von Verordnungen völlig zum Erliegen gekommen. Diesen sich ergebenen Wettbewerbsvorteil können Galerien in Deutschland nutzen.
3.
Unsere Prämisse war von Beginn der Pandemie an, unsere Künstler auf allen Wegen zu unterstützen. Als Exklusivgalerie für viele Künstler tragen wir eine große Verantwortung dafür, dass sie ihre Arbeit fortsetzen können. Planungsunsicherheiten von Museen und abgesagte Messen verringern die Sichtbarkeit von Kunst. Diesen Verlust müssen wir als Galerie kompensieren und unser Möglichstes dazu beitragen, dass die Künstler ihren bedeutenden Beitrag zur kulturellen Identitätsstiftung fortführen können. Daher wurde keine einzige Ausstellung abgesagt und stattdessen jede pragmatische Option genutzt, Kunst weiterhin sichtbar zu machen. Diese Einstellung erleben wir auch bei vielen unserer Künstler. So hat Christian Tagliavini, dessen komplexe künstlerische Arbeit von vielen Faktoren abhängt, während der Pandemie seinen Workflow umgestellt und seine neue Serie „Circesque“ fertiggestellt. Sie wird wie geplant ab Dezember 2020 bei uns gezeigt. Martin Schoeller führte seine „Close Up“-Porträtserie aufgrund fehlender Aufträge von Magazinen auf den Straßen New Yorks fort. Zeitgleich fand seine bislang erfolgreichste Galerieausstellung in 20 Jahren seiner Karriere im Sommer bei Camera Work statt. Dazu waren große Museumsausstellungen mit seinen Werken in Essen und im NRW-Forum in Düsseldorf zu sehen. Und Künstler wie Nick Brandt, die für ihre Werke international reisen müssen, haben ihren Zeitplan angepasst. Ein nach vorne ausgerichteter Blick und eine vertrauensvolle Beziehung zur Galerie als künstlerisches Zuhause helfen natürlich.
Susanne Breidenbach, Inhaberin der Galerie m, galerie-m.com
1.
Messen fallen aus. Eröffnungen finden nicht oder nur im kleinen Rahmen statt.
Der zeitweise Entzug kulturellen Lebens hat bei den Menschen das Bedürfnis nach Kulturerfahrung und dem Austausch darüber verstärkt. Wir stellen fest, dass die Neugier und Offenheit auf künstlerische Sichtweisen weiterhin besteht und von besonderer Intensität ist.
2.
Es ist schwierig vorherzusagen, wo die Kunstinstitutionen in ein paar Monaten stehen, geschweige denn von der Situation in einigen Jahren. Die zunehmende Digitalisierung wird für die Kunstvermittlung eine immer größere Rolle spielen. Es scheint aber, dass das „Analoge“, das „Reale“ gleichzeitig mehr Wertschätzung finden. Wirtschaftlich gesehen ist es fraglich, wie viele Kunstbetriebe ohne Förderung überleben werden.
3.
Sie arbeiten weiter an vielfältigen, spannenden Projekten!
Thomas Zander, Inhaber der Galerie Thomas Zander, galeriezander.com
1.
Wie bei jedem anderen auch. Wir können keine Eröffnungen mehr veranstalten und die waren immer unsere Highlights im Galerienprogramm. Es gibt keine Eröffnungsreden und keine Führungen mehr. Natürlich machen wir alternativ Programm drumherum, aber das ist aufwendiger und kleinteiliger und einfach nicht das gleiche wie bislang. Wir gehören zwar nicht zu den Galerien, die auch bei den Eröffnungen selbst Bilder verkaufen, aber ohne die Eröffnungen fehlt es Besuchern einfach an einem Anlass, in die Galerie zu kommen, sich zu treffen und um über die Kunst zu sprechen. Auch private Dinner mit Sammlern, Kuratoren und Künstlern sind nicht mehr möglich. Und natürlich fallen auch die Messen weg, auf denen wir Umsatz machen und mit Sammlern und Museumsleuten ins Gespräch kommen.
Viele klammern sich nun an den Strohhalm der Online-Präsentationen und -Verkäufe, aber dafür muss man sehr viel Aufwand betreiben und am Ende fehlt online immer etwas, weil auf dem Display alles gleich dargestellt wird und die Stimmung und die Erinnerung an eine Ausstellung, an ein Treffen oder ein Gespräch fehlt.
