Kunstliebhaber und Romantiker, Narzisst und Machtmensch – der Kunstberater Helge Achenbach ist eine berühmt-berüchtigte Figur im schillernden Kunstbetrieb, die sich im Streben nach Geld und Anerkennung verlor. ProfiFoto sprach mit ihm über die Rolle der Fotografie am Kunstmarkt.
Helge Achenbach betrog den Aldi-Erben und Milliardär Berthold Albrecht beim Vermitteln von Kunstwerken und Oldtimern mit verdeckten Preisaufschlägen und musste dafür vier Jahre in Haft. Seine jetzt erschienenen, schonungslos ehrlichen Memoiren* geben Einblicke in den deutschen Kunstbetrieb, berichten von seiner ersten Galerie, dem Aufstieg als Kunstberater mit mehreren Firmen und Restaurants in Düsseldorf, großen Deals und Exzessen – und dem Absturz mit Verhaftung, Verurteilung und Gefängnis. Es sind die Bekenntnisse eines Filous, den ProfiFoto Chefredakteur Thomas Gerwers zu einem Gespräch über Fotografie am Kunstmarkt traf.
ProfiFoto: Helge Achenbach, nach Jahrzehnten als Art Consultant, wie erlebten Sie die Entwicklung der Fotografie im Kunstmarkt?
Helge Achenbach: Mir ist die Fotografie als Teil des Kunstmarkts schon sehr früh aufgefallen, weil an der Düsseldorfer Kunstakademie ja Bernd und Hilla Becker gelehrt haben, die mit ihrer Industriefotografie früh Beachtung fanden und mit ihren Schülern die „Düsseldorfer Schule“ mit Axel Hütte, Andreas Gursky, Candida Höfer und all den anderen begründeten. Ich erinnere mich noch gut an eine frühe Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen „Die Bechers und ihre sechs Meisterschüler“. Ich stolzierte da rein und habe spontan alle Arbeiten gekauft, die gesamte Ausstellung. Das hat damals 550.000 Mark gekostet. Sechs Gurskys, sechs Ruff, sechs Struth, sechs Candida Höfer, sechs Bechers und weitere Arbeiten. Am nächsten Tag habe ich das Konvolut in die Sammlung von Mick Flick weitergegeben. Der ist immer noch froh, dass er damals das gesamte Paket gekauft hat. Insofern war für mich das Thema Fotografie immer ein Teil des Kunstmarkts. Natürlich gibt es die angewandte Fotografie, die sich mit einem Zugang zum Kunstmarkt schwertut, aber das Medium ist natürlich eine großartige Kunstform, auch historisch gesehen.
ProfiFoto: Zumindest die Becher-Schüler, allen voran Andreas Gursky, sind im Kunstmarkt ja tatsächlich Superstars. Wieso nehmen Becher-Schüler diese Position ein? Was macht sie für Sammler so besonders begehrenswert?
Helge Achenbach: Dafür sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend gewesen. Die Becher-Schüler haben große Bildformate eingeführt. Ein 1,20 x 1,80 m großes Foto, zum Beispiel von Axel Hütte, entfaltet die Wirkung eines Gemäldes. Ich erinnere mich gut, als ich einmal Andreas Gursky in seinem Atelier besucht haben als eine Bilder noch wenige tausend Mark kosteten. Damals habe ich erkannt, dass er mit Fotografie Bilder schafft, die gleichwertig mit Bildern anderer Kunstformen sind. Für Sammler war es außerdem hipp, jung, modern und spannend, diese Fotografien zu kaufen.
Die Becher-Schüler hatten das Glück, die richtigen Lehrer zu haben. Bernd und Hilla Becher haben ihr ganzes Leben sehr unkommerziell agiert und zeichneten sich durch eine große Bescheidenheit aus. Wenn die beiden auf Fototour gingen, um irgendein Industriegebäude zu fotografieren, waren sie in einem VW Bus unterwegs, indem sie auch mal übernachteten. Die Bechers waren im kommerziellen Sinn vollkommen unverdächtig, und das wurde auf ihre Schüler übertragen. Aber natürlich hat der Kunsthandel dann Big Business daraus gemacht. Gursky nimmt dabei eine Sonderrolle an. Er erstellt pro Jahr nicht mehr als zehn, zwölf Arbeiten. Er hat den Status eines Popstars erlangt, als er international durch Top-Galerien in die Liga der leicht bekömmlichen Dekorateure eingereiht wurde. Man darf das nicht vergessen, die Reichen finden Dekoratives toll. Die wollen nichts Kritisches kaufen.
