Die Coronakrise hat nicht zuletzt in der Fotoszene zu zahlreichen Absagen von Events und Ausstellungen geführt. Viele Veranstalter haben ihr Programm in den virtuellen Raum verlagert – mit 360-Grad-Ausstellungen, Online-Führungen, Zoom-Talks, YouTube-Kanälen und Fotografie-Podcasts.
Wir wollten wissen:
1. Welche virtuellen Fotografe-Formate haben Ihnen besonders gut gefallen – und welche halten Sie für überflüssig?
2. Was erwarten Sie von Museen, Galerien, Festivals und Messen, wenn Sie ihr Angebot einem Online-Publikum zur Verfügung stellen?
3. Werden Sie Online-Angeboten in Zukunft mehr Beachtung schenken, oder ist das nur in der Corona-Zeit interessant?
Klaus Honnef, Publizist, Kurator und Prof. em. für Theorie der Fotografie, klaushonnef.de
1.
Nicht besonders viele. Die meisten über Ausstellungen, um mich zu informieren, wie die Bilder präsentiert worden sind. Wobei ich Erkenntnisse nur daraus ziehen konnte, wenn mir die Bilder vorher vertraut waren. Wenn nicht, ist es für mich sinnlos, die virtuellen Formate zu betrachten, weil sie ihren Gegenstand bis zur Unkenntlichkeit verändern. Aus fotografischen Bildern werden Netzbilder; Farbe, Licht, Format, Träger sind von völlig anderer Wertigkeit, und vom fotografischen Bild wird nichts anders vermittelt, als eine oberflächliche und verzerrte Information dessen, was es fixiert hat, aber durch die mediale Umwandlung nicht mehr in der ursprünglich beabsichtigen Form zeigen kann. Die Bilder sind dann so flüchtig wie das, was sie festhalten, beim Betrachten körperlos. Dadurch verschiebt sich die Aufmerksamkeit zwangsläufig auf das sogenannte Inhaltliche, weil dessen Strukturen noch am ehesten identifizierbar sind, losgelöst aber von allen wichtigen formalen Komponenten, die ihm erst Profil, Richtung, Sinn, Atmosphäre, Farbe und Dichte verleihen, und wird so nolens volens zum Fake.
2.
Dass sie die drastischen Veränderungen am Bildcharakter kenntlich machen. Dazu bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Andererseits eignet sich das Netz ja zur verbalen Information über Bilder, und manche Galerien in USA und Deutschland haben begonnen, kleine und aufschlussreiche Texte über fotografische Bilder zu veröffentlichen. Fotografische Bilder erzählen – vergleichsweise wenige ausgenommen – Geschichten. Die Geschichten dahinter und daneben sind meist ebenso interessant wie die, die sich auf ihrer Bildfläche entfalten. Man könnte sogar eine Sehschule veranstalten. Ich bin überzeugt, wenn man es spannend, anschaulich und mit eigener Begeisterung anrichtet, vermag man das vorwiegend distanziert gelangweilte Publikum auch wieder für die Bilder und das Feld, in dem sie wirken, zu interessieren, ja zu engagieren, und sogar so etwas wie einen Diskurs in Gang setzen.
3.
Schon aus Altersgründen, ganz sicher. Aber wenn es Neuerungen und Außergewöhnliches betrifft, vor allem wenn es meinen ganzen Sinnesapparat mobilisiert und wenn ich mir ein eigenes Urteil bilden will, werde ich mir die Dinge face to face in einem dreidimensionalen Raum anschauen und ihre vielfältigen sinnlichen und intellektuellen Impulse auch durch Bewegung erschließen wollen.
Heide Häusler, Geschäftsführerin der Photoszene Köln, photoszene.de
1.
Überflüssig fand ich in den ersten Monaten der Krise gar nichts! Ich habe in den zahlreichen Clips und Streams mehr gesehen, als den bloßen Inhalt. Für mich war es eine überaus menschliche Reaktion, im Digitalen sichtbar bleiben zu wollen, verbunden mit einem fast schon persönlich, emotionalen Subtext. Und das fand ich ehrlich gesagt sehr befreiend. Die Kunst/Fotografieszene ist bisweilen so perfekt geworden, endlich war mal wieder Scheitern angesagt. Der gute alte Garagen-Sound 😉 Jeder versuchte so gut es eben geht, mit den Bordmitteln, die man eben so hat, dieser Krise etwas entgegenzustellen. Total überflüssig fand ich also eher die Diskussionen über Qualität und Sinn solcher Formate. Besonders gut gefallen hat mir alles „Echte“. Nicht die glitzernde HighEnd-Technik in HD und Super-Stereo. Je mehr es geraschelt und geklemmt hat, desto besser! Das will ich ja auch von der Kunst: Echten Content und keinen Perfectly You Finish. Überspitzt gesagt: Endlich mal die Outtakes im Hauptprogramm!
Den Podcast habe ich völlig neu kennengelernt und finde ihn gerade für die Fotografie total bereichernd und toll! Ebenso Zoom-Interviews und kleine Clips aus den Studios der Künstler. Ausstellungsrundgänge waren im ersten Moment des Lockdowns gut, finde ich auf die Langstrecke aber nicht so sinnvoll. Da gäbe es dann andere digitale Vermittlungsformate, die direkter und schlüssiger sind.
2.
Jetzt, nach diesem ersten großen Schock, müssen wir alle natürlich unsere Hausaufgaben machen und uns mit digitalen Formaten, ihren ganz eigenen Strukturen und Logiken beschäftigen. Nach allem, was ich so bei Kolleginnen und Kollegen mitbekomme, geht es uns da allen sehr ähnlich. Der einzige Unterschied ist natürlich wie immer, dass nicht allen die geeigneten finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um digitalen Content auf demselben Niveau anzubieten, wie es der analoge Museumsbesuch täte. Uns als Photoszene geht es da ähnlich: Kleines Team, das Geld reicht gerade mal so für ein Festival – und jetzt sollen wir im Hintergrund alles parallel in einer B-Variante entwickeln? Grundsätzlich erwarte ich vom Digitalen aber keine B-Variante, sondern einen echten Mehrwert. Solange das Digitale nur die Quasi-Version des eigentlichen Ereignisses ist, verschenkt man viele Möglichkeiten.
3.
Nein, Corona ist letztlich nur ein ziemlich radikaler Auslöser dafür, sich konsequenter mit digitalen Vermittlungsformaten zu beschäftigen, ganz klar. Gleichwohl betonen wir aber auch immer wieder, wie wichtig uns der echte Kontakt und die echte Begegnung ist. Beides muss Hand in Hand gehen und bestmöglich gespielt werden.
Martin Zellerhoff, Fotograf und Verleger, krautin.com
1.
Mir gefällt jede neue Form der Präsentation gut, schafft sie doch weitere Aufmerksamkeit für das, was wir machen. Was Museen und Galerien jetzt in kurzer Zeit online gestartet haben, ist einfach fantastisch. Was mich aber beunruhigt, ist, dass die Algorithmen der sozialen Netzwerke und der Suchmaschinen steuern, wer was zu sehen bekommt. Für die Blase in der Blase.
Ich interessiere mich für das Thema schon lange und finde, dass virtuelle Abbildungen von Ausstellungen, ob als virtuelle Tour oder wie auch immer, sich sehr gut für die Dokumentation von Ausstellungen eignen. Das Tolle daran ist, dass diese Formate theoretisch einfach ewig im Netz stehen bleiben könnten und wir uns so auch noch nach Jahren einen Überblick machen könnten. Ich schreibe „könnten“, weil diese Formate leider nirgendwo gesammelt werden, und, wenn sie nicht gepflegt werden, auch schnell unanschaubar werden.
Und so bin ich überzeugt, dass am Ende auch heute nur der Katalog bleibt, um eine Ausstellung langfristig zu dokumentieren und an die entscheidenden Stellen zu distribuieren. Deshalb auch habe ich als Reaktion auf die sich verändernden Bedingungen mit meinem Kollegen Alexander Hilbert gerade den KRAUTin Verlag gegründet, dessen Ziel es ist, Kataloge für jeden Fotografen erschwinglich zu machen.
