Angeblich machen bereits 13 Prozent* aller Profifotografen mindestens die Hälfte ihrer Bilder mit Smartphones. Wir wollten wissen:
1. Sind Smartphones ein ernstzunehmendes Werkzeug für Profifotografen?
2. Haben Sie bereits Aufträge mit dem Smartphone fotografiert?
3. Was muss ein Smartphone in Zukunft leisten, damit Sie es beruflich (häufiger) einsetzen würden?
4. Werden die Grenzen zwischen professionellen Fotografen und Amateuren in Zukunft noch weiter verschwimmen?
* Umfrage von Suite 48 Analytics im Auftrag von Profoto
Robert Kneschke, Fotoproduzent und Autor, alltageinesfotoproduzenten.de
1.
Sie sind eine sehr nützliche Ergänzung, weil das Smartphone im Gegensatz zur Zwei-Kilo-Kamera immer dabei ist und ich so einige Momente fotografieren konnte, die ich sonst nicht festhalten hätte können. Auch abseits der reinen Fotografie ist das Smartphone als Minicomputer, der Termine managt oder Pizza bestellt nützlich, ganz zu schweigen von Spezial-Apps, die zum Beispiel Sonnenstände berechnen können oder (mit Adapter) sogar als kompletter Lichtmesser fungieren. Einige Bildagenturen erlauben auch das Hochladen direkt vom Smartphone a
2.
Als Fotoproduzent für Bildagenturen fotografiere ich keine Aufträge, aber ich hatte schon 2014 testweise ein komplettes Model-Shooting nur mit dem iPhone 5s gemacht, um zu sehen, ob Bildagenturen die Ergebnisse akzeptieren würden. Die Bilder haben sich mehr als 1000x verkauft und einen knappen vierstelligen Umsatz eingebracht, weshalb ich das Experiment als gelungen bezeichnen würde. Nebenbei nutze ich das Smartphone auch für Editorial-Shoots, wenn ich an passenden Firmennamen oder Logos vorbeilaufe.
3.
Das Bildrauschen bei wenig Licht muss besser werden und die Größe des Bildsensors sollte mit der Megapixel-Größe der Bilder mal mitwachsen, damit man auch in feinen Strukturen bessere Details erkennen kann.
4.
Im Sinne der klassischen Definition wird es die Grenze immer geben: Die einen verdienen Geld mit ihren Fotos, andere können oder wollen das nicht. Hinsichtlich der Technik und Bildqualität muss es zwischen Profis und Amateuren keinen Unterschied geben, alle Informationen zum „selber lernen“ sind in Form von Büchern, Video-Tutorials oder Workshops verfügbar, der limitierende Faktor ist nur die Zeit, die man bereit ist, darin zu investieren.
Zu 1:
Es kommt auf das Einsatzgebiet an. Im Pressebereich, wo ich hauptsächlich tätig bin, nutze ich das Smartphone regelmäßig. Vor allem für die Online-Berichterstattung, wo es teilweise gar nicht schnell genug gehen kann. Ich kann zwar mit der DSLR Fotos über das Smartphone verschicken, allerdings ist das umständlich und die DSLR-Dateien sind zu groß.
Zu 2:
Ja, unter anderem bei unterschiedlichen Feuerwehr- oder Polizeieinsätzen. Ein paar Aufnahmen mache ich mit der Smartphone für die (Medien-)Onliner, den Rest für Print mit der DSLR. Manchmal möchte/muss ich auch Aufnahmen machen, wo ich nicht als Presse-Vertreter auffallen will, z.B. beim Thema Fußball-Randale usw. Mit einer Spiegelreflexkamera oder einem Gerät vergleichbarer Größe wird man direkt als Presse und somit als Feind wahrgenommen.
Für Features, Porträts, Events etc. nutze ich Smartphones nicht. Die Anforderungen an die Ergebnisse (z.B. Auflösung) sind höher. Außerdem ist das Handling eines Kameragehäuses für mich komfortabler.