ProfiFoto: Konkret zu Gursky: Wie sehen Sie seine Entwicklung am Kunstmarkt und für wie nachhaltig halten Sie diese?
Helge Achenbach: Andreas Gursky vertritt eine nachhaltig wichtige künstlerische Position. Das mittlerweile extrem hohe Preisniveau seiner Arbeiten ist ein Reflex auf die Spekulationslust des Kunstmarkts. Ich glaube, dass das langfristig zum Problem wird, denn im Preissegment jenseits der Millionengrenze wird die Luft für Fotografie sehr dünn, denn so viele Käufer gibt es dort nicht. Gursky verknappt das Angebot, dennoch glaube ich, seine Arbeiten werden sich mittelfristig bei vielleicht 300.000 bis 400.000 Euro einpendeln, aber solange die Galeristen das Preisniveau verteidigen, wird das nicht passieren. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Kunstmarkts, dass der Wert eines Bildes sich nicht am Werk, sondern am Budget der Sammler orientiert. Ein Milliardär kauft lieber ein Bild, dass aus seiner Sicht fünf Millionen wert ist, als eines für 500.000. Solange es dieses Phänomen gibt, wird sich das Preisniveau halten.
ProfiFoto: Gab es Klienten, denen Sie beim Aufbau einer Fotosammlung helfen durften?
Helge Achenbach: Für mich war Fotografie schon immer ein spannendes Element im Rahmen meiner Arbeit. Ich habe zum Beispiel schon vor rund 30 Jahren zusammen mit Kasper König das Konzept der Sammlung zeitgenössischer Fotografie der DZ Bank entwickelt, damals hieß die noch DG Bank. Wir haben die damals junge Kunsthistorikerin Luminita Sabau für deren Leitung engagiert, nachdem wir das Grundkonzept erstellt hatten. Etwa zeitgleich habe ich 15 große Becher Arbeiten an die HDI Versicherung in Hannover vermittelt. Für den damaligen Reiseveranstalter NUR habe ich ein Fotoprojekt entwickelt, in dessen Rahmen Fotografen Reisestipendien erhielten. Candida Höfer reiste nach Spanien, Gursky nach Ägypten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Damals reichten dafür 2.500 Mark für Tickets und Hotels. Die Fotos kosteten 6.000 Mark. Die Preisentwicklung wurde erst viel später durch Galeristen und Sammler getrieben, die den Markt bestimmen.
ProfiFoto: Haben Sie für Berthold Albrecht Fotografie gekauft?
Helge Achenbach: Wir haben klassische, historische Fotografie gekauft, Sander, Steiner, amerikanische Fotografen, viele davon bei Rudolf Kicken.
ProfiFoto: Welche Rolle spielen Auktionen am Markt für Fotokunst Ihrer Erfahrung nach?
Helge Achenbach: Bei den Auktionen werden Künstler gemacht. Wie geht das? Ein Galerist mit Kapital kann in einer Auktion bestimmte Künstler stärken, indem er das Mindestgebot abgibt und Sammler bittet, mitzubieten. Denn wenn ein Bild in einer Auktion zum Beispiel 400.000 Euro bringt, werden die Preise in den Galerien relativ schnell angepasst. Dieses ist ein System, das funktioniert, weil der Kunstmarkt weniger stark reglementiert ist als der Finanzmarkt. Sonst wären viele Galeristen längst Knastkollegen von mir geworden. Bezahlte Bieter sorgen in Auktionen dafür, dass bestimmte Bilder nicht unter Wert verkauft werden. Der Begriff für solche Manipulationen lautet „Marktpflege“.
Wenn jemand heute eine Fotosammlung aufbauen will, wie lautet Ihre Empfehlung? Wie soll er vorgehen? Wie hoch sollte das Startkapital sein?
