Christian Klant ist Spezialist für handgemachte, analoge Fotografie. Mit dem Kollodium Nassplatten Verfahren fotografiert er Wet Plates für freie Projekte und Auftragsarbeiten. Eine Reise nach Portugal begann mit dem Ende seines Ateliers in Berlin – anderthalb Jahre vor der Abreise.
Christian Klant realisiert mit einem eingespielten Team aufwändige Produktionen und lässt Bildwelten entstehen, die der Zeit enthoben scheinen und gleichzeitig einen modernen Twist aufweisen.
Ausgerüstet mit Großformat-Kameras und einer mobilen Dunkelkammer werden die Bilder direkt nach der Belichtung vor Ort entwickelt. Das ermöglicht eine schnelle Beurteilung der Ergebnisse und schafft Raum für die Feinabstimmung. Durch den gekonnten Einsatz unterschiedlicher Objektive wird die klassische digitale Bildbearbeitung überflüssig.
Der Detailreichtum der hochauflösenden Scans ist beeindruckend, die Auflösung um ein Vielfaches höher als selbst die der modernsten digitalen Mittelformat-Kameras.
„Ich erinnere mich noch an den Geruch, der mir entgegenschlug, als ich die Türe zu meinem Atelier öffnete. Knapp drei Wochen war ich verreist und wollte nur kurz nach dem Rechten sehen, etwas für ein Shooting am kommenden Tag vorbereiten. Ein unangenehm modriger Geruch verhieß nichts Gutes. Der erste genauere Blick ebenso wenig. Zuerst wollte ich es nicht glauben, doch musste schmerzlich realisieren, dass während meiner Abwesenheit eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit dazu geführt hatte, dass alles mit Schimmel überzogen war. Der Fußboden, die Arbeitsplatte der Küche, mein Vergrößerer in der Dunkelkammer, Objektive, noch unversiegelte Platten. Einfach alles.
Die nächsten Wochen waren gekennzeichnet von Zweifeln, der Versuchung, die ganze analoge Fotografie über den Haufen zu werfen und den Bemühungen, zu retten, was zu retten war. Was blieb, war ein substantieller Schaden an Material, Nerven und Seele.
Es dauerte einige Zeit bis ich wieder neuen Mut fassen konnte und mich auf die Suche nach einem neuen Atelier begab. Trotz vieler interessanter Möglichkeiten war auch noch nach einem Jahr kein neues Studio gefunden. Frustriert nahm ich die Misere zum Anlass, meine Kreativität bis auf Weiteres ad acta zu legen.
Was ich nicht sehen wollte, war die Tatsache, dass ich für viele meiner freien Projekte gar kein Studio brauchte. Nach und nach sickerte die Gewissheit durch, dass es Zeit war, mich auch ohne Atelier zu arrangieren. Neue Perspektiven waren gefragt und ein neues Landschafts-Projekt war die logische Antwort.
Einmal wieder Feuer gefangen nahm das Projekt schnell Formen an. Schon lange wollte ich große Tintypes von imposanten Felsen- küsten fotografieren. Die Algarve in Portugal stach mir da gleich ins Auge. Und warum nicht einfach den Aufenthalt mit einem Winterurlaub mit der Familie verbinden? Zum Glück ist meine Frau weise genug zu wissen, auf was sie sich da einließ. Der Deal: Die ersten zwei Wochen für die Familie, danach volle Konzentration auf die Shootings. In der Praxis waren die ersten zwei Wochen vor allem vom Location-Scouting geprägt. Mit schmeichelhafter Überredungskunst konnte ich immer wieder neue Küstenabschnitte als ideale Tagesziele für die Familie deklarieren und so das Sinnvolle mit dem Nützlichen verbinden.
Mit der länger werdenden Liste vielversprechender Locations stieg auch die Erwartungshaltung an mich selbst. Schließlich sollte dieses Projekt ein Befreiungsschlag aus der Stagnation nach dem Schimmel-Desaster werden. Die brandneue 16×20“ Kamera, 15 Liter Silberbad, mindestens genauso viele Objektive, viele jungfräuliche Platten und ein aufgeregter Fotograf fieberten dem ersten Shooting-Tag entgegen.
Acht Tage am Stück hatte ich mir vorgenommen zu fotografieren. Glücklicherweise hatte ich meinen Assistenten Petrus Maree dazu gewinnen können, mich dabei zu unterstützen. Zwischendrin wollte ich noch Videos mit einer Drohne aufnehmen und Making of Material sammeln. Schließlich sollte über das Projekt auch ein Video entstehen. Alles war bestens geplant. Dachte ich.
Die ersten Tage begannen vielversprechend und trotzdem stieg der Druck, meine eigenen Erwartungen zu erfüllen. Die Ergebnisse waren ok, aber noch nicht auf dem Niveau, wie ich es mir vorgestellt hatte. Dann kam Tag 4 und das Desaster. Wie immer erreichten wir früh am Morgen noch vor Sonnenaufgang unseren Spot des Tages. Während ich im Sonnenaufgang Aufnahmen mit der Drohne machte, baute Petrus das Dunkelkammer-Zelt auf der Terrasse eines im Winter geschlossenen Restaurants auf. Als gerade alles fertig war, kam der Besitzer des Restaurants und gab uns ziemlich deutlich zu verstehen, dass wir sofort und unverzüglich alles wieder einzupacken haben. Wohlwollende Versuche zu erklären, dass hier große Kunst im Entstehen ist, halfen nichts. Vielmehr nahm die Gesichtsfarbe des Mannes einen ungesunden Lila-Ton an.
Zähneknirschend bauten wir alles wieder ab und 200 Meter weiter wieder auf. Was für ein mieser Start in den Tag. Inzwischen war mein erstes Motiv dem veränderten Sonnenstand zum Opfer gefallen. Das zweite Bild habe ich im Eifer des Gefechts versaut, da ich den Plattenhalter falsch herum in die Kamera eingelegt habe. Als die neue Platte fertig zum Belichten war, stand mein Stativ knietief im Wasser der aufkommenden Flut, die gleich noch einen wesentlichen Teil meines Bildaufbaus verschlungen hat. Wütend und hektisch versuchte ich die Belichtung und meine Kamera gleichzeitig zu retten.
Ok. Neues Motiv, neues Glück, noch effizienter werden. Das Ergebnis war ein miserables Bild und eine Platzwunde am Kopf, den ich mir an meiner eigenen Kamera blutig geschlagen hatte. Stop! Was war hier los?
Erschöpft und frustriert musste ich mir eingestehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Der Druck, den ich mir selbst auferlegt hatte, war zu groß geworden. Mein Masterplan war schmerzlich mit der Realität kollidiert. Erst nach meiner Rückkehr nach Berlin sollte ich erkennen, dass ich an diesem Tag einige der stärksten Bilder meiner Serie fotografiert habe.
Derweil versuchte ich, zurück in unserem Ferienhaus, zu analysieren, was schief gelaufen war. Mir wurde klar, dass ich starr an meinen Erwartungen festgehalten und keinen Raum für unerwartete Entwicklungen gelassen hatte. Außerdem hatte ich versucht, meinem ach so tollen Regieplan hinterher zu laufen und immer schneller zu werden. Wer auch nur eine Ahnung von den diffizilen Gleichgewichten des Kollodium-Nassplatten-Verfahrens hat, erkennt gleich, dass dies keine gute Idee war.
Spät am Abend konnte ich mich mit einer neuen Art der Bescheidenheit anfreunden. Die mir sonst gewohnte Ruhe kehrte zurück und mit ihr das Vertrauen.
Ich erinnere mich noch genau an das erste Bild von der beeindruckenden Szenerie der ‚Ponta da Piedade‘, das ich am Morgen danach fotografierte. Hier passte einfach alles. In meinem Notizbuch schrieb ich: „Thank you! There is magic in this plate.“
Später sollte ich feststellen, dass ‚Ponta da Piedade‘ übersetzt ‚Spitze des Erbarmens‘ bedeutet. Die nächsten Tage waren wunderbar und dank der unermüdlichen Unterstützung von Petrus konnte ich die meisten meiner Wunschmotive fotografieren. Bei meiner Rückkehr nach Berlin zeigte der Tacho 8.500km an, und im Kofferraum stand sicher verstaut eine Kiste mit 26 belichteten Platten.
Bei den Nacharbeiten spürte ich, wie nach und nach aus den Aufnahmen eine Serie wurde. Der Titel ‚GUARDIANS‘ erschloss sich fast von selbst. 13 Aufnahmen stehen nun als Metapher für die Illusion der Beständigkeit. Selbst die beeindruckenden Felsen-Formationen der Algarve werden tagtäglich von den Elementen erodiert bis sie zu Sand zerfallen.
Was letztlich bleibt, ist der Wandel.“
Workshops
ist Professional Mitglied im BFF, veröffentlichte 2014 sein erstes Buch „100 Wet Plates – 100 Words“ und wird international ausgestellt. Informationen zu seinen aktuellen Workshops: https://christian-klant.de/workshops/