Früher als erwartet fiel bereits Anfang September die Entscheidung gegen die Wiedereinführung des Meisterzwangs im Fotografenhandwerk. Damit sind entsprechende Bestrebungen des „Centralverbands deutscher Berufsfotografen“, CV, gescheitert, gegen die sich über 8.000 Unterzeichner der ProfiFoto Petition ausgesprochen hatten. Dennoch gibt die aktuelle Situation der Berufsfotografie Anlass zur Sorge – eine Bestandsaufnahme von ProfiFoto Chefredakteur Thomas Gerwers.
Nach monatelangen Verhandlungen hat die zuständige Koalitionsgruppe am 9. September 2019 entschieden, keine Wiedereinführung der Meisterpflicht für Fotografen anzustreben. Dabei ist der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sören Bartol nach wie vor „davon überzeugt, dass der Meisterbrief im deutschen Handwerk die beste Garantie für Qualitätsarbeit, Verbraucherschutz, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft liefert“, so seine Begründung für den Vorstoß. Die Meisterpflicht trage zudem durch die Ausbildung zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses bei.
Gemeinsam mit Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) hat Bartol daher Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gebeten, einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der Anfang 2020 in Kraft treten soll. Von einer Rückvermeisterung sollen dabei allerdings nur die folgenden 12 Berufe profitieren: Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Betonstein- und Terrazzohersteller, Estrichleger, Behälter- und Apparatebauer, Parkettleger, Rollladen- und Sonnenschutztechniker, Drechsler und Holzspielzeugmacher, Böttcher, Glasveredler, Schilder- und Lichtreklamehersteller, Raumausstatter sowie Orgel- und Harmoniumbauer.
Thema verfehlt, 6, setzen…
Angesichts dieser Auswahl stellt sich die Frage, wieso offenbar zu allem entschlossene Politiker den Bestrebungen des CV nicht entsprochen haben. Was war geschehen? Die Argumente des CV haben schlicht das Thema verfehlt.
Zu den Kriterien, die zu der Auswahl führten, erklärt das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi): „Die Wiedereinführung der Meisterpflicht für bestimmte Gewerke muss sich im Rahmen der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) bewegen. Eine Meisterpflicht kann demnach unter anderem bei einer sogenannten gefahrgeneigten Tätigkeit zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit notwendig sein.“ Bei anderen Gewerken spielte abgesehen davon offensichtlich der Kulturgüterschutz eine Rolle. So soll verhindert werden, dass bei aussterbenden Handwerksberufen wie Holzspielzeugmachern oder Böttchern deren Wissen verloren geht.
Die Erfüllung keines dieser Kriterien konnte offensichtlich vom CV in den vorangegangenen Verhandlungen ausreichend untermauert werden. Als Bundesinnungsverband war der CV vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) als einzige Fotografen-Organisation als Ansprechpartner der zuständigen Koalitionsarbeitsgruppe und des BWMi benannt worden. Weder der BFF, noch Freelens oder andere Fotografenverbände wurden um ihre Stellungnahme gebeten.
Hinter verschlossenen Türen wurde im Rahmen einer Anhörung nur der CV unter anderem nach der Relevanz der mit der Meisterpflicht verfolgten Ziele zum Schutz von Leben und Gesundheit befragt. In einer schriftlichen Stellungnahme antwortete der CV im Mai 2019 in offensichtlicher Unkenntnis der Relevanz dieser Frage, man schätze die Bedeutung der Meisterpflicht im Fotografenhandwerk in diesem Zusammenhang gering ein: “Hier können wir für unsere fotografischen Produkte leider keine große Relevanz herleiten“, so der Wortlaut der Antwort des CV zu diesem Zeitpunkt.
Blitz-Panik
Als sich wenig später abzeichnete, dass aus den genannten rechtlichen Gründen dieses Kriterium das entscheidende Für oder Wider einer Wiedereinführung der Meisterpflicht sein würde, legte der CV jedoch nach und warnte das Ministerium eindringlich vor allem vor Gefahren, die vom Einsatz von Blitzgeräten ausgehen würden. Laut CV seien diese nur von Fotografen-Meistern beherrschbar (würde die Politik diese Blitz-Panik ernst nehmen, würden diese Geräte umgehend vom Markt genommen).
So warnte der CV in einer weiteren schriftlichen Stellungnahme unter anderem vor Explosionen und Verpuffungen durch Blitzlicht, das außerdem epileptische Anfälle auslösen könne. Durch die Implosion von Leuchtmitteln können demnach heiße Glassplitter zu schweren Verbrennungen führen. Gefahr bestehe laut „Centralverband“ außerdem für Kunden – insbesondere jene mit Herzschrittmachern – oder spielende Kinder durch Hochspannung und – vor allem bei Außenaufnahmen – durch Kriechströme in Folge unsachgemäßer Isolierung.
Dass diese Horrorszenarien die politischen Entscheidungsträger nicht überzeugen konnten, wundert den offiziellen CV Lichttechnik-Partner Hensel nicht: „Beim Einsatz von professionellen Beleuchtungssystemen für fotografische Anwendungen ist dieselbe Sorgfalt geboten, wie bei allen elektrischen Geräten. Fraglos wird dies durch eine gute Ausbildung gefördert. Aber Erfahrung und Sorgfalt sind ebenfalls wichtig“, so Hensel Geschäftsführer Guido Puttkammer.
Laut CV seien außerdem nur Fotografen-Meister in der Lage, die Statik von Stativen mit Leuchten und schweren Lichtformern ausreichend zu sichern. Damit nicht genug: Nur ein Fotografen-Meister könne imaginäre Gefahren durch UV-Strahlung beim Einsatz moderner LED-Leuchten beherrschen, durch die es zu ernsthaften Hautverbrennungen gekommen sei, weil Fotografen sich damit nicht auskannten. Um gewisse Farbanteile ausfiltern zu können, sei das Wissen eines Fotografenmeisters unerlässlich. Guido Puttkammer: „Auch hinsichtlich der Lichtimmissionen sind hochwertige Produkte renommierter Hersteller, so sie entsprechend der Bedienungsanleitung verwendet werden, betriebssicher und es besteht keine Notwendigkeit besonderer Sicherheitsvorkehrungen.“
Auch öffentliche Statements des CV zu Risiken im Umgang mit (Zitat) „billigen Chinablitzen“ oder gar Fotochemie ernteten Unverständnis. So empfahl der Herausgeber des Magazins Imaging & Foto Contact in einem Kommentar angesichts der (tatsächlich nicht erkennbaren) Gefahrengeneigtheit des Fotografenhandwerks die Einführung der Helm-, statt der Meisterpflicht für Fotografen.
1% gegen 99%
Angesichts dieses, für die Fotografen-Zunft historischen Scheiterns des Bundesinnungsverbands, stellen nicht wenige Fotografen einmal mehr dessen Kompetenz in Frage. Schließlich ist eine Innung in Deutschland die fachliche Interessenvertretung einer Berufsgruppe des Handwerks. Während die Mitgliedschaft in der Handwerkskammer für Handwerker obligatorisch ist, bleibt die Mitgliedschaft in einer Innung jedoch freiwillig. Dem „Centralverband deutscher Berufsfotografen“ beziehungsweise der ihm beigetretenen Innungen gehören nach Einschätzung von Insidern in Folge dessen gerade einmal ein bis zwei Prozent der rund 20.000 in die Handwerksrolle eingetragenen Fotografen an.
Dennoch erfüllt der CV in seiner Funktion als offizieller Bundesinnungsverband die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Angesichts dieser Bedeutung in Staat und Gesellschaft, vor allem jedoch für die Berufsfotografen im Allgemeinen, stellt sich die Frage nach der aktuellen Verfassung der Organisation. Schließlich ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts eine mit öffentlichen Aufgaben betraute juristische Person, der hoheitliche Aufgaben gesetzlich zugewiesen worden sind.
Vorstandsvorsitzender einer Innung ist der Obermeister, dessen Vertreter sind die stellvertretenden Obermeister. Innungen, welche keine eigene Geschäftsstelle einrichten, können die Geschäftsführung der jeweils zuständigen Kreishandwerkerschaft übertragen, unter deren Rechtsaufsicht sie stehen. Im Fall des „Centralverbands deutscher Berufsfotografen“ erfüllt der Vorstandsvorsitzende die Funktion des Geschäftsführers in Personalunion. Selbst Mitglieder des Verbands sehen dies kritisch. Ob der Rücktritt des ehemaligen stellvertretenden Obermeisters Achim Rösch damit im Zusammenhang steht, kann nur vermutet werden, denn insgesamt scheut der CV die Öffentlichkeit und betrachtet seine Regularien als Verschlusssache, was angesichts seines Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts verwundern mag.
„FotoHiero“ und andere…
Bundesinnungsmeister ist seit vielen Jahren Hans Starosta, ehemaliger Inhaber eines Fotostudios im Rentenalter, der als Berufsbezeichnung „Fotodesign“ angibt und sich damit vom Status als Handwerker deutlich abgrenzt. Zu seinen fünf Stellvertretern gehört unter anderem Bernd Gassner, dessen Fotostudio 2017 Insolvenz anmelden musste, obwohl ein Meisterbrief ein solches Schicksal laut CV eigentlich ausschließen sollte.
Während CV Vizepräsident Klaus Rausch vor allem als Fotohändler in Erscheinung tritt, erlangte der als designierter Nachfolger des amtierenden Vorsitzenden gehandelte Stellvertreter Thomas Hieronymi in Anwaltskreisen in den letzten Jahren einschlägige Bekanntheit.
Berichtet wird in zahlreichen Online-Foren von in seinem Auftrag verschickten Aufforderungen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie Zahlung einer Vertragsstrafe im Zusammenhang mit Bildrechtsverletzungen. Hintergrund ist demnach, dass der Fotograf unter der Urheberbezeichnung „FotoHiero“ Bilder über die Online-Plattform Pixelio zur lizenzfreien, kostenlosen Nutzung angeboten hat. Wer die Fotos jedoch auf seiner Webseite nutzt, bekommt nicht selten Post von seinem Anwalt. Dazu die Rechtsanwaltskanzlei Kläner: „Die redaktionelle Nutzung des Fotos sei zwar gestattet, jedoch nur unter der Bedingung, dass am Bild selbst oder am Seitenende der Fotografenname und die Plattform Pixelio benannt würden.“ Das Problem ist laut Rechtsanwalt Jan B. Heidicker allerdings nicht nur die Rechtmäßigkeit dieser Abmahnungen, vor allem jedoch die Höhe der geltend gemachten Beträge. Rechtsanwalt Frank Weiß berichtet dazu beispielsweise von einer Vertragsstrafe in Höhe von jeweils 5.100 Euro für jeden einzelnen Wiederholungsfall.
Stimmrechts-Arithmetik
CV-Mitglieder, die die handelnden Vorstandsmitglieder und derartige Geschäftsmodelle kritisch hinterfragen, haben dennoch wenig Hoffnung auf Veränderung, denn die reguläre Amtszeit des CV Vorstands von fünf Jahren endet erst im Jahr 2022. Erschwerend kommt eine Besonderheit der Vereins-Satzung hinzu: Neben Einzelmitgliedern sind es bekanntlich vor allem regionale Innungen, die im CV vertreten sind. Diese werden in der Mitgliederversammlung von ihren Obermeistern repräsentiert, die je nach Anzahl der von ihnen vertretenen Mitgliedsbetriebe mehr oder weniger viele Stimmrechte wahrnehmen und mithin Abstimmungen und Wahlen innerhalb des CV dominieren. In Folge dieser Stimmrechts-Arithmetik repräsentiert zum Beispiel der stellvertretende Bundesinnungsmeister Gassner mit der von ihm vertretenen, mitgliederstarken Innung Westfalen mehr Stimmen, als viele Einzelmitglieder gemeinsam.
Meisterfotografen
Deren Anzahl will der CV Vorstand aktuell durch eine Satzungsänderung erhöhen, die vorsieht, dass auch Fotografen, die nicht in die Handwerksrolle eingetragen sind, beitreten können. Warum sie das tun sollten, wo selbst Handwerksfotografen den Verein meiden, erscheint rätselhaft. Nota bene: Derselbe Verein, der dafür eintritt, dass gewerbliche Fotografie der Meisterpflicht unterliegen soll, will demnach seine Mitgliedermisere beheben, indem er sich für Nicht-Handwerker öffnet … Da muss erst einmal jemand darauf kommen.
Vergleichbar unlogisch erscheint der Versuch des CV – drei Monate nach Start und rund einen Monat nach Übergabe der ProfiFoto Petition – deren Unterstützer als Amateure zu diffamieren. Auf seiner Facebook-Seite schrieb der CV, er „habe keinen einzigen, nach der Definition des Europäischen Verbandes der Berufsfotografen, professionellen Fotografen“ unter den Unterstützern gefunden. Dazu Unterzeichner Frank Stöckl: „Ich bezeichne mich seit 30 Jahren als Berufsfotograf, ohne berufsqualifizierenden Abschluss übrigens, freiberuflich-künstlerisch als Fotodesigner tätig, Mitglied im BFF (Berufsverband freie Fotografen und Filmgestalter) und hier auch Mitglied im Bundesvorstand, darüber hinaus berufenes Mitglied der DGPh (Deutschen Gesellschaft für Photographie). Ich habe die Petition der ProfiFoto auch unterschrieben …“. Sein Kommentar auf der Facebookseite des CV ist allerdings ebenso wenig öffentlich sichtbar, wie zahlreiche weitere Kommentare zu dem Post, weil der CV Administrator sie zensiert hat. Einige davon sind jedoch auf der ProfiFoto Facebook-Seite zu lesen, unter anderem der Kommentar des renommierten Bildjournalisten Hans-Jürgen Burkard: „Ich habe in meinen über 40 Jahren im Beruf jede Menge toller, junger Menschen kennengelernt“, so Hans-Jürgen Burkard, „die weder eine Gesellenprüfung noch einen Meisterbrief hatten, und trotzdem verdammt gute Fotografen waren. Die brauchen keine Bundesinnungsmeister, die in den Raum stellen, dass da Menschen eventuell nur (Zitat) „ihre Solo (Schein)-Selbständigkeit bewahren wollen, um ihr Hobby von der Steuer absetzten zu können und so der Gemeinschaft zu schaden“, Zitat Ende“.
Die (Un-) Geisteshaltung des aktuellen CV Vorstands verdeutlicht wahrscheinlich am besten die Gegenüberstellung folgender Widersprüche: Einereits postuliert der CV „Ein Fotograf ohne Meisterprüfung kann nur den Auslöser betätigen und weiß nicht wie er das Bild im Entstehungsprozess verändern kann“, andererseits widmet er auf seiner Facebookseite dem Fotografen Peter Lindbergh einen Nachruf, der als bestes Beispiel dafür gelten darf, dass viele der wirklich großen Fotografen keinen Meisterbrief brauchten, um Meisterfotografen zu sein.
Und jetzt?
Dass der Berufsstand der Fotografen in all seiner Vielschichtigkeit aus Handwerkern, Freiberufler und Bildjournalisten großen Herausforderungen gegenübersteht, ist unbestritten. Es scheint angesichts dieser Aufgaben geboten, dass alle Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen konstruktiv gemeinsame Wege suchen, um Antworten auf wirklich drängende Fragen zu finden. Dass diese nicht in der Wiedereinführung der Meisterpflicht zu finden gewesen wären, darin besteht in der Fotografenszene (mit Ausnahme der CV Vorstände und einiger anderer Gestriger) breiter Konsens mit den Verantwortlichen in der Politik. Die gemeinsame Initiative des BVPA und PIