Am 16. April werden die Gewinner des World Press Photo Wettbewerbs 2020 bekannt gegeben. Dem für einen der Preise nominierten deutschen Fotografen Maximilian Mann wird indes von der iranischen Fotografen Solmaz Daryani vorgeworfen, seine Bilder seien Plagiate. Was ist dran an der Anklage?
Maximilian Mann ist Mitglied von DOCKS, einem Kollektiv von fünf Dokumentarfotografen, die gemeinsam individuelle und zeitgenössische Ansätze für die Dokumentarfotografie entwickeln und persönlich gewählte Themen hinterfragen und reflektieren. Am 10. März 2020 wurde Maximilian Mann in dem Blog-Eintrag „When Carbon Copies Fade“ von Kaveh Rostamkhani beschuldigt, Bilder von Solmaz Daryani kopiert zu haben. Daryani wird von Rostamkhani und der Plattform Visura mit den Worten zitiert: „Es ist sehr unethisch und unfair, so viele Bilder meiner Geschichte eines nach dem anderen zu reproduzieren“.
Auf seiner Webseite nimmt das Kollektiv Stellung zu den Vorwürfen: „Diese Woche erhielten wir einen Hinweis von jemandem, der mit Daryanis Arbeit vertraut ist, dass die Bilder, auf die in den Anschuldigungen Bezug genommen wird, am 20. Februar 2020 noch nicht auf ihrer Website veröffentlicht worden waren“, so das Kollektiv, denn es sei nicht möglich, dass Maximilian Mann Bilder plagiiert hat, die erst nach seiner WPP-Nominierung veröffentlicht wurden.
DOCKS: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass Solmaz Daryani kurz nach der Ankündigung die Redaktion ihrer Geschichte geändert und ähnliche Bilder aus ihrem Archiv veröffentlicht hat, um den Vorwurf des Plagiats zu erheben. Außerdem sind neun von zehn fraglichen Bildern nicht Teil ihrer zahlreichen Veröffentlichungen. Maximilian Mann kann keine Bilder plagiiert haben, die er nie wirklich gesehen hat.“
Über Wayback Machine, einen Dienst, der frühere Versionen von Websites aufzeichnet, ist es möglich, auf eine alte Version von Daryanis Website zuzugreifen. Hier fand DOCKS Beweise dafür, dass neun von zehn Fotos, die unter Plagiatsverdacht stehen, nicht Teil ihrer ursprünglichen Bearbeitung waren. Über das Wayback Machine-Archiv kann auf die alte Website zu zwei verschiedenen Zeitpunkten zugegriffen werden: Am 28. April 2019 und am 8. Oktober 2019.
https://web.archive.org/web/20191008115410/http://www.solmazdaryani.com/lake-urmia-iran-watercrisis
Maximilian Manns Arbeit wurde im Januar 2019 abgeschlossen und vor dem 8. Oktober 2019 mehrfach veröffentlicht. „Es war Maximilian Mann daher unmöglich, die neun fraglichen Bilder Daryanis während des gesamten Prozesses seiner Arbeit – Recherche, Fotografie und Bearbeitung – zu kennen“, so das Kollektiv.