All das ist kein Ersatz für richtige Ausstellungen, aber es vermittelt die Ideen der Fotografen und Kuratoren und ist niedrigschwelliger als ein Gang in eine Galerie oder in ein Museum.
2.
Ich erwarte von Kuratoren und Galeristen, dass sie für jede Ausstellung die adäquate Form der Präsentation suchen und diese mit der bestmöglichen Präzision umsetzen. Das ist viel verlangt, doch das ist die Kür, die wir Fotografen brauchen, damit unsere Werke zum Leben erwachen und sie die Wirkung entfalten, die sie eigentlich an der Wand haben sollten.
Wenn sie dann auch noch Kataloge produzieren würden, dann wäre ich als Fotograf glücklich. Und als Verleger natürlich auch 😉
3.
Ich verfolge die Präsentationen von Ausstellungen im Netz schon viele Jahre. Es gibt so viele interessante Ausstellungen und Festivals, dass ich eh nicht alles besuchen kann, was ich mir anschauen möchte. Aber man sollte wirklich nicht vergessen, dass man da nur Derivate sieht und dass das nicht den Blick auf die Originale ersetzt. Jasper Jones sagte in einem Interview mal: „Ich kann mich noch an den ersten Picasso erinnern, den ich je sah, den ersten Richtigen.“ Er sagte: „Ich dachte, das sei das Hässlichste, was ich je gesehen hatte. Ich war an das Licht gewöhnt gewesen, das durch Farbdias kam; mir war nicht klar, dass ich meine Vorstellungen davon, was Malerei war, revidieren musste.“ Das alles ist eben nur ein Ersatz. Eine virtuelle Welt, die wir auch noch viel zu schnell hinter uns lassen, und die sich genauso schnell auflöst, wie wir sie entstehen lassen. Ich freue mich über all diese Dinge, aber sie ersetzen auf keinen Fall das Original oder den Katalog, in dem man konzentriert und nachhaltig eine Arbeit, ein Konzept und/oder eine Ausstellung darstellen kann. Denn der verschwindet nicht, wie jetzt zum Beispiel alle Webseiten, die irgendwann mal auf Flash gesetzt haben.
Alexander Hagmann
1.
Gut gefallen haben mir die Umsetzungen der Biennale für aktuelle Fotografie und der OFF//FOTO 2020 in Mannheim sowie die des Lumix-Festivals. Da ich die Biennale auch physisch noch besuchen konnte, war ein direkter Vergleich gut möglich. Technisch gut produziert und online nachvollziehbar gestaltet. Besonders die Walker Evans-Ausstellung kann als positives Beispiel genannt werden. Die Ausstellung lebt von Blickachsen, Gegenüberstellungen und Vergleichen der ausgestellten Arbeiten. Selbst in der Arbeit von Jessica Potter lässt sich das Zusammenspiel von Bildtableau und Text immer noch nachvollziehen.
Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass Faktoren wie Geräuschkulisse, selbst wählbare Blickachsen, Gerüche, Raumerfahrungen wie Deckenhöhe, Raumgröße oder die Höhe der Hängung im virtuellen Raum nur schwer zu reproduzieren sind.
Fotografien von ausgestellten Fotografien erzeugen für das Betrachten eine Ebene zu viel. Ein altes und kaum lösbares Problem.
Die Macher des Lumix Festival für jungen Bildjournalismus sind einen ganz anderen, spannenden Weg gegangen. Es stand weniger das Betrachten von Fotografie im Vordergrund als vielmehr die Bereitstellung von Informationen. Über (Video-)Interviews, Live Talks, Texte und einen Podcast konnte man sich (und kann man immer noch) sehr umfassend über die Inhalte des Festivals und die Künstler informieren. Ich werde noch viel Zeit brauchen um alles gesehen, gelesen und gehört zu haben.
Als überflüssig empfinde ich kein Format. Zur Hochzeit der Einschränkungen schien die allgemeine Ratlosigkeit in Aktionismus umzuschlagen und man wurde online von Corona-Diarys und „Foto-Konversationen“ nahezu erschlagen. Für die Produzierenden sicher spannend und interessant, für mich als Betrachter leider selten sinnstiftend und mit Mehrwert.
