Alle zwei bis drei Jahre bietet der bekannte Profifotograf und Wahl-Kalifornier Guido Karp, 57, Workshops an, in denen er in schonungsloser Offenheit darüber spricht, worauf es im Foto-Business ankommt. Die aktuelle Coronakrise nimmt Karp jetzt als Herausforderung: „we take it to the next level“ strahlt der 57-Jährige.
ProfiFoto: Guido, was verbirgt sich hinter #karpademy?
Guido Karp: Schon seit vielen Jahren reizt mich der Gedanke, eine Handvoll Fotografen über einen längeren Zeitraum, z.B. ein Jahr, zu coachen. Motivationsgeber war hier mein einwöchiger Los Angeles-Event. In Tages-Workshops versichern mir die Teilnehmer zwar oft, viel mitgenommen zu haben, aber nur die tägliche Übung lässt das Gelernte in Fleisch und Blut übergehen.
Eine Akademie? Was genau erwartet die Teilnehmer?
#karpademy ist keine Grundausbildung, sondern richtet sich an Fotografen, die ihr Business kennen und beherrschen, aber den Blick von außen brauchen, weil sie zu eingefahren sind. Mein Ziel ist es, dieses Business „to the next level“ zu bringen. Ich will den Ertrag trotz Krise pro Jahr um mindestens 25 % erhöhen. Die Fotografie ist – seriös betrieben – ein Geschäft. Die „Begehrlichkeit” als Faktor reicht am Ende leider nicht.
Was meinst Du mit Begehrlichkeit?
Es muss einen Grund geben, warum man sich für das Angebot entscheidet. Spannenderweise diskutieren meine Kunden mit mir nicht über den Preis – zumindest nicht hinsichtlich der Höhe. Es geht darum, ob man sich meinen Preis leisten kann. Die Begehrlichkeit weckt hier die Qualität des Angebots. Ich war letzte Woche in einer Pizzeria, da hat die billigste Pizza 17,50 Euro gekostet, meine sogar 25 Euro. Der Laden war voll. Die Pizza war geil. Ich würde immer wieder hingehen. Fragen?
Sagen wir mal, unser Leser betreibt ein kleines Studio auf dem Land. Wenn der für eine Hochzeit einen niedrigen vierstelligen Bereich aufruft, zeigen ihm die Leute einen Vogel.
Ganz bestimmt kenne ich die Situation. Also bieten wir dem Kunden die Hochzeit für ein paar Hunderter an – das kleine Paket. Die Kunst besteht jetzt in Schritt 1 darin, dem Kunden klar zu machen, dass das mittlere oder gar große Paket das ist, was sie wirklich wollen. Schritt 2 sind Mechaniken, das große Paket für das Brautpaar bezahlbar zu machen. Ich habe da ein paar Ideen.
Und die funktionieren?
Sie funktionieren immerhin so gut, dass mein aktueller Deal so aussieht, dass ich die Hälfte meiner Kohle im Coaching-Zeitraum aus den Gewinnen unserer gemeinsamen Marketing-Aktionen erhalte. Und da ich zertifizierter Berater bin, wird die andere Hälfte stark vom Staat bezuschusst. Natürlich fällt das nicht vom Baum, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Meine Schülerin Daniela – seit August dieses Jahres an Bord – verdoppelt gerade ihre Studiofläche und hat gerade eine erste Mitarbeiterin eingestellt.
Das klingt ja zu gut, um wahr zu sein. Gibt es ein Beispiel?
Die Fotografin hat überwiegend ohne Make-Up-Artist gearbeitet. Damit verschließt sie sich einen Markt der Beauty-Fotografie, nämlich den, der Geld bringt. Die Kundin möchte ein Foto von sich, dass „der Freund mit der guten Kamera“ nicht hinkriegt – ausgefuchst sowohl in Haar & Styling als auch in Lichtsetzung und fotografischer Qualität. Nach zwei Coaching-Wochenenden, eins bei mir im Studio, eins bei ihr hängen nun geile Fotos im Schaufenster und die Kunden sagen „sowas will ich auch“ – und damit sind wir wieder bei der Begehrlichkeit: Der Kunde will so ein Bild. Die Frage „Kann ich es mir leisten?“ kommt erst an zweiter Stelle. Das ist mein Geschäftskonzept. Daniela bietet an bestimmten Samstagen jetzt solche Beauty-Fotografien an. Die Termine vor Weihnachten: ausverkauft.