Das Problem ist: Wir wissen nicht, wie lange die Pandemie dauern wird.
2.
Das kommt darauf an, wie lange die Pandemie noch dauern wird. Wenn das ganze noch ein Jahr so weiter geht, dann wird es in der Galerienlandschaft genauso sein wie in der Gastronomie: Es werden sehr viele schließen müssen. Und wenn Corona überstanden ist, wird denen dann die Motivation fehlen, wieder bei Null anzufangen.
Wenn wir aber wüssten, dass im April alles wieder starten kann, dann wird sich der Markt in zwei Jahren erholt und normalisiert haben. Manche Galerie werden auch gut beraten sein, zu schließen, um ihre Kosten niedrig zu halten: Wenn ich jeden Monat 100.000 Euro Ausgaben, aber nur 50.000 Euro Einnahmen habe, kann sich jeder für sich ausrechnen, wie lange das Geld ausreicht. Man kann dann einfach weiter machen und hoffen, dass es möglichst schnell vorbei ist. Oder man kann die Reißleine ziehen und aufhören, sein Erspartes zu investieren und die Galerie vorsorglich schließen. Das heißt nicht, dass man deshalb bankrott ist – vielleicht ist man dann einfach nur clever und versenkt nicht noch mehr Geld. Die Frage ist nur, ob man die Galerie dann nach drei Jahren wieder eröffnen und einen Restart wagen kann – und ob die Künstler dann noch dabei sind. Außerdem hat man als Galerie seinen Künstlern gegenüber auch eine Verpflichtung und ich bin mit vielen meiner Künstler auch befreundet – da hört man nicht einfach so auf.
Aber eines ist sicher: Wenn die Krise noch ein weiteres Jahr anhält, dann werden das ALLE Galerien zu spüren bekommen. Aktuell machen alle ihre Hausaufgaben und stellen sich neu auf – wir werden erst später sehen, wer die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Und wie bei jeder unternehmerischen Entscheidung hängt der Erfolg zuletzt auch ein wenig vom Glück ab.
3.
Viele meiner Künstler sind etabliert und leben in den USA und die haben mit Trump und den Waldbränden noch ganz andere Sorgen. Aber in den vergangenen Monaten haben sie oft die Zeit genutzt, um an Büchern zu arbeiten, um sich um ihr Archiv zu kümmern und Liegengebliebenes aufgearbeitet. Problematisch ist die Situation eher für Künstler, die vom Markt gehypt werden, die in kurzer Zeit zu Geld gekommen sind und die sich eine Infrastruktur aufgebaut haben, die nun laufende Kosten verursacht mit einem großen Atelier, Mitarbeitern und hohen Leasing-Raten für ihr neues Auto. Das größere Problem ist, dass Künstler gerade auch nicht an Museen verkaufen können. Tatsächlich aber ist es noch zu früh, um die Frage wirklich beantworten zu können.
Robert Morat, Inhaber der Galerie Robert Morat, robertmorat.de
1.
Zunächst einmal ganz konkret natürlich dadurch, dass die Galerie von Mitte März bis Mitte Mai geschlossen war. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Galeriebetrieb im Laufe des Jahres zweimal Hochsaison hat, nämlich im Frühjahr und im Herbst, dann wird klar, dass diese Schließung sozusagen „zur Unzeit“ kam. Das Gallery Weekend Berlin wurde verschoben, wir waren in den Vorbereitungen für einen Messeauftritt in New York im April, der abgesagt wurde, für Mitte März war eine Eröffnung geplant, die natürlich ausfiel und verschoben werden musste, die im Anschluss geplante Ausstellung musste abgesagt werden, für eine geplante Ausstellung im Herbst wurde unter diesen Umständen das Buch nicht rechtzeitig fertig und wir mussten auch da neu planen – also Corona hat die Dinge zum Stillstand gebracht und war dann erst einmal eine logistische bzw. organisatorische Herausforderung. Die zweite Herausforderung war die der Kommunikation – wir wollten natürlich auch während der Schließung und danach in einer Zeit von Kontakt- und Reisebeschränkungen weiterhin mit unserem Publikum und unseren Sammlern in Kontakt bleiben und unseren Künstlern Sichtbarkeit verschaffen. Das hat zu einer Verstärkung der Online-Aktivitäten geführt. Über die App von Artland sind unsere Ausstellungen schon seit einiger Zeit auch online mit Hilfe von virtuellen 3D-Rundgängen besuchbar, wir haben auf Instagram und Youtube eine Serie von Künstlergesprächen begonnen, die wir „Gallery Talks“ nennen, wir verschicken vermehrt Newsletter und ich telefoniere noch mehr als zuvor.
Ich will aber auch sagen, dass wir die ganze Zeit, auch während des Shutdowns im Frühjahr, weiterhin kontinuierlich verkauft haben. Wir haben bestimmt keine Rekordumsätze gemacht, aber es gab einige längere Gespräche, die in dieser Zeit zum Abschluss kamen, es gab loyale Sammler, die in dieser Zeit ein wenig schneller als üblich zu einer Kaufentscheidung kamen und es gab viele interessante Neukontakte z. B. als das Gallery Weekend dann endlich im September stattfand. Da wir gleichzeitig auch viele Kosten eingespart haben, dadurch, dass Messeauftritte und Festivals ausblieben, hatte Corona bisher für uns – ich klopfe auf Holz! – relativ überschaubare wirtschaftliche Auswirkungen. Die alles entscheidende Frage ist nun, ob es angesichts steigender Infektionszahlen jetzt im Herbst und Winter zu einem zweitem Shutdown kommt. Eine zweite Vollbremsung wäre fatal.
2.
Das ist schwer abzusehen und hängt von so vielen Faktoren ab. Bekommen wir einen zweiten, langen Shutdown? Bekommen wir im Frühjahr ein wirksames Medikament und die Möglichkeit der Impfung? Ich glaube, dass sich viele Kollegen am Markt dank staatlicher Hilfen und dank eigener innovativer Aktivitäten im Augenblick noch ganz gut über Wasser halten können, aber die Situation kann schnell kippen und ist fragil, die Ressourcen sind aufgebraucht. Wenn wir nicht bald zu einer gewissen Normalität zurück finden, wird es ein ziemlich dramatisches Galerien-Sterben geben. Und zwar hauptsächlich im Mittelbau. Die großen, internationalen Mega-Galerien haben einen langen Atem und die ganz kleinen spezialisierten Galerien, wie wir eine sind, können dank der überschaubaren monatlichen Fixkosten auch recht flexibel reagieren, aber der Mittelstand, der wird es schwer haben. Wer fünf oder sechs Mitarbeiter auf der Gehaltsliste hat und große Räume in guter Lage bespielt – was da so an monatlichen Kosten zu Buche schlägt, muss ja erst einmal verdient werden.
Der zweite Bereich, um den ich mir Sorgen mache, ist die Ausbildung. Wie viele junge Menschen entscheiden sich angesichts der aktuell unsicheren Aussichten jetzt gegen ein Studium an der Kunsthochschule oder der Foto-Schule? Welche spannenden, interessanten, wichtigen Positionen wird es in fünf oder zehn Jahren nicht geben?
3.
Jeder geht individuell und anders mit der Situation um, die oder der eine stürzt sich in die Arbeit und ist geradezu euphorisch, der oder die andere kann gerade nicht so gut arbeiten, sitzt dafür aber vielleicht konzentriert am Editing für das nächste Buch oder bereitet eine Ausstellung vor. Ich habe jedenfalls in den letzten Wochen und Monaten bei Atelierbesuchen wirklich unglaublich spannende Arbeiten gesehen. Die Zeit des Shutdowns und des Social Distancings haben Raum gegeben für viel Kreativität. Ich glaube, dass wir im kommenden Jahr und danach ganz fantastische neue Arbeiten sehen werden.
Julian Sander, Inhaber der Galerie Julian Sander, galeriejuliansander.de
1.
Covid hat sich für mich und die Galerie hauptsächlich so ausgewirkt, dass die bis dahin laufenden Projekte und Akquisitionen weitestgehend und erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben worden sind. Die Messen, meine Reisen und die damit verbundenen Treffen mit Kunden und Kollegen fielen zum größten Teil aus. Nach den ersten Wochen fingen aber Leute in Köln an meine Galerie zu besuchen. Es waren meistens Menschen, die ich noch nie in der Galerie gesehen habe. Die Menschen suchten nach eine Möglichkeit heraus zu kommen und ein bissen Kultur zu erleben. Da ich meine Ausstellungsfläche öffnen durfte, haben das einige Menschen genutzt. Ich habe auch monatelang zwei Mal pro Woche eine Online-Live-Schaltung gemacht, in der ich einfach über Kunst und die Welt gesprochen habe. Das werde ich auch mit einer Galerie Julian Sander TV- Season 2 weiter führen. Ich will nicht leugnen, dass die Zeiten hart sind, aber so geht es fast allen. Die Begegnungen sind dafür umso menschlicher, mit viel Zeit und Interesse.
2.
Ich gehe davon aus, dass sich der Kunstkalender gewaltig ändern wird. Egal, wie gefährlich Covid tatsächlich ist: Die Gesellschaft hat einen Schock erlebt, den sie erst einmal überwinden muss. Ich denke, das Galerien eine gute Chance haben, wieder mehr in ihren Räumen zu machen und eine größere Resonanz zu bekommen. Vor allem die Menschen, die aus dem Umland kommen, werden diese Möglichkeit bestimmt nutzen. Ich habe mit großem Erstaunen und großer Skepsis die ganzen virtuellen Ausstellungen beobachtet, die wie Pilze aus dem Boden geschossen kamen. Das ist aber ein Erlebnis, das nur ein Schatten der Objektbetrachtung bietet. Da können so viele Menschen von Millionen-Verkäufe sprechen wie sie wollen. Kunst wird real und physisch erlebt – nicht virtuell. Mit Ausnahme der Kunstformen, die sich das Virtuelle zu eigen machen. Ich hoffe, dass meine Kollegen die Gelegenheit nutzen, wieder den offenen Diskurs in den eigenen Räumen zu fördern und dass die Besucher dieses auch in Anspruch nehmen.
3.
Aria Watson, Sean Hemmerle und Jory Hull leben alle in den USA und müssen die Katastrophe dort durchleben. Die kommen irgendwie alle klar, wie es auch dem erfinderischen Geist des Künstlers gebührt. Sean Hemmerle hat eine fantastische Serie von Stadtbildern mit menschenleeren Straßen in New York City gemacht. Wir werden diese „Ghosts“ auf der kommenden Art Cologne zeigen. Isabella Armand arbeitet weiter an Ihren Projekten mit „The Innocence Project“ (https://www.innocenceproject.org/) trotz der Covid-Situation in den USA. Ihr Mut und ihr Durchhaltevermögen sind beachtlich. Alfredo Srur, der in Argentinien lebt, muss mit Covid und der korrupten argentinischen Regierung klar kommen. Das ist schwer, aber Argentinien ist ein hartes Pflaster. Er ist weiter bemüht um die „Centro de Investigación Fotográfico Histórico Argentino” (https://www.cifha.org.ar/), das sich mit der argentinischen Fotogeschichte auseinandersetzt. Oliver Abraham ist in Köln und ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Wir sind in Deutschland sehr gut aufgehoben und können dafür dankbar sein. Natürlich könnten alle meine Künstler es gut gebrauchen, wenn ein paar Bilder verkauft werden würden, und so versuche ich das für sie zu verwirklichen. Doch trotz aller schlechten Nachrichten: In schwierigen Zeiten sehen wir den wahren Charakter der Menschen und ich sehe sehr viel Zuversicht und erfinderischen Geist. Ich sehe auch, wie wir als Kulturgemeinde versuchen uns gegenseitig zu helfen, wo es möglich ist. Das ist ein positives Zeichen, das mir Hoffnung gibt. Möge das ansteckend und nachhaltig sein!
Priska Pasquer, Inhaberin der Galerie Priska Pasquer, priskapasquer.art
1.