Zu 3:
Am DSLR-Gehäuse kann ich Einstellungen wie ISO, Weißabgleich, Blende etc. quasi im fliegenden Wechsel vornehmen. Bei einem Smartphone mit aktiviertem „Profi-Modus“, wo ich fast alles wie bei einer DSLR einstellen kann, muss ich erst umständlich in den Menüs navigieren. Auch in Sachen Rauschverhalten bei schwierigen Lichtverhältnissen und Zoom-Stärke ist auch ein Smartphone der aktuellen Generation (noch) keine Option.
Zu 4:
Möglich. Allerdings werden Kunden einen Fotografen, der mit einem Smartphone statt einem Profi-Gehäuse erscheint, sehr wahrscheinlich nicht ernst nehmen. Da schwingt stets ein „Mit einem Handy hätte ich das auch gekonnt!“ mit. Beispiel Premieren-Termine am Roten Teppich. Smartphone-Fotografen sieht man eigentlich nie in der Fotografen-Meute. Und wenn doch, dann werden die immer überprüft, denn kein Profi will seinen engen Platz mit einem Autogramm-Jäger oder Hobbyisten, der sich eingeschlichen hat, teilen. Und die Personen auf dem Teppich übersehen einen oder nehmen einen nicht ernst.
Gleiches bei Demonstrationen o.ä. Auch, wenn ich dort einen Teil der Aufnahmen mit dem Smartphone mache, ist die DSLR gut zu sehen, und man wird nicht mit Gaffern verwechselt. Bei Konzert-Terminen läuft man mit der DSLR an der Warteschlange vorbei, die Erklärung „Muss arbeiten“ wird in 95% aller Fälle akzeptiert. Versuch‘ das mal mit einem Smartphone, die Leute häuten dich.
Nora Tabel, Fotografin, Marketing Specialist und Initiatorin des Female Photoclub, braetalon.net
1.
Ja, sind sie. Gerade die leistungsstarken Smartphones ersetzen heutzutage schon einen ganzen Workflow mit Equipment – von der Kamera über den Computer bis hin zu den Profi-Apps, um das Material zu verarbeiten.
2.
Einige, ja. Gerade für Social-Media-Werbung ist das einfache Handling ein Gewinn. Aufwand und Nutzen passt da optimal zusammen.
3.
Noch mehr implementierte Hardware-Objektive, Speicherplatz und eine entsprechende Verarbeitungsleistung.
4.
Definitiv. Alleine deshalb, weil sich Werbung massiv verändern wird und Technik immer nutzerfreundlicher wird. Ich bin erst dieses Jahr von der Selbstständigkeit als Fotografin in den Marketing-Bereich einer Firma gewechselt. Ich arbeite eng im Visual Arts-Team (produziere Photography Branding für diverse Outlets und Vertriebskanäle), aber auch in Kooperationen mit Influencern zusammen, die hauptsächlich Smartphones benutzen. Nutzungsrechte werden immer weniger eine Rolle spielen, da Amateure (kann man die überhaupt noch so nennen?) auf Nutzungrechte keinen Wert legen. Schnelligkeit und Schnelllebigkeit, sprich die Halbwertszeit im Online-Marketing wird eine große Rolle spielen, genauso wie der visuelle Anspruch auf den Online-Kanälen. Das betrifft Events und Porträts genauso wie Produkt und Werbung. Kampagnen werden sich dem früher oder später immer mehr unterordnen. Ich denke, die großen Werbejobs gibt es für immer weniger Fotograf und die Menschen, die die Smartphone Fotografie beherrschen, werden immer mehr. Privat mache ich die Passfotos schon lange mit dem Smartphone. Ein Kollege dreht ganze Werbevideos für Automarken mit dem Iphone.
Laura Morgenstern, Fotografin, lauramorgenstern.de
1.