Nicht überflüssig, aber in seiner Inszenierung etwas „schräg“ ist die Gesprächsreihe der Raw Phototriennale Worpswede. Die Gesprächsreihe mit Akteuren der Foto- und Kunstszene bekommt durch die Inszenierung des Interviewers einen etwas faden Beigeschmack. Die Gäste sitzen zu Hause vor der Laptopkamera und der Gastgeber sitzt, gut ausgeleuchtet, aus mehreren Kameraperspektiven aufgenommen, mit gutem Ton, in einer Galerie. Mir ist die Hierarchie nicht ganz klar und es wird mit viel Aufwand ein (Video-)Bild produziert, welches überhaupt nicht relevant für den Inhalt ist.
2.
Ich würde mich freuen wenn die verschiedenen Institutionen nicht einfach die vorhandenen Inhalte und Ausstellungen in den virtuellen Raum kopieren, sondern viel häufiger versuchen den virtuellen Raum mit seinen Stärken zu nutzen. Die Idee der Verlinkung, diverser Hypertextstrukturen und die Möglichkeit, Inhalte und Informationen in einer Form bereitzustellen, die offline nicht möglich ist. Damit haben einige ja schon angefangen. Das Internet kann nicht das Museum oder ein Festival ersetzen, aber es bietet viele weitere Möglichkeiten der Informationsvermittlung.
3.
Wahrscheinlich werden die Online-Angebote in Zukunft weiter ausgebaut und verfeinert. Deshalb gehe ich davon aus, dass ich auch weiterhin ein Auge darauf haben werde. Ob mehr oder weniger hängt von der Qualität der Angebote ab.
David Klammer, Fotograf, davidklammer.com
1.
Ich war durch Corona mehrfach betroffen. Null Nobs, aber auch mehrere Ausstellungsbeteiligungen beim Photoszene-Festival in Köln und beim Umweltfotofestival Zingst wurden naturgemäß gecancelt. Für die diesjährige tPic war ich als Speaker eingeladen. Hieraus entwickelte sich das interessanteste Format. Live-Vorträge und Aufzeichnungen wurden mit einem Live-Chat verknüpft. Somit ließ sich ein echter Kontakt zu einem virtuellen Publikum aufbauen. Leider ist ein Vortrag in eine Kamera gesprochen nicht so lebendig wie ein realer Kontakt mit Menschen.
Nicht so geglückt empfinde ich virtuelle Ausstellungen. Digitalisierte Fotos in digitalisierten Räumen. Das funktioniert nicht. Keine Aura. Ausstellungen müssen haptisch erlebbar sein. Und sie leben auch durch die Begegnung mit anderen Menschen, einem Austausch.
2.
Der Content muss, wenn schon im Netz präsentiert, eine multimediale Erweiterung erfahren, z.B. durch Making-Ofs, Interviews mit dem Fotografen, Hintergrund-Infos. Allerdings kostet dies Geld. Da diese Präsentation aber über eine normale Ausstellungsdauer präsent bleibt, ist die Investition aber gegebenenfalls gut angelegt.
3.
Ich denke, dass es eine Chance ist, dauerhaft neue Präsentationsformen zu entwickeln und diese auch nach Corona einzusetzen. Wie wäre es z.B., große Ausstellungen multimedial zu begleiten und somit Eröffnungen einem Publikum zugänglich zu machen, das nicht anwesend sein kann. Ich fände es spannend, eine Ausstellung in New York oder einen Vortrag in Arles sehen zu können, ohne dorthin reisen zu müssen. Allerdings bleibt das Dabeisein immer noch die erste Wahl.
Eberhard Schuy ; Fotograf , Autor, Speaker, schuyfotografie.de
1.
Individuelle Zoom-Calls haben das Geschäft in vielen Fällen am Leben erhalten und Besprechungen zu Aufträgen möglich gemacht. Es ist sicher für viele Berufsfotografen ein großer Segen, dass die virtuellen Räume so schnell anerkannt und genutzt wurden. Dennoch, bei besonders intensiven Besprechungen ist diese Möglichkeit nur als Ersatzkommunikation zu sehen.
