Der Spruch „… und wenn in China ein Reissack umfällt …“ hat als Synonym für alles, was einem egal sein kann, ausgedient. Denn der Coronavirus zeigt aktuell, welch umfassende Folgen Vorgänge in China tatsächlich haben können. Und das nicht zuletzt auch für die Fotobranche, wie es sich abzuzeichnen scheint.
Nachdem im Dezember 2019 Ärzte im chinesischen Wuhan eine neue Form des Coronavirus – genannt SARS-CoV-2 – identifizierten, hat sich die dadurch verursachte Krankheit COVID-19 trotz lokaler Quarantänemaßnahmen weltweit verbreitet.
Ausgelöst hat SARS-CoV-2 unter anderem eine Wirtschaftspandemie. Rekordverluste an den Aktienmärkten in der ganzen Welt sind ein klarer Indikator für die wachsende Besorgnis, dass die Märkte von den Folgen dieses inzwischen globalen Problems schwer getroffen werden könnten. Denn im vergangenen Monat fiel die chinesische Produktion infolge des COVID-19 auf ein Rekordtief. Kein Wunder: Im Jahr 2018 entfielen auf China etwa 16% der weltweiten Wirtschaftsleistung und etwa 28% der weltweiten Produktion. Eine Unterbrechung der iPhone-Produktion in China war für Apple Grund genug, für das laufende Quartal eine Gewinnwarnung zu veröffentlichen.
Die „chinesische Fertigung“ umfasst vor allem aber eine Unzahl an Komponenten, welche in praktisch allen Geräten der Unterhaltungselektronik zu finden sind. Wenn Fabriken in China geschlossen werden, schafft dies in Folge Probleme, die unter anderem auch die Fotoindustrie betreffen.
Mehrere Licht- und Taschenmarken, mit Bezugsquellen in China, haben ihre Kunden sowie Händler auf zu erwartende Verzögerungen bei der Auftragsabwicklung hingewiesen. Etliche Monitoranbieter, wie LG und BenQ, erhalten kaum noch Ware aus dem Epizentrum der globalen Flachbildschirmproduktion in Wuhan.
Nachdem die Produktionsstätte von Fujifilm in China eine Zeit lang komplett geschlossen war, wurde sie zwischenzeitlich zwar wiedereröffnet, arbeitet seither allerdings mit reduzierter Kapazität. Dies führte zu einer Unterbrechung der Produktion diverser Modelle wie X-T30, X-T3 und der neuen X-T4. Auch andere Unternehmen der Fotoindustrie produzieren in China und spüren nun die Auswirkungen der Corona-Krise in dem Land. Was sie eint ist die Hoffnung, dass sich die Lage in den kommenden Wochen entspannt.
Zuletzt hatte 2011 das schwere Erdbeben und der dadurch ausgelöste Tsunami die Produktion in Japan für viele Monate unterbrochen.
Aufgrund dieser Erfahrung versucht der Handel, vorzubeugen: Hamsterkäufe durch Technikhändler weltweit sollen im Februar bei einigen Kameramarken dazu geführt haben, dass geplante Umsätze teilweise um 100 Prozent übertroffen wurden.
Jedoch produzieren längst nicht alle japanischen Kameramarken in China oder verfügen zumindest über zusätzliche Fertigungsstätten andernorts. Canon, Nikon und Fujifilm haben zum Beispiel neben Produktionsstandorten in China und Japan auch weitere in Südostasien. Olympus produziert seine Kameras in Vietnam.
Auch außerhalb Chinas führen die Schließungen dortiger Fabriken sowie die Unterbrechung der globalen Lieferketten zu weiteren Unterbrechungen der Produktion, weil China der größte Exporteur der Welt für Komponenten oder Baugruppen ist. Dass diese zur Zeit anderswo fehlen, liegt auch daran, dass aktuell schätzungsweise mehr als drei Millionen Schiffscontainer in China festsitzen. Eine Folge ist, dass Canon aufgrund des Mangels an Teilen aus China fünf seiner Fabriken in Japan für zwei Wochen schließen musste, in welchen DSLRs, Objektive und Überwachungskameras hergestellt werden. Nikon hat die Markteinführung einiger Objektive verschoben. Und selbst Hersteller, die wie zum Beispiel Sigma exklusiv in Japan produzieren, müssen befürchten, dass japanische Zulieferer aufgrund fehlender Komponenten aus China ausfallen.
Ein weiterer Negativ-Effekt für viele Unternehmen ist, dass der Absatz ihrer Produkte in China leidet – der längst ein wichtiger Markt für hochwertige Kameras und Objektive wie die des Fujifilm GFX-Systems oder von Leica ist. Insgesamt kamen 2018 rund 9,2% der chinesischen Importe (nach Wert in US-Dollar) aus Japan, was zeigt, wie bedeutend das Land für Japans Wirtschaft ist. Allein im Januar 2020 brach der Gesamtwert der japanischen Exporte nach China um 36% ein.
Teilweise aufgrund von Reisebeschränkungen für chinesische Teilnehmer wurden mehrere internationale Messen abgesagt, darunter die Fotomesse CP+, die im Februar in Yokohama stattfinden sollte. Die photokina, die Ende Mai in Köln ihre Tore öffnen soll, hat auf ihrer Webseite eine Stellungnahme dazu veröffentlicht, wie sich eine mögliche Gefährdung durch den Corona-Virus auf die Messe auswirkt. Die Vorbereitungen für die photokina laufen demnach nach aktuellem Stand planmäßig, man stehe aber im permanenten Austausch mit den Gesundheitsbehörden.