Corona hat gerade auch für Fotografen und andere Kreative dramatische Folgen, denn viele Aufträge sind weg gebrochen, und ohne Rücklagen standen sie plötzlich und unverschuldet vor dem Ruin. Wir haben nach den persönlichen Erfahrungen und Perspektiven gefragt.
1. Wie sehr haben Sie beruflich die Auswirkungen der Corona-Krise gespürt?
2. Konnten Sie staatliche Hilfsprogramme in Anspruch nehmen? Was hätten Sie sich diesbezüglich gewünscht?
3. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis sich ihre berufliche Situation wieder normalisiert hat?
4. Welche persönlichen und beruflichen Konsequenzen werden Sie aus der Corona-Krise ziehen?
Andreas Herzau, Fotograf, andreasherzau.de
1.
Als die Covid-19-Krise in Deutschland ihren Anfang nahm, war ich gerade für ein Stipendium in Liberia. Auf Grund der weltweiten Entwicklung Mitte März musste ich dann zehn Tage früher als geplant abreisen, wobei ich Glück hatte und den letzten Flieger von Westafrika nach Europa bekommen habe. Zuhause dann realisierte ich das ganze Drama. Neben dem sehr veränderten Alltag, waren aber auch all meine Aufträge storniert worden. Da ich ja unter anderem der Fotograf der Bamberger Symphoniker bin und diese auf ihren Tourneen begleiten darf, sind zwei Reisen ausgefallen und mehrere gut bezahlte Jobs in Deutschland, zudem musste auch ein Workshop abgesagt werden.
2.
Ich habe in Hamburg das staatliche Hilfsprogramm Anfang April beantragt und auch bekommen. Das war und ist sehr beruhigend, da ja niemand weiß, wie und wann es weiter geht. Hierbei war es für mich ein großer Vorteil, dass ich bei Freelens e.V. organisiert bin: sowohl durch die schnelle Reaktion der Geschäftsstelle, die laufend die Informationen gebündelt und veröffentlicht hat, als auch die einzelnen Fotografen und Fotografinnen, die mit regelmäßigem Informationsaustausch, einem den Überblick erleichtert haben. Zur zweiten Frage kann ich nur sagen, dass es eine bundeseinheitliche Regelung hätte geben sollen, die dann zwar von den Ländern umgesetzt werden, aber mit einheitlichen Regeln und Formularen bzw. Verfahren.
3.
Das ist kaum abschätzbar. Ich hoffe mal, dass sich im Herbst vielleicht die ersten Möglichkeiten wiedereröffnen, um Geld zu verdienen. Im meinem beruflichen Alltag hat sich grundsätzlich gar nicht so viel geändert. Ich arbeite seit längerem schon an zwei neuen Buchprojekten und einer Ausstellung für den Herbst. Ich nutze die momentane Zeit, diese Projekte weiter zu entwickeln, das Editing vorzubereiten, das Layout der Bücher zu entwickeln …. Das hätte ich auch ohne Covid-19 Krise getan. Der gravierende Unterschied ist, dass ich nicht reisen kann und dass die Umsätze für die kommenden drei Monate nahezu Null sein werden. Gleichzeitig gab es in diesem Zeitraum auch positive Momente, z.B. dass gerade der erste Band der „Bamberg Diary“-Reihe erschienen ist. Eine Reise durch die Europäischen Metropolen und Konzerthäuser mit den Bamberger Symphonikern. In der Situation des Shutdown schon fast schicksalshaft passend. Das Blättern in Büchern ist ja in Zeiten wie diesen das neue Reisen geworden.
Johanna Gummlich, Leiterin des Rheinischen Bildarchivs, rheinisches-bildarchiv.de
4.
Im Großen und Ganzen kann diese Frage nur beantwortet werden, wenn wir die Konsequenzen aus der Krise für die Gesellschaft, die Wirtschaft und auch für die Politik kennen. Daraus leitet sich ja dann das persönliche ab. Im Moment habe ich das seltsame Gefühl, dass ich an einem weltweiten Feldversuch teilnehme, dessen Ende sehr offen ist. Das mag beunruhigend sein, ist aber auch interessant und spannend.
Johanna Gummlich, Leiterin des Rheinischen Bildarchivs, rheinisches-bildarchiv.de
1.