Sammelt jemand für sich privat, kann ein Kriterium sein, was ihn persönlich fasziniert. Bei dem einen sind das vielleicht Frauen, bei dem anderen Landschaften. Der eine liebt Schwarzweiß, der andere Farbe, das ist immer eine ganz individuelle Frage. Zunächst mal muss man sich fragen, ob man künstlerische oder angewandte Fotografie sammeln will. Da muss man sich entscheiden. Dann sollte man sich über die eigenen Vorlieben und Möglichkeiten klar werden. Will ich aktuelle Fotografie sammeln, hat das den Vorteil, dass ich ganz frisch kaufen kann, also auf nicht so teure Arbeiten zurückgreifen kann. Mit dieser Strategie reichen schon rund 50.000 Euro im Jahr, um eine Sammlung aufzubauen. Will ich klassische Positionen, ist man mit diesem Budget hoffnungslos verloren, da braucht man deutlich mehr.
Ich habe immer versucht, Künstler sehr früh zu kaufen. So lautete auch stets mein Rat an Kunden. 1989 kostete ein Foto von Cindy Sherman rund 80.000 Mark, das war damals teuer, heute aber liegen die Preise für ihre Arbeiten bei 700.000 bis 1.000.000 Euro. Die ganz frühen Bilder von Andreas Mühe kosteten ein- bis zweitausend Euro, heute liegen sie schon bei 10.000 Euro.
ProfiFoto: Wo sollte man kaufen? Bei einer Galerie, einer Auktion, oder beim Künstler direkt?
Helge Achenbach: Ich würde mich zuerst gründlich informieren, also Literatur zu Rate ziehen, dann ins Gespräch mit Galeristen gehen. Auktionen beschleunigen den Prozess. Wer dagegen direkt beim Künstler kauft, dem fehlt bei der
Wertentwicklung das treibende Element. Ein Galerist hat ein Interesse, dass ein Künstler „gemacht“ wird, dass eine Wertentwicklung stattfindet. Darum ist auch für einen Fotografen wichtig, richtig vertreten zu werden.
ProfiFoto: Wer als Fotograf im Kunstmarkt erfolgreich sein will, sollte welche Ratschläge von Ihnen befolgen?
Helge Achenbach: Ich muss im Kunstmarkt eine klare Position vertreten. Das sieht man bei den Bechers, bei Ruff, bei Struth und anderen wie Candida Höfer mit den für sie so typischen Innenräumen. Ich muss eine Wiedererkennbarkeit schaffen, also nicht heute Landschaften, und morgen in jedem Dorf einen anderen Hund fotografieren.
Ich muss mich selbst definieren, so wie Cindy Sherman. Sie nutzt das Medium Fotografie ebenfalls in einer für sie typischen Form. Als Fotograf muss man sich beschränken und konzentrieren. Es geht nicht, Stillleben, Landschaften, Architektur, Werbung und Porträts gleichzeitig zu fotografieren. Das klare Erscheinungsbild ist entscheidend.
Natürlich gibt es auch Beispiele für angewandte Fotografen, die erfolgreich im Kunstmarkt agieren. Dieter Blum, dessen Marlboro-Werbemotive von Richard Prince als Vorlagen für seine Bilder genutzt wurden, kosten heute 100.000 Euro. Modefotografen wie Peter Lindbergh oder Mario Testino haben ebenfalls eine unverwechselbare Bildsprache entwickelt. Entscheidend ist immer die Persönlichkeit des Fotografen und die klar erkennbare Handschrift.
Wichtig ist außerdem, klar definierte Auflagen einzuhalten. Eine Auflage von 100 ist Quatsch, dann bewegt man sich im Bereich der Grafik. Alles im einstelligen Bereich ist gut, less is more, Unikate sind das Beste. Es kommt auf eine hohe Transparenz und Ehrlichkeit in dieser Frage an. Man sollte unbedingt vermeiden, ein Motiv in zehn verschiedenen Größen aufzulegen, um das Thema zu umgehen. Das Printverfahren ist dagegen immer die Entscheidung des Fotografen, er ist der Künstler, er bestimmt. Was die Frage der Haltbarkeit angeht: Der Sammler muss ein Foto ja nicht in die pralle Sonne hängen.
*Selbstzerstörung – Bekenntnisse eines Kunsthändlers, Hardcover, 240 Seiten, ISBN: 978-3-7423-1149-8, 19,99 Euro
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