Kunden auf die eigene Arbeit aufmerksam zu machen, ist ein Grundanliegen von Berufsfotografen. Ein fokussiertes Portfolio und eine interessante Website sind gute Voraussetzungen, um zum Mappentermin eingeladen oder für einen Job angefragt zu werden. Doch warum rumsitzen und darauf warten, dass ein Kunde sich für einen Job meldet, wenn die Fotografie so viele Möglichkeiten bietet, eigene Geschichten zu erzählen. Eine Geschichte, die nach den eigenen Ideen, Interessen oder Interpretationen entsteht, bietet hohe kreative Freiheit in der Planung und Umsetzung. Und für die Weiterentwicklung und das Selbstmarketing sind freie Fotoprojekte kleine Meilensteine, sie bringen mediale Aufmerksamkeit, wenn sie öffentlich werden und pushen die Karriere.
In einer Podiumsdiskussion sprachen wir über die Möglichkeiten für junge Fotografen, ihre Fotoprojekte zu veröffentlichen. Sowohl die Kreativ Direktorin, die Professorin für Fotografie und auch der Bildredakteur waren der Meinung, dass freie Arbeiten für Auftraggeber in den Bildredaktionen sehr interessant sind und für die (oft jungen) Fotografen erste Sichtbarkeit bei Kunden schaffen können. Alle waren der Meinung, dass Fotografen unbedingt eigene Themen finden und erzählen sollten und gaben Tipps, was beispielsweise Magazine inhaltlich interessiert.
Es wird oft darüber geklagt, dass der Fotojournalismus tot sei und Fotografen keine Jobs mehr bekommen. Das stimmt, aber nur zum Teil. Fotografen, die werblich arbeiten, produzieren schon immer einen Teil ihrer Arbeiten für ihr Portfolio aus eigenem Engagement. Erzählen eigene Ideen in visuellen Konzepten, bieten diese Geschichten dem Markt an oder nutzen sie geschickt für die Selbstvermarktung. Und Fotojournalisten lernen schon im Studium, an einem Thema zu arbeiten und es darzustellen. Nicht nur in Magazinen, auch in Wettbewerben und Stipendien finden freie Fotoprojekte ihre Öffentlichkeit. Und Werber interessieren sich oft besonders für die freien Ideen und Konzepte im Portfolio der Fotografen, auch weil sie Einblick in die Interessen der Person geben.
Das Wort „Storytelling“ wird in diesem Zusammenhang oft benutzt und beschreibt am besten, worauf es ankommt: Es sind nicht einzelne Bilder, sondern das Konzept für eine Serie. Gute Geschichten sind nicht nur handwerklich gut und ästhetisch produziert, sie spannen den Bogen und bringen dem Betrachter das Thema in unterschiedlichen Perspektiven und Sujets nahe. Hinzu kommt die mediale Freiheit in der Erzählung, neben der Fotografie auch Film einzusetzen oder mit Texten zu arbeiten.
Welche Themen sind von Interesse für die Medien und was wird veröffentlicht? Wichtige Voraussetzung: Es muss zur Positionierung des Fotografen passen, um glaubwürdig zu sein. Ein Werbefotograf tut seinem Portfolio keinen Gefallen, ein politisches Thema zu produzieren und ein Fotojournalist fällt irritierend auf, wenn er Mode inszeniert.
In der Podiumsdiskussion wünschten sich die Experten mehr Themen, die vor unserer Haustür stattfinden, anstatt auf anderen Kontinenten. Geschichten aus Deutschland und Themen aus unserem Lebensumfeld. Fotografen sollten für ihre Geschichte gründlich recherchieren, damit sie vermeiden, ein Thema zu produzieren, das schon gesehen ist und keine neuen Aspekte beleuchtet. Um eine erfolgreiche Geschichte zu planen und zu veröffentlichen, ist es wichtig, sich mit dem Markt auseinanderzusetzen und zu prüfen, welche Inhalte im Vordergrund stehen sollten, damit die Arbeit gute Aussichten auf ein Publikum hat und für das eigene Portfolio eine Bereicherung ist. Übrigens kann auch aus einem Auftrag für ein Unternehmen die Idee zu einem erfolgreichen freien Projekt entstehen. Wie das mehrfach ausgezeichnete Buchprojekt „Made in Fukushima“ des Fotografen und Kreativ Direktors Nick Frank, das aus dekontaminiertem Reispapier hergestellt ist und die japanischen Reisbauern unterstützt.
Die Macht der Fotografie ist ungebrochen und der Markt sucht immer nach neuen Geschichten. Bilder sind emotional, sie können Fragen beantworten, aber auch Fragen stellen und Zusammenhänge aufzeigen. Alec Soth, Magnum Fotograf, bezeichnete seine Intention in der Fotografie als „Finger pointing“. Worauf warten, wenn es so viele Geschichten gibt, die auf einen „Fingerzeig“ warten.
Und wie frei sind Sie?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der Ziel- & Visionsfindung und einem erfolgreichen Auftritt sowie in der Honorar- und Nutzungsrechtegestaltung und der Kommunikation mit Kunden.