Wer sich in Deutschland für Fotografie, große Fotografen und aktuelle Foto-Ausstellungen interessiert, stößt unweigerlich irgendwann auf den Namen Nadine Dinter.
Die Public Relations-Spezialistin für Fotografie ist außerdem Kuratorin und Journalistin und betreut national und international kulturelle Institutionen. Daneben buchen sie Fotografen für ihre PR-Arbeit, darunter Newcomer, etablierte Fotografen und internationale Stars.
Mit ihrem markanten Haarschnitt, den klaren Augen und überwiegend schwarzen Outfits entspricht sie im Grunde dem Idealbild der von ihr präsentierten Künstler. „Zu dieser Clean Woman gibt es aber auch eine Gegenseite“, so Nadine Dinter, die ihren Stil als „japanischer Avantgarde meets Fetisch“ beschreibt.
Vor der Kamera verschiedener Fotografen werden noch mehr Aspekte ihrer Persönlichkeit sichtbar, die sie in den letzten Jahren – jeder auf seine persönliche Art – interpretiert haben. In ProfiFoto 7-8/20 präsentiert ProfiFoto eine breite Auswahl dieser Arbeiten.
„Meinem Mann Torge Koczorowski stehe ich bereits seit 1999 Model; er ist sozusagen mein persönlicher Foto-Chronist”, so Nadine Dinter.„Durch die langjährige „Zusammenarbeit“ mit Nadine haben wir eine ganz bestimmte Dynamik, eine Art nonverbale Kommunikation beim Fotografieren entwickelt. Das merke ich auch immer bei der Arbeit mit anderen Modellen; da müssen dann Posen und Ideen mehr besprochen werden“, so Torge Koczorowski. „Die meisten meiner Aufnahmen von ihr entstehen spontan bei Available Light“.
Von den Arbeiten der anderen Fotografen favorisiert er die von Thomas Karsten. „Ich liebe das gesamte Werk von Thomas Karsten. Ich hatte das Glück, ihn persönlich kennenzulernen und ihm bei der Arbeit zusehen zu können.“
Vor dessen Kamera stand Nadine Dinter erstmals 2009: „Ich lasse mich immer spontan auf die jeweilige Person, Stimmung, Location und andere Umstände ein“, so der Fotograf. „Die Bilder entstehen immer in direkter Zusammenarbeit mit den Frauen vor meiner Kamera. Ich lasse einfach zu, was die Frauen bereit sind, vor der Kamera zu offenbaren. Ich gebe Anregungen, bestimme den Bildausschnitt und versuche dabei möglichst im Hintergrund zu bleiben“, erklärt Karsten seine Arbeitsweise.
„Wir haben einen ganzen Tag zusammengearbeitet. Es ist ein fließender Prozess, den ich ungern unterbreche. Es sind dabei einige hundert Bilder entstanden. Wesentlich ist, dass die Person vor der Kamera ganz bei sich bleibt. Egal wie exhibitionistisch sie dabei vorgeht. Ich lasse alles zu und dokumentiere die Szenerie. Ich fotografiere nicht meine Phantasien, sondern die der Frauen vor meiner Kamera“, so Thomas Karsten über sein Credo.
Ganz anders der Fotograf George Holz: „Nadine ist unglaublich schön, stark, ungehemmt und fotogen – mit einem großen Sinn für persönlichen Stil. Da sie selbst Fotografin und Journalistin ist, hat sie die einzigartige Fähigkeit und Wahrnehmung, zu wissen, wie es ist, auf beiden Seiten der Kamera zu stehen“.
Einer seiner Lieblingsorte in Berlin war das legendäre Hotel Bogota, in dem er auf seinen Reisen nach Berlin übernachtete. Das Hotel Bogota war der Ort, an dem die Fotografin Yva ihr Studio hatte und Helmut Newton bei ihr in die Lehre ging. „Es gab also eine tiefe und bedeutungsvolle Verbindung für Nadine und mich zu diesem Ort“, so Holz. Das Bild entstand im Zimmer 433 (auch bekannt als das Rupert Everett-Zimmer, da es sein Lieblingszimmer war), wo dem Fotografen das Licht zu den verschiedenen Tageszeiten vertraut war. „Ich liebe es, in Berlin zu fotografieren, es hat ein sehr einzigartiges Licht – wie Helmut zu sagen pflegte: der bleierne Himmel“, so Holz.
Was ihn mit Thomas Karsten eint: „Es ist wichtig, dass mein Gegenüber nicht nur seinen Körper, sondern auch die Seele entblößt“, so der Profi.
Nadine Dinters Urteil über die unterschiedlichen Interpretationen ihrer Person: „Ich liebe sie alle, da keines von ihnen dem anderen gleicht. Jede Bildsprache lässt mich als eine andere Frau erscheinen, jeder Fotograf hat mich mit seiner Energie, seinem Können und seiner Inszenierung begeistert. Dafür bin ich allen sehr dankbar.“ Für sie die größte Herausforderung: „Sich in die jeweilige Bilderwelt hineinzufinden, Anweisungen umzusetzen und Posen zu halten; und zum Teil auch über den eigenen Schatten springen.“
Ihren eigenen Anteil an den Bildern schätzt Nadine Dinter unterschiedlich ein: „Bei Thomas Karsten hatte ich komplett freie Hand, weil er die Frauen so abbildet, wie sie sich fühlen, sich geben und zeigen möchten. Die Zusammenarbeit mit George Holz bedurfte einiger Feinarbeit, um seine genauen Vorstellungen umzusetzen… bis hin zur genauen Positionierung der Finger, dem genauen Winkel des Kopfes etc.. Martin Eder hat mich am meisten herausgefordert und hatte genaue Ideen, mich als Wesen seiner Welt zu inszenieren, das man auf dem Foto sieht. Bei Greg Gorman war wiederum alles anderes. Ich habe die Rahmenbedingungen geschaffen, also das Studio angemie-tet, Logistik, Make-up und Outfits vorbereitet, und dann ging es auch schon los. Mit voller Entourage,
viel Technik und präzisen Anweisungen, denn als Hollywood-Legende wusste er natürlich ganz genau, wie ich zu schauen, stehen und posieren hatte. Das Shooting mit Gerhard Kassner fand in seinem Berlinale-Fotostudio statt; hier durfte ich zwischen den offiziellen Shootings mit den Stars mein Foto machen lassen. Dank seines minimalistischen Aufbaus, unverkennbarer Lichtsetzung und drei möglicher Bildausschnitte konnte ich mir bei ihm das beste Bild davon machen, wie MEIN Bild am Ende aussehen würde. Nach fünf Minuten war alles vorbei und der nächste Termin stand an. Die Sujets zum Shooting mit Boris Eldagsen habe ich auf Basis eines kognitiven Verfahrens erstellt, indem ich mit seiner Hilfe Symbole ausgesucht habe, die „zu mir sprechen“ und Teil meiner kreativen Seite sind. So haben wir mit Hilfe von Accessoires eine Parallelwelt gebaut, in der ich dann agieren und posieren durfte.“
Das längste Shooting war das mit Thomas Karsten, das kürzeste das mit Gerhard Kassner: „Wenn ich für jedes Shooting einen Claim texten dürfte, wären dies unter anderem die folgenden: Thomas Karsten – Be yourself; George Holz – Stretch to the max and be sexy; Greg Gorman – Star posing, big eyes and chin up; Gerhard Kassner – Starker Blick, klare Pose; Martin Eder – enter the darkness; Boris Eldagsen – boost your fantasy and shine on“, so Nadine Dinter.
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Bild oben: 2009 Berlin, Thomas Karsten