Online-Events sorgen für Austausch und sind für deutlich mehr Menschen erlebbar, dennoch geht das meiner Meinung nach nur in begrenztem Zeitraum. Die Zeit wird es zeigen, inwieweit wir auf persönliche Kontakte dauerhaft verzichten wollen und können. Ich erlebe Meetings mit persönlichem Kontakt als ehrlicher, die erlebbaren Signale des direkten, menschlichen Kontaktes sind sicher für die heutige Generation noch nicht zu ersetzen.
Online-Ausstellungen und Präsentationen über deren Nutzung ich ja frei entscheiden kann, dienen der Information und Inspiration, ich möchte sie nicht mehr missen. Dennoch, meiner Meinung nach, bringt natürlich die Flut der Podcasts, Interviews, Talks etc, eine Beliebigkeit in das Netz, die das Niveau und die Relevanz der Beiträge im Gesamten deutlich herabsetzt. Das Internet bringt es mit sich, dass der Filter der bedachten Weitergabe von Informationen durch Dritte entfällt.
2.
Für mich ist es bereits jetzt entscheidend, nur noch solche Infos zu beachten, die von Menschen ausgesucht wurden, auf deren Urteil ich zählen kann. Die Sichtbarkeit der Inhalte im Netz werden wir immer weiter persönlich einschränken müssen, um die Relevanz der Informationen für uns zu gewährleisten. Insofern erwarte ich auch von den Online- Anbietern in den Angeboten eine Struktur, die mich schnell und effektiv selektieren lässt. Nur so können auch umfangreiche Angebote Ihre Wertigkeit erhalten.
3.
Ja, sobald Online Angebote in entsprechender Art und Weise präsentiert werden, die mir die relevanten Infos auf der ersten Blick ermöglichen, können sie auch effektiv genutzt werden.
In der Mehrzahl der zur Zeit präsentierten Angebote wird häufig mehr Wert auf vorhandene Sichtbarkeit der Referenten gelegt, als auf Inhalte. man muss keine Namen nennen um zu erkennen, dass nicht immer wirkliche Experten am Start sind und es Inhalte auf hohem Niveau geht. Hier muss in Zukunft der Fokus auf entsprechende Auswahl und Kommunikation gelegt werden. Der Interessent muss im Voraus erkennen können, ob es um Smalltalk, Entertainment oder echtes Fachwissen geht. Ich denke hier sind völlig neue Formate, Designs und Kommunikationsarten nötig! Zur Zeit erlebe ich es meist nur als bloße Auflistung, in der scheinbar die Menge der Angebote mehr zählt wie die Inhalte.
Bernd Schirmer, Fotograf, IG: @byesphotography
1.
Besonders gut und sinnvoll halte ich virtuelle Präsenz in Form von 360- Grad-Galerien und -Video-Uploads. Hier bekommt man das Gefühl eines tatsächlichen Besuches in einer Ausstellung und den Eindruck tatsächlicher Größenverhältnisse der gezeigten Werke. Auch gibt man dem Fotografen die Möglichkeit, seine Werke einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen. Werden diese fachmännisch durch eine Kurator begleitet, so steht dieses einem tatsächlichen Museums- oder Ausstellungsbesuches in Nichts nahe. Ein weiterer Vorteil ist, ich kann es jederzeit von jedem Ort der Welt sehen, Voraussetzung ist natürlich ein geeigneter Internetzugang.
Subjektiv halte ich Online-Plattformen wie TikTok, Facebook oder Instagram für nicht geeignet, um seine Werke optimal zu präsentieren, da die Bildquellen teilweise oder ganz beschnitten und auf das entsprechende vordefinierte Format runterberechnet werden. Viele Detail gehen hierbei verloren. Auch werden Reichweite nur durch gezielte Platzierung von Beitragsbewerbungen generiert. Hier sehe ich für persönliche Selbstdarstellung eher eine Relevanz als für hochauflösende Kunstwerke.
Ähnliches sehe ich für Zoom-Talks und Podcasts. Sie dienen ebenfalls, das eigene Werk publik zu machen, sind jedoch nicht federführend für die Betrachtung und Vertiefung der künstlerischen Aspekte. Als zusätzliche Erklärung und fortführend aber durchaus interessant.