Damit ziehst Du Dir aber direkte Konkurrenz für Dein Erfolgskonzept Princess for one day heran.
Ehrlich: Ich habe keine „Konkurrenz“. Ich habe Mitbewerber. Und da wir mit Princess for one day maximal zehntausend Kundinnen auf einer Tournee bedienen können, bleiben allein in Deutschland mindestens 20 Millionen andere Frauen im relevanten Alter für die Kollegen.
Gemeinsam mit Profifoto bietest Du nun ein Stipendium in der #karpademy an. Du betreust einen Fotografen oder eine Fotografin für ein Jahr. Was ist „der Deal” – und wie harmoniert der mit Deinem Wohnort Los Angeles?
Hinsichtlich der gesundheitlichen und politischen Entwicklung sind meine Frau und ich nun noch eine Weile hier. Im Praxisteil sehen meine Schüler und ich uns an zwei bis drei, maximal vier Wochenenden. Es geht nicht darum, dass ich den Teilnehmern das Fotografieren von der Pike auf beibringen soll. Ich schiebe in die richtige Richtung – das hat bisher ausnahmslos gut geklappt. Darüber hinaus planen wir neben der Optimierung des eigenen Portfolios und der eigenen Präsentation erprobte Marketing-Maßnahmen, die über das bisherige Business hinausgehen. So etwas – Portfolio-Reviews, Detail-Besprechungen und Kundenpotentialoptimierung – biete ich im Übrigen nicht erst seit Corona, sondern seit Jahren erfolgreich auf Tagesbasis an.
Kundenpotentialoptimierung klingt erstmal spannend. Wie können sich das unsere Leser konkret vorstellen?
Ich habe einen Kunden, der überwiegend Geschäftskunden anspricht. Sein Business ist seit Jahren stabil und erfolgreich, aber wie so oft mit „Luft nach oben”. Mit ihm gemeinsam habe ich ein Projekt entwickelt, das zunächst einmal dafür gedacht war, bei Business-Kunden die so oft von mir angeführte „Begehrlichkeit” zu entwickeln. Ein zunächst rein darstellerisches Konzept, bei dem potentielle Kunden einfach dabei sein wollen – und das meinem Schüler die direkte Tür des Kunden öffnet – und die Chance gibt, sein Leistungsspektrum zu beweisen. Hier geht es nicht darum, dass ich meinen Zauberkasten aufmache und BINGO! den Fotografen über Nacht zum Star mache. Hier geht es darum, den Blick von außen anzuwenden und dem Fotografen eine dauerhafte Perspektive zur Neukundenakquise zu liefern.
Reden wir mal über Geld. Der Fotograf wird wohl kaum seine ganzen Einnahmen mit Dir teilen wollen?
Diese Tagescoachings rechne ich pauschal ab – und zwar in einer Art und Weise, dass oft ein einziger neu gewonnener Job reicht, damit sich das rechnet. Konkret: Wenn das in wenigen Stunden geht, liegen die Kosten im Hunderter- und nicht im Tausender-Bereich.
Anders im Jahrescoaching. Realistisch müsste ich dafür 50.000 Euro berechnen. Aber wir leben derzeit unter besonderen Umständen, und die rechtfertigen besondere Maßnahmen. Wenn der Fotograf oder die Fotografin bisher 20 bis 30 Hochzeiten im Jahr fotografiert – dann ist das erstmal Bestandsbusiness, von dem ich nichts abhaben will. Mich interessiert nur das, was über das bisherige Business hinausgeht. Und das erarbeiten wir per Skype oder Zoom Session. Marketing-Spendings und Kosten werden bezahlt, der Rest wird während der Coaching-Zeit geteilt. Eventuelle Fördergelder während der Coaching-Zeit gehen an mich – also wirklich das, was man win-win nennt, denn der Schüler verdient ab dem ersten gemeinsamen Business Geld – und wenn er das Gelernte über die Coaching-Zeit weiter erfolgreich anwendet, umso besser für ihn.
Bewerbungen bitte als EIN PDF an stipendium@guidokarp.com. Neben den üblichen Angaben wie Bewerbungsfoto und Lebenslauf sind maximal 10 Fotos aus dem eigenen Business der letzten 24 Monate sowie die Umsatzzahlen der letzten 24 Monate (BWA oder Abschluss) einzureichen.
Bewerbungsschluss ist am 15. Dezember 2020. Alle Bewerber werden über die Entscheidung schriftlich informiert.
Guido Karp, © Stefan Claus