Bei uns war die Situation, dass wir mit 400 Quadratmetern riesige Galerieräume hatten, die wir im Lockdown schließen mussten. Ich saß dann mit meinen Mitarbeiterinnen wochenlang alleine darin. Dabei hat die Galerie immer davon gelebt, dass wir sehr viele Veranstaltungen in ihr durchgeführt haben und sehr viel Publikum hier hatten – so war sie ja auch ausgelegt: Als Ort der Begegnung und des Gesprächs. Erschwerend kam hinzu, dass ich eigentlich mein 20. Galeriejubiläum mit einer großen Ausstellung feiern wollte. Wir haben die Ausstellung dann auch gemacht, aber nur einzelne Besucher und Besucherinnen hinein gelassen. Dafür haben wir sehr viele Instagram Live-Talks mit unseren Künstlern und Künstlerinnen veranstaltet. Wir wollten damit einen Ersatz für die echten Begegnungen schaffen und authentisch sein und nicht einfach nur toll produzierte Videos von unseren Galerieräumen online stellen. Die Live-Talks sind sehr gut angekommen und wir haben eine sehr treue Fan-Gemeinde gehabt.
Erleichternd ist natürlich, dass wir bereits seit 2013 einen sehr guten Online-Shop haben und diesen nicht erst aufbauen mussten. Und tatsächlich haben wir auch gemerkt, dass die Frequenz im Online-Shop zugenommen hat. Aber auch die Kontakte über Plattformen wie Artnet, Artsy und Artland haben stark zugenommen.
Da Mitte August mein Mietvertrag für die Galerie nach fünf Jahren ohnehin auslief und ich vor der Entscheidung stand, ihn zu verlängern oder nicht, habe mich wegen der Corona-Situation dagegen entschieden. Dennoch geht das Ausstellungsprogramm weiter – nur eben zwischenzeitlich in anderen Räumen.
2. Mit welchen Langzeitfolgen für den Kunstbetrieb müssen wir in Deutschland rechnen?
Auch hier müssen wir feststellen, dass die Bedeutung des deutschen Kunstmarktes im internationalen Vergleich eher gering ist und nur zwei Prozent des weltweiten Umsatzes ausmacht. Gleichzeitig sind deutsche Künstler und Künstlerinnen international von großer Bedeutung. 17 Prozent der deutschen Galerien erwirtschaften zusammen genommen 80 Prozent des Umsatzes aller deutschen Galerien. Es ist wichtig, solche Zusammenhänge zu untersuchen und öffentlich zu machen, denn dem Markt geht es in Deutschland schlechter als es nach außen hin scheint. Deshalb wird es ein Galeriensterben geben, wenn die Auswirkungen von Corona noch länger anhalten. Mittlere Galerien wie wir müssen viel Umsatz machen, um ihre Kosten wie Mitarbeiter, Miete, Messen, Website, Transporte, Rahmungen, Presse, Kunstplattformen und so weiter zahlen zu können, aber einen großen Teil des Umsatzes machen Galerien über Messen, die aktuell kaum stattfinden. Corona wirkt hier wie ein Brennglas, dass die schlechten Strukturen des Kunstmarktes sichtbar macht.
3. Wie gehen die von Ihnen vertretenen (Foto)künstler mit der Situation um?
Da muss man sicherlich zwischen Malern oder auch Videokünstlern auf der einen und Fotografen auf der anderen Seite. Für Maler hat sich im Alltag nicht viel verändert, weil sie weiterhin in ihr Atelier gehen und malen können. Fotografen sind aber per se viel in der ganzen Welt unterwegs, müssen also reisen und Menschen treffen und das ist teilweise gar nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt möglich gewesen. Das heißt aber nicht, dass sie wegen Corona die Hände in den Schoß gelegt hätten. Im Gegenteil: Alle Künstler und Künstlerinnen waren unheimlich fleißig und haben stattdessen an anderen Projekten gearbeitet, für die sonst die Zeit oder die Muße fehlte. Pieter Hugo ist mit seinem Studiu umgezogen und hat an einem Buch gearbeitet, Johanna Reich ist ja auch Professorin in München und hat Online sehr viel mit ihren Studenten gemacht, um nur zwei Beispiele zu nennen. Gleichzeitig macht Corona aber auch deutlich, dass die gesamte Kulturbranche sehr schlecht dasteht und die Pandemie für viele finanziell eine Katastrophe bedeutet.
Foto oben: Petra Gerwers