Ich denke ja. Die Kameras werden immer besser, sind handlicher und die Qualität reicht zumindest fürs Web absolut aus. Handykameras sind jetzt schon im beruflichen Alltag voll integriert, vor allem wenn es um das Sammeln von Inspiration, Locationscouting und Making-Of-Inhalten geht – gerade auch für die Präsentation in den Sozialen Medien, die immer wichtiger wird. Nicht selten haben ich selbst oder Kollegen auch Urlaubsbilder vom Handy ins Portfolio übernommen. Oder importieren Fotos, die mit der Profikamera gemacht wurden, auf das Handy, um dann in der App VSCO einen Look zu zaubern.
2.
Nein, aber ich habe es Kunden schon vorgeschlagen, die ein kleines Budget haben, z.B. für Content Creation (manchmal auch als ironischer Vorschlag). Ansonsten gebe ich Kunden definitiv Fotos von Locationscouts oder Props weiter, die ich mit dem Smartphone gemacht habe.
3.
Was es kann, ist schon ziemlich gut und vermutlich mehr als überhaupt nötig. Ich denke, es ist schwer, als „Smartphone-Fotograf“ als professionell wahrgenommen zu werden, weil noch mehr der Eindruck entsteht, dass „man das selbst ja auch kann.“
4.
Von der Ausgabequalität tun sie das jetzt auch schon. Entscheidend ist nicht das Gerät, mit dem ein Foto entsteht, sondern die Fertigkeiten der Person, die es aufnehmen, oder wie mein Lehrer in der Berufsschule damals sagte „Nicht die Kamera macht ein gutes Bild, sondern der Fotograf.“ Der Profi-Markt wird sicher immer mehr von Amateuren überschwemmt, aber wenn man in der Branche bestehen will, kommt es eben nicht nur darauf an, schöne Fotos zu machen, sondern auch Konzepte zu entwickeln und kalkulieren, kommunizieren und verhandeln zu können sowie in allen Bereichen des Berufs ein kompetenter Partner für seine Kunden zu sein.
Michael Ebert, Fotograf und Dozent, michaelebert.de
1.
Ja, natürlich. Alles, was Bilder macht, kann auch professionell eingesetzt werden. Letztlich zählt das Ergebnis. Ich habe vor Jahren eine komplette Bildstrecke für das FAZ-Magazin mit einer Holga fotografiert. Die große Tiefenschärfe einer Handykamera kann ein interessanter Gestaltungseffekt sein. Mit einem Smartphone kann man außerdem unauffälliger agieren und wird als Amateur wahrgenommen. Fotojournalisten haben das schon lange erkannt. David Guttenfelder von AP begleitete beispielsweise 2009 in Afghanistan US-Spezialeinheiten mit einer Smartphone-Kamera. Und Ben Lowy lieferte 2012 das erste mit einem iPhone fotografierte Time-Magazine Cover.
2.
Nein, das noch nicht. Da mein fotografischer Arbeitsbereich hauptsächlich das journalistische Porträt ist, verwende ich meist Teleobjektive. Da sind die Einsatzmöglichkeiten des Handys eher begrenzt. Aber ich habe einige Videos zur professionellen Verwendung erstellt und deren Qualität hat mich wirklich beeindruckt.
3.
Vor allem muss es mehr individuelle Kontrollmöglichkeiten erlauben. Die Bedienungskonzepte sind zu stark auf Laien zugeschnitten und bevormunden den Fachanwender. Es nervt mich beispielsweise, wenn ich mein Handy nach jedem Einschalten erst wieder auf RAW umstellen muss. Ansonsten würde ich mich über die Wiederbelebung des Konzeptes der Kamera mit Telefon anstatt des Telefons mit Kamera freuen, so wie es beispielsweise mit dem Kodak Ectra entwickelt wurde. Es macht aus meiner Sicht kaum Sinn, Handys mit einer Auflösung von 50 und mehr Megapixel zu bauen. Für die professionelle Anwendung sind Verbesserungen in der Software und Optik interessanter.
4.