2.
Gerade in der jetzigen Zeit sollte über das Kultusministerium und über staatliche Förderprogramm mehr für freischaffende Künstler getan werden. Museen und staatlich geführte Ausstellungen könnten mit einfachen Mitteln virtuelle Präsenzen von Künstlern in großer Vielfalt schaffen. Der virtuelle Raum erlaubt es, weitaus mehr Künstler in Ausstellungen zusammenzuführen und einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Virtueller Platz ist unbegrenzt im Gegensatz zu den Wand- und Raumflächen eines Museums. Einige kleine private Organisationen haben bereits mit der Umsetzung angefangen, jedoch halten sich die großen und staatlich geförderten sehr zurück, was unbegründet ist. Finanzielle Mittel wurden bewilligt und liegen ungenutzt, da es auf Grund mangelnder Organisation und Ziellosigkeit keine konkreten Konzeptionen gibt. Mir ist jedenfalls nicht Adäquates bekannt. Dabei könnte man durch virtuelle Ausstellungen vielen freischaffenden Künstlern und Fotografen finanziell sinnvoll unter die Arme greifen. Leider ist der Bereich der Kulturschaffenden in Deutschland momentan stark defizitär, da viele durch eine fast 100-prozentig rückläufige Auftragslast in die Geschäftsaufgabe gedrängt werden. Hier sollte es Anlaufstellen und Möglichkeiten der gegenseitigen Nutznießung geben.
3.
Auf jeden Fall. Ich sehe hier ein enormes Potential meine Werk einer größeren Öffentlichkeit einfacher und kosteneffizienter zugänglich zu machen. Es laufen auch bereits dazu Gespräche. Ich denke eh, dass es zukünftig einen Umschwung und ein Umdenken geben wird (muss). Wir müssen uns auf die Situation in den nächsten Jahren einstellen und nach neuen Möglichkeiten suchen. Misserfolge sind auch zukünftige Chancen, es besser zu machen. Hier würde ich mir lediglich mehr Unterstützung öffentlichen Einrichtungen wünschen.
Ruediger Glatz, Künstler und Fotograf, ruedigerglatz.com
1.
Ich bin nach wie vor ein großer Fan physischer Fotografien und ich muss gestehen, dass ich bisher noch keine virtuelle Präsentationsform erlebt habe, die mir die Wertigkeit einer Ausstellung vermitteln konnte. Es gab schöne Ansätze wie die virtuellen Ausstellungsrundgänge z.B. der Biennale für aktuelle Fotografie (Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg), jedoch sind sie für mich kaum vergleichbar mit einem physischen Besuch einer Ausstellung. Ich denke, die schönste Form der virtuellen Präsentation sind kommentierte Buchpräsentationen auf Videokanälen, bei denen ein ganzes Buch durchgeblättert wird. Auch finde ich Interviews mit Fotografen und Kuratoren sehr spannend. Hier finde ich z.B. die „Quarantine Converstations“ von Magnum, aber auch die „Leica – On Air“ von Leica Frankreich sehr interessant.
2.
Ich denke, kommentierte Videorundgänge in Kombination mit hochwertig digitalisierten Arbeiten, die sich der Betrachter zusätzlich ansehen und bei denen auch die Materialität beurteilt werden kann, im besten Fall kombiniert mit Interviews mit den Ausstellenden. Hier fand ich das Konzept von RAW Frei Haus (RAW Phototriennale Worpswede) ganz gut. Auch Ausstellungskataloge bekommen im Kontext eines Lockdowns noch einen anderen Stellenwert. Zu diesen könnte ich mir auch einen Audioguide gut vorstellen.
3.
Tatsächlich habe ich erst durch die Corona-Zeit Youtube für mich als Konsument entdeckt und arbeite auch selbst an Konzepten, um meine Arbeiten etwas vermehrt digital zu präsentieren.
Ich hoffe, dass es immer nur eine begleitende Rolle spielen wird, jedoch hat diese für mich sowohl als Konsument als auch als Produzent an Gewicht zugenommen.