Wir können kaum noch Fotokampagnen ausführen, da in den geschlossenen Museen kein Wachpersonal vorhanden ist und unter Einhaltung der Bedingungen für den Infektionsschutz fotografiert werden muss. Der Zustand wäre ideal zum Fotografieren, aber die Corona-Personalpolitik ist relativ unflexibel – konnte es vermutlich aber auch nur sein. Gleichzeitig wird das RBA sehr viel intensiver in Anspruch genommen als bisher, um eine digitale Sichtbarkeit der Kölner Kultureinrichtungen, insbesondere der Museen, zu verbessern.
2.
Da die Fotografen des RBA alle festangestellt sind, sind sie von den wirtschaftlichen Folgen nicht betroffen. Allerdings haben sich ihre Arbeitsschwerpunkte stark verändert: Statt aktiv beispielsweise Sammlungsobjekte in den Museen oder Ausstellungen zu fotografieren, bestimmen aktuell Tätigkeiten vor Ort im Bildarchiv – also vor allem die Digitalisierung analoger Bestände und die digitale Bildbearbeitung – den Arbeitsalltag.
3.
Ich rechne mit einer Fortsetzung von Sicherheitsmaßnahmen bis mindestens Ende dieses Jahres, tendenziell eher bis Ende 1. Quartal 2021.
4.
Keine, außer dass ich meine Bemühungen um Homeoffice-Tätigkeiten für so viele Mitglieder des RBA-Team wie möglich, intensiviere und ein virtuelles Arbeiten durch entsprechenden Infrastrukturausbau verbessere.
René Denzer, freier Journalist, medienbuero-re.de
1.
Dadurch, dass Veranstaltungen nicht stattfinden, ist der größte Teil meiner freiberuflichen Arbeit weggebrochen. Verschiedene Auftraggeber von Tages- und Lokalpresse – Print wie Online – haben mir 90 Prozent, manche 100 Prozent Honorar-Ausfälle bescheinigt. Das macht sich natürlich auf dem Konto und im Portemonnaie bemerkbar. Die Rechnung ist einfach: Keine Veranstaltungen, keine Fotos, keine Veröffentlichungen, kein Geld. Ausnahme ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der Ausfallhonorare zahlen will für abgesagte Veranstaltungen, für die ich bereits gebucht wurde. Die Auswirkungen spürt man aber auch bei der Arbeit selbst. Eine Redaktion habe ich schon lange nicht mehr von innen gesehen. Absprachen erfolgen ausschließlich per E-Mail oder telefonisch. Bin ich dann mal unterwegs, heißt es Abstand halten. Foto- und Gesprächssituationen sind da manches Mal sehr skurril – können aber durchaus auch heiter sein.
2.
Die Corona-Soforthilfe des Landes NRW ist bewilligt. Doch da gab es einige Verwirrung. Zunächst hieß es, in NRW dürfen auch die Kosten des Lebensunterhalts aus den Bundeszuschüssen beglichen werden. Dieser Passus ist von den NRW-Seiten verschwunden. Nun gilt, was der Bundeszuschuss vorsieht. Und das heißt: Das Geld kann nur für Betriebsausgaben verwendet werden, sonst muss es zurücküberwiesen werden. Ich habe keine Angestellten, muss keine Büromiete zahlen- in dem Fall nützt mir die Soforthilfe im Grunde herzlich wenig.
3.
Im Bereich der Veranstaltungen wird es meiner Meinung nach noch eine ganze Weile dauern. Konzerte, Kongresse, Feste, Messen, aber auch große Bürgerversammlungen wird es auf unbestimmte Zeit nicht geben – oder zumindest in anderer Form. Auch ist noch nicht absehbar, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf so manchen Auftraggeber haben wird. Das wird sich erst noch zeigen. Die berufliche Situation wird zumindest anders sein als vorher.
4.
Fotografie, Bewegtbild, Wort und Schrift – ich bin im journalistischen Bereich breit aufgestellt, auch was die Themen anbelangt. Das ist gut so. Allerdings haben Veranstaltungen überwogen und den größten Teil meiner Arbeit ausgemacht. Da merkt man jetzt die Abhängigkeit. Davon will ich mich lösen. Den Kopf in den Sand stecken und nur Jammern hilft dabei aber überhaupt nicht. Die Konsequenz für mich: Nicht auf der Stelle bleiben, sondern sich ständig weiterentwickeln. Weiterhin offen sein, neue Wege gehen – auch ungewöhnliche. Flexibilität und Kreativität sind gefragt – auch was Arbeitsprozesse und technische Möglichkeiten betrifft.