Für jemand, der zukünftige Fotojournalisten ausbildet, ist das natürlich eine eminent wichtige Frage. Man darf aber eines nicht vergessen, wer keine fotografische Kompetenz hat, macht weder mit einer Highend-DSLR noch mit einem Smartphone gute Bilder. Die Chicago Sun Times feuerte 2013 alle ihre 28 Fotografen, darunter den Pulitzer-Preisträger John White, und stattete dafür die Redakteure mit iPhones aus. Dieses brutale Einsparmodell hat sich zum Glück nicht durchgesetzt. Qualitätsjournalismus braucht Profis und darum werden hochwertige Medien weiterhin auf Profis setzen. Die fotografieren in bestimmten Situationen sicher auch mit einem Handy, aber in der Regel werden sie mit hochwertigen Systemkameras arbeiten. Das Handy dominiert allerdings in dem breiten medialen Mittelfeld. Nur: Hier hatte man den Mitarbeitern schon längst vor dem Boom der Photo-Phones preisgünstige Digitalkameras in die Hand gedrückt und so die Fotografen kontinuierlich wegrationalisiert. Ich denke, in dieser Entwicklung ist der Höhepunkt erreicht.
Heike Rost, Fotografin und Journalistin, heikerost.com
1.
Wenn die Umstände es erfordern (z.B. sehr unbemerktes Arbeiten) und die geplante spätere Nutzung es zulässt: Natürlich – warum auch nicht? Ein Smartphone ist ein Werkzeug wie alle anderen Kameras auch. Ich erinnere hier an eine der ersten Bildstrecken von David Guttenfelder, der in Afghanistan mit dem Smartphone fotografiert – eine Arbeit, die er mit einer „richtigen“ Kamera kaum hätte so dicht und überzeugend umsetzen können.
https://theonlinephotographer.typepad.com/the_online_photographer/2010/04/05/index.html
https://www.npr.org/sections/pictureshow/2010/04/07/125664494/guttenfelder?t=1599916691390
Oder an das Projekt von Benjamin Lowy, Ruddye Roye, Ed Kashi u. a. Fotografen, die Folgen des Hurrikans Sandy mit dem Smartphone dokumentierten (inklusive Time-Titelseite) – und aus den entstandenen Bildern nicht nur ein Buch, sondern ein komplettes Charity-Projekt zugunsten der Hurrikan-Opfer gemacht haben.
https://abcnews.go.com/blogs/technology/2012/11/iphone-photo-of-hurricane-sandy-makes-the-cover-of-time
https://www.nbcnews.com/news/photo/sandy-book-look-superstorm-through-iphone-photos-flna6C10868055
2.
Keine kompletten Aufträge, aber doch einzelne Motive innerhalb verschiedener Projekte, die ich ohne ein Smartphone so nicht hätte umsetzen können. Wenn man die technischen Grenzen kennt und mit diesen Erfahrungswerten arbeitet, spricht nichts gegen einen Einsatz hochwertiger Smartphones, die zum Teil Künstliche Intelligenz „unter der Motorhaube“ haben, höhere Auflösung bieten und z. T. mit Leica-Objektiven gebaut werden. Außerdem sollte man sehr gute Kenntnisse in der digitalen Postproduktion haben. Ansonsten buchen und bezahlen mich meine Kunden für Konzepte und Bilder – und nicht, weil sie die eingesetzte Ausrüstung als Entscheidungsgrund bewerten oder ich in Angebote schreibe, mit welchen Kamerasystemen ich den Auftrag umzusetzen gedenke.
3.
Siehe oben: Hochwertige Objektive und entsprechende Auflösung. Der große „Rest“ heißt eh „Faktor Mensch“, inbegriffen visuelle Kultur, eine unverwechselbare Handschrift über die reine Bildsprache hinaus auch im Umgang mit Konzepten, Kunden, Projektumsetzung. Das alles hat mit Smartphones wenig bis nichts zu tun, aber auch nicht mit hochpreisigem Equipment.
4.