Erst später, höchstwahrscheinlich nach Maximilian Manns WPP-Nominierung, sollen die Bilder demnach auf Daryanis Website geändert worden sein. DOCKS: „Auch die Bearbeitung der Geschichte auf der Online-Plattform Visura wurde am 14. März 2020, vier Tage nach der Veröffentlichung von Rostamkhanis Artikel „When Carbon Copies fade“, mit neuen Fotos aktualisiert. Darüber hinaus haben wir alle Bilder aus den zahlreichen Online-Publikationen von Daryanis Geschichte „Eye of the Earth“ analysiert. Und unser Verdacht hat sich bestätigt: neun der zehn fraglichen Bilder sind nirgendwo zu finden. Bis zur WPP-Nominierung von Maximilian Mann verwendete Daryani auf ihrer Website und in ihren Publikationen verschiedene Bilder.“
Diese Bilder zeigen deutlich weniger Ähnlichkeiten mit den Fotos von Maximilian Mann. Nur eines der zehn Bilder erscheint sporadisch in den Publikationen und auf ihrer älteren Website. Daryanis Bild zeigt einen einzelnen Arbeiter, der Salz von einem Lastwagen schaufelt. Maximilian Manns Bild dagegen zeigt vier Personen, die Salz für private Zwecke einpacken. „Es ist absurd, hier sowohl inhaltlich als auch visuell von einem „Plagiat“ zu sprechen“, so sein Kollektiv. „Würde dieses Bild als „Plagiat“ durchgehen, hätte die gesamte Fotografie ein Problem: Dann müsste fast jedes Bild vom gleichen Motiv als „Plagiat“ bezeichnet werden.“
So argumentiert Rostamkhani, ein von Daryani fotografiertes Bild einer „charakteristischen Felsformation in Govarchin Qaleh“ sei von Maximilian Mann kopiert worden. „Interessant dabei: Wir haben das Bild in keiner Publikation gefunden, selbst auf Daryanis kürzlich aktualisierter Website wird es nicht veröffentlicht!“, so DOCKS. „Wie kann Maximilian Mann ein Bild kopiert haben, das offenbar nur in Daryanis Privatarchiv versteckt war? Dieses Bild steht als eines von vielen Beispielen für die künstliche Schaffung eines Plagiatsfalls. Es zeigt auch die äußerst dürftige Rcherche von Rostamkhani auf. Vermutlich erhielt er die Bilder von Daryani und verbreitete sie ungeprüft“, ist das Kollektiv überzeugt.
Rostamkhani ist dagegen überzeugt, dass es kein Zufall sein kann, dass unter den zehn Bildern für World Press Photo sechs Fotos große Ähnlichkeit mit Daryanis Bildern aufweisen, und das von diesen ausgewählten Bildern sechs einem anderen, ihm bekannten Projekt zum gleichen Thema sehr ähnlich seien. Dazu DOCKS: „Daryani hat im Nachhinein bewusst Bilder ausgewählt, die Ähnlichkeiten mit den Bildern von Maximilian Mann aufweisen. Rostamkhanis Vergleiche basieren auf Bildern, die zur Zeit der Arbeit von Maximilian Mann nirgendwo veröffentlicht waren. Vergleicht man die Bearbeitung von Maximilian Mann mit der Bearbeitung von Solmaz Daryani aus Publikationen (z.B. im Emerge Magazin), so sind die Unterschiede offensichtlich. Das Farbklima ist anders, die Komposition der Bilder und auch die allgemeine Geschichte sind unterschiedlich. Daryanis Bilder sind persönlicher und werden mit privaten Bildern kombiniert. Maximilian manns Bilder sind distanzierter, sauberer komponiert und setzen sich ausführlich mit dem Aspekt der Landwirtschaft und der Wassernutzung auseinander. diese Bilder kontrastieren zu wissenschaftlichen Aspekten, betrachten historische Aspekte in Museen und zeigen den Alltag der Bewohner. Beide Werke können nebeneinander existieren, und jedes für sich hat einen großen Wert“, so das Urteil des Kollektivs.
Dessen Schlussfolgerung: „Nach unseren Recherchen spricht leider alles dafür, dass Solmaz Daryani die fraglichen Bilder aus ihrem Privatarchiv nachträglich auf ihre Website hochgeladen haben muss, sicherlich später als am 8. Oktober 2019, aber höchstwahrscheinlich nach der Ankündigung des WPP am 25. Februar 2020. Ihr Vorwurf des Plagiats wird dadurch haltlos. Wir sind schockiert, wie Kaveh Rostamkhani einen Kollegen öffentlich des Plagiats bezichtigt und damit möglicherweise unwiderruflich Maximilian Manns Ruf schädigt, indem er ein Bild als „Plagiat“ bezeichnet, das nirgendwo anders als in seinem eigenen Blog erschien. Leider müssen wir davon ausgehen, dass die Anschuldigungen nachträglich konstruiert wurden und absichtlich darauf abzielen, Maximilian Mann zu diskreditieren. Deshalb erwarten wir eine öffentliche Entschuldigung von Solmaz Daryani und Kaveh Rostamkhani“, so DOCKS.
https://dockscollective.com/When-plagiarism-accusations-fade