Bernd Hentschel, Fotograf, bernd-hentschel.de
1.
Da ich fast ausschließlich Menschen fotografiere, wurde ich von der Krise als Fotograf voll getroffen. Da es sich bei meinen Motiven überwiegend um Künstler, insbesondere um Tänzer, handelt, wurden gleich mit dem Verbot von Veranstaltungen alle Aufträge für die nächsten Monate storniert. Eine gute Einnahmequelle waren für mich zum Beispiel die jährlichen Vorstellungen von privaten Ballett- und Tanzschulen mit bis zu 500 Schülern auf der Bühne.
Bei Tanzvorführungen sind vor dem Event über Monate intensive Proben erforderlich. Da diese nun auch nicht stattfinden können, ist absehbar, dass es auch nachdem das Training wieder aufgenommen werden kann, noch eine ganze Weile dauern wird, bis es wieder größere Vorstellungen gibt. Neben den Absagen ist nach wie vor bei allen Menschen eine starke Verunsicherung vorhanden., So wurde mir bisher nur ein einziger neuer Auftrag für die Proben eines überregionalen Tanzevents im November erteilt.
Ich biete am 30. Mai einen seit Monaten ausgebuchten Workshop zur Tanz-, Konzert- und Bühnenfotografie an. Leider ist noch vollkommen unklar, wann außerschulische Kurse und Fortbildungen wieder möglich sind. Da sich die Regeln wöchentlich ändern, werde ich bis ein paar Wochen vor dem Kurs warten müssen, bis ich den Teilnehmern und den Modellen sagen kann, ob er stattfinden kann. Gegebenenfalls werde ich statt etwas zu verdienen, den Teilnehmern ihre Anzahlungen erstatten müssen. Ob ich den gebuchten Raum kostenfrei stornieren kann, ist noch offen.
Für den Herbst hatte ich eine Reihe mit Kursen zur Blitzfotografie mit unterschiedlichen Schwerpunkten geplant. Für diese Kurse miete ich mir geeignete und oft ungewöhnliche Räume an. Auch das ist derzeit leider gar nicht möglich. Die Planungen sind daher auf Eis gelegt.
Nach den Vorstellungen von Ballett- und Tanzschulen konnte ich in der Vergangenheit über die Plattform Fotograf.de Bilder an die Beteiligten recht gut verkaufen und hatte damit dauerhafte Einnahmen auch in den Wochen, in denen ich mal keine Kamera in die Hand genommen hatte. Diese Einnahmen fallen nun aber auch weg.
Die Zwangspause nutze ich allerdings gerade auch, um zum Beispiel neue und ausgefallene Lichtkonzepte für die Studiofotografie in Ruhe zu erproben und zu optimieren.
Ich hatte schon mehrmals überlegt, ob ich die Fotografie weiterhin in Teilzeit oder doch in Vollzeit machen soll. Wie man sich denken kann, bin ich nun froh, dass ich mich entschieden habe, nebenberuflich zu fotografieren und auch ohne feste Studiomieten und Personalkosten auskomme.
2.
Staatliche Hilfsprogramme konnte ich nicht in Anspruch nehmen, da ich nicht hauptberuflich als Fotograf arbeite. Für die stornierten und nicht erteilten Aufträge und für die ausfallenden Workshops bekomme ich daher leider keinerlei Ausgleich.
3.
Wie ich oben schon schrieb, dauert es auch nach der Wiederaufnahme von Proben in Theatern und Tanzschulen eine Weile, bis wieder das Niveau für große Vorstellungen erreicht ist. Bei den großen Bühnen geht es vielleicht noch recht schnell. Die freien Tanzschulen mit derzeit noch begeisterten Schülern müssen jedoch befürchten, dass sie eine zulange Ausfallzeit nicht durchstehen können. Derzeit haben sie noch das Glück, dass viele Eltern der Schüler solidarisch den Beitrag weiterbezahlen. Der Unterricht soll dann an Wochenenden oder in den Ferien nachgeholt werden. Diese Solidarität ist aber natürlich nicht grenzenlos, zumal viele Eltern ebenfalls Einkommenseinbußen haben werden. Wenn es länger als bis zu den Sommerferien dauert, werden viele Tanzschulen leider nicht durchhalten können.