Mir ist diese Grenze ziemlich unwichtig: Die Freude an der Fotografie teilen Profis und Amateure. Sprich hoffentlich lieben beide das, was sie tun. Was sie unterscheidet: Dass der Profi mit Fotografie seinen Lebensunterhalt verdient – und der Amateur eben nicht; wiewohl so mancher als „Amateur“ bekrittelte Fotograf kreativer, furioser, bildgewaltiger und fotografieverliebter ans Tun geht als so mancher Profi. Aber das ist ein GANZ anderes Thema. Was ich mir wünschen würde: Mehr Schnittstellen zwischen Profis und Amateuren – um Gespräche miteinander zu ermöglichen, u.a. über so unbequeme, aber notwendige Aspekte wie Nutzungsrechte, Dumping-Honorare, „Gratis-Kultur“, Persönlichkeitsrechte etc. Es könnte dabei helfen, den ohnehin schon schwierigen Fotomarkt nicht noch weiter durch Unkenntnis zu beschädigen.
Ruediger Glatz, Fotograf und Geschäftsführer Image Agency, imageagency.com
1.
Ich denke, dies ist ganz abhängig vom Genre des Fotografen und dem konkreten Einsatz. Rein technisch betrachtet sind die aktuellen Smartphone-Kameras schon sehr gut und sie werden kontinuierlich besser. Wir benutzen sie nicht, da aktuelle Profikameras für unsere Anwendungen doch wesentlich besser sind und wir den Anspruch haben, unseren Kunden das Beste zu liefern, was wir schaffen können.
2.
Nein.
3.
Die Antwort auf diese Frage ist sehr individuell und hat auch immer eine politische Komponente, die wiederum auch vom Genre und Einsatz abhängig ist. Grundsätzlich setzt die Entwicklung der Smartphone-Kameras einige Bereiche der professionellen Fotografie unter Leistungs- und Budget-Druck. Aus meiner Sicht wäre die viel spannendere Frage “Was muss eine Profikamera in der Zukunft leisten, um sich mittel/langfristig von Bildern, die mit Smartphone-Kameras entstehen, deutlich abzuheben?“
4.
Das wird ziemlich sicher so sein. Profis, die keine Profifotografen sind, werden auch mehr und mehr die Bilder, die sie für ihre Kommunikation benötigen, selbst schießen, da die Kamera immer dabei, einfach zu bedienen ist und irgendwann auch den Ansprüchen genüge getan hat bzw. tun wird. Einfache Beispiele wären die Lokalzeitung, die vom Schreibendem nun auch Bilder erwarten, oder Immobilienmakler, die ihre Objekte nun selbst fotografieren.
Ich denke, hier hat das iPhone 11 bzw. 11 Pro einen großen Schritt getan.
Wer seine Hochzeit nicht außergewöhnlich dokumentiert haben will, sammelt alle Smartphone-Fotos von seinen Gästen ein und ein Pass- oder Bewerbungsfoto ist schnell vor einer weißen Wand geknipst.
Wer auch in Zukunft Geld (von dem man leben kann) mit der Fotografie verdienen will, muss sich deutlich von hochwertigen Smartphone-Fotografie-Resultaten abheben und ein eigenes starkes Profil schaffen. Das Bild bekommt immer mehr Gesellschaft von anderen Aspekten, die einen Kunden dazu bringen, den Profi zu buchen, wie Zuverlässigkeit, Service, eigene Kommunikationskanäle mit PR-Wert, weitere Medien wie Video oder Bildanimationen, Konzeption, Profil, Bildbearbeitung, Produktions- und Verwertungskompetenz und Netzwerke.
Sascha Rheker, Fotograf, sascharheker.com
1.
Ob das Smartphone als Werkzeug „ernstzunehmend“ ist, hängt nicht zuletzt davon ab, was man damit warum und wie macht. Natürlich gibt es Szenarien, in denen Smartphones als Kamera ausreichende Qualität liefern. Und sicher können Smartphones in vielen Fällen Kompaktkameras ersetzen und bestechen durch den „immer dabei“ Faktor, Größe, Gewicht und den Umstand, dass sie in vielen Fällen weniger Aufsehen oder Widerspruch erregen als Fotografie mit herkömmlichen Kameras.
Wer aber mit Blitzanlage, Lampenstativen, Lichtformern, vielleicht sogar noch mit Visagisten und Models arbeitet und dann mit dem Smartphone fotografiert, der muss sich schon fragen lassen, ob er da „ernstzunehmend“ fotografiert oder ob er nicht viel eher ein Kabinettstückchen aus der Reihe „Nicht die Kamera macht die Bilder, sondern der Fotograf“ aufführt – als würde man einen Handwerker für besonders begabt halten, weil er Schrauben mit der Zange reindreht.
Die Einschränkungen der Smartphones bei Wechselobjektiven, Bedienelementen, Bildqualität, Auflösung, Autofokus, Rauschen und nicht zuletzt beim Komplex „Sensorgröße/Brennweite/Zerstreuungskreis“ etc. sind für viele Arbeitsbereiche einfach zu gravierend. Und was Schnelligkeit im Bildversand und Konnektivität betrifft, haben klassische Kameras längst soweit aufgeholt, dass man aus einer Kamera, praktisch ohne großen Aufwand oder Zeitverlust, Bilder ins Smartphone übertragen und da weiterverarbeitet bekommt. Das jedoch mit allen Vorteilen eines echten Kamerasystems.
Damit bleibt als Vorteil eigentlich nur Größe/Gewicht und das „immer dabei“. Punkte die aber nur dann ziehen, wenn etwas ungeplant passiert und man nicht gerade einen Handwagen mit Equipment irgendwo zum Job gerollt hat; oder man gar im eigenen Studio neben dem Schrank mit den Kameras steht.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem Smartphone als ernstzunehmendes Werkzeug aber nicht nur in Bezug auf die eingebaute Kamera. Als Fernauslöser mit Live-View, der Zugriff auf nahezu alle Kamerafunktionen erlaubt, ist das Smartphone/Tablet genauso ein echter Gewinn wie als Hilfsmittel zum Versand von Bildern aus der Kamera unterwegs.
Wenn aber der Funkauslöser der Blitzanlage auf der Kamera zu einer kleinen Bluetooth-Blackbox mutiert und für jede Einstellung die Kamera beiseite gelegt, das Smartphone hervorgeholt, entsperrt werden, die passende App aktiviert und bedient werden muss, dann ist man da mit einer klassischen Lösung mit Plus/Minus-Tasten auf dem Funkauslöser durchaus smarter und schneller unterwegs.
2.
Nein. Auch wenn ich schon Bilder von der Kamera per Wlan ins iPhone geschickt, da bearbeitet und dann versendet oder auch mal ein schnelles Bild aus dem iPhone an den Kunden gegeben habe, der das in den sozialen Medien eingesetzt hat.
3.
Es müsste eine Kamera werden. Mit richtigen, auch blind und intuitiv sicher zu nutzenden Bedienelementen für Zeit, Blende, Empfindlichkeit. Und mit Wechselobjektiven. Und einen richtigen Sucher bräuchte es auch. Aber das wird nicht passieren. Dazu kommt noch eine sinnliche, haptische Ebene des Werkzeugs Kamera. Es gibt Kameras, mit denen die Arbeit mehr Spaß macht als mit anderen, es gibt Kameras, die die Art, wie man fotografiert, beeinflussen. Kameras (und heute noch mehr Objektive) begleiten Fotografen über Jahre oder Jahrzehnte, Smartphones kommen und gehen.
4.
Eine schwierige Frage, denn das hängt ja immer davon ab, wer, wen, warum, nach welchen Kriterien und mit welcher Zielsetzung als professionellen Fotografen oder Amateur definiert und was die Grenze zwischen Amateur und professionellem Fotografen ausmachen soll. Wenn man jeden, der mit seinem Smartphone über eine App und für Centbeträge „Aufträge“ abarbeitet und dabei die Einfahrten von Parkhäusern oder Restaurants von außen ablichtet, oder jede Influencerin bei Instagram als professionellen Fotografen sieht, dann kann man da jede Menge professionelle Fotografen ausmachen und zu dem Ergebnis kommen, dass „bereits 13 Prozent aller Profifotografen mindestens die Hälfte ihrer Bilder mit Smartphones“ machen.
Foto oben: Petra Gerwers