Düsseldorf, Essen, oder doch woanders? Vielleicht am Ende besser gar nicht? Die Debatte um das geplante Deutsche Fotoinstitut zur Bewahrung des nationalen fotografischen Kulturerbes hat um den Jahreswechsel überraschend wieder Fahrt aufgenommen. Für ProfiFoto unternimmt Chefredakteur Thomas Gerwers den Versuch einer Zusammenfassung der aktuell unübersichtlichen Lage.
Mitte November 2019 verkündete der Haushaltsausschuss des Bundestages die finanzielle Förderung zur Gründung eines Deutschen Fotoinstituts in Nordrhein-Westfalen in Höhe von 40 Millionen Euro. Die Landesregierung NRW begrüßte die Entscheidung. Als Ort des neuen Instituts wurde die Landeshauptstadt Düsseldorf genannt.
Dem widersprach kurz vor Weihnachten Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die im Sommer 2019 ein Expertenteam berufen hatte, das die Grundlagen für den Aufbau einer solch zentralen Einrichtung erarbeiten sollte. Die Entscheidung für Düsseldorf würde laut Grütters das Ergebnis des Expertenteams vorwegnehmen. „Für mich ist die Basis für alle weiteren Überlegungen zu einem Institut für Fotografie dieses Konzept und dessen Auswertung“, so die Kulturstaatsministerin in einem Interview im Deutschlandfunk. „Und dann müssen wir ja auch eine politische Diskussion darüber führen. Düsseldorf ist mit Sicherheit in der engsten Wahl, wenn es dann überhaupt irgendwann später mal um die Standortfrage geht. Wir werden das mit Respekt natürlich dann auch in die engste Wahl nehmen.“
In ihrer Ausgabe vom 8. Januar 2020 berichtete nun die WAZ von der bevorstehenden Gründung eines Fotozentrums in Essen. Hinter der Initiative stecken das Museum Folkwang, das Ruhr Museum, das Historische Archiv Krupp und die Folkwang Universität der Künste. Gemeinsam wollen sie künftig mit vereinten Kräften zu Fragen von Forschung, Lehre, Sammlung, Restaurierung und Ausstellung enger zusammenarbeiten. Köln, das als weiterer Standort für das Deutsche Fotoinstitut im Rennen war, soll zwischenzeitlich sein Interesse verloren haben, denn man habe schon genug „Kulturbaustellen“ in der Stadt.
Die Landesregierung NRW und die Landeshauptstadt haben dagegen die Ko-Finanzierung des Instituts in Höhe weiterer 40 Millionen Euro bereits zugesagt. Während die Initiative pro Düsseldorf unter anderem von Fotografen wie Andreas Gursky unterstützt wird, gehört zu dem von Grütters berufenen Experten-Team unter anderem Prof. Ute Eskildsen, langjährige Kuratorin am Essener Museum Folkwang.
Ministerpräsident Armin Laschet sieht NRW in jedem Fall als Gewinner: „Die Entscheidung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages ist ein großer Erfolg für Nordrhein-Westfalen und zugleich eine Bestätigung der hier vorhandenen Kompetenzen und Erfahrungen im Bereich der Fotografie. Die Vielfalt der Kulturlandschaft Nordrhein-Westfalens wird dadurch zusätzlich bereichert. Nordrhein-Westfalen ist eine der kreativsten Regionen Europas – und nun kommt mit dem Deutschen Fotoinstitut ein weiteres kulturelles Aushängeschild für unser Land hinzu.“
Dabei keimt angesichts der unklaren Lage aktuell auch andernorts wieder die Hoffnung, als Standort des Deutsche Fotoinstitutes erneut in Betracht gezogen zu werden. Zahlreiche Kuratoren und Leiter bestehender Fotosammlungen landauf, landab, bezweifeln dagegen grundsätzlich den Nutzen der Neu-Einrichtung eines Zentrums zur Bewahrung des nationalen fotografischen Kulturerbes und stellen stattdessen die Frage, ob die 40 Millionen Bundesmittel zu dessen Startfinanzierung nicht zielführender bei ihnen angelegt währen, frei nach dem Motto „wenn zwei sich streiten, freuen sich am Ende andere“.