Seit dem 20. April 2020 ist zum Glück wieder Fotografie von Einzelpersonen unter Beachtung von Auflagen möglich. Makeup kann ich noch nicht wieder anbieten und die Kunden müssen sich daher selbst schminken. Zum Glück ist das bei den Menschen aus der Kulturszene in der Regel kein größeres Problem. Einzelkünstler, die aktuell zum Beispiel neue Bilder für ihre Homepage, für Social Media, ein neues CD-Cover oder wofür auch immer brauchen, können diese Zeit ohne Engagements natürlich nutzen. Daraus ergeben sich für mich gerade ein paar Aufträge. Das wird allerdings auch nur von begrenzter Dauer sein. Die Künstler können gar nicht absehen, wann sie wieder sichere und planbare Einnahmen haben werden. Bei den leider sehr bescheidenen Gagen hatten sie in der Regel auch keine Chance Rücklagen zu bilden. Viele Tänzer, Sänger oder Musiker arbeiten als private Lehrer, auch diese Verdienstmöglichkeit wurde ihnen auf unabsehbare Zeit genommen.
Und ob ich in diesem Jahr noch Workshops realisieren kann, ist ebenfalls ungewiss. Wenn es wieder Fort- und Ausbildungen in Gruppen geben wird, dann zuerst an den Schulen. Die privaten Kurse, egal ob Volkshochschulen oder Fotolehrgänge, werden wohl noch eine ganze Weile ausgesetzt bleiben.
4.
Eigentlich war ich als Fotograf mit dem Zustand vor der Corona-Krise ganz zufrieden. Ich denke daher nicht darüber nach, was ich dauerhaft gänzlich anders machen könnte, sondern wie ich die Zeit sinnvoll überbrücken kann. Neben der Künstlerfotografie habe ich auch Aufträge von Firmen für zum Beispiel Mitarbeiterporträts. Das mache ich gelegentlich sehr gerne, aber ich möchte es nicht dauerhaft zum Schwerpunkt meiner Arbeit zu machen.
Bei Fotokursen überlege ich, diese nun nicht für Gruppen, sondern als Einzelcoaching anzubieten. Ein Problem ist dabei natürlich, dass die Begeisterung an der Menschenfotografie bei sehr vielen potentiellen Kunden auch gerade auf einem Tiefpunkt ist. Den Künstlern, die in der Zwangspause festhängen, biete ich zu verhandelbaren Preisen bzw. Ratenzahlung Fototermine an – quasi auch als Kultursponsoring in dieser insbesondere für Kulturschaffende sehr harten Zeit. Dieses Angebot wird im Moment noch gut angenommen. Mal schauen, wie es sich längerfristig bei der unsicheren Lage entwickelt.
Online-Kurse sind natürlich bei vielen Kulturschaffenden und Fotografen gerade in der Überlegung. Leider haben wir als Menschheit vor ein paar Jahrzehnten den großen Fehler gemacht, im Internet alles ohne Bezahlung haben zu wollen. Dabei haben wir nicht bedacht, dass wir dann eben durch die Weitergabe persönlicher Daten zahlen und durch Werbung belästigt werden. Wenn es normal wäre, für eine Online-Dienstleistung zu bezahlen, wie ich es bei einer Dienstleistung im wirklichen Leben gewohnt bin, wäre zum einen die Qualität vieler Online-Angebote ungleich besser und es wäre darüber hinaus eine mögliche Einnahmequelle für die nächsten Monate für viele Künstler. Da das Internet an kostenlosen Fotolehrgängen unterschiedlichster Art und Qualität überschwemmt ist, verspüre ich überhaupt keine Motivation, daran Gedanken und Zeit zu verschwenden. Ich werde dann eher versuchen, meine Kurse zu Individualkursen umzugestalten.
Es bleibt die Hoffnung, dass nach der entbehrungsreichen Zeit, der Wert von live erlebter Kultur besser gewürdigt und auch bezahlt wird, als es in der Vergangenheit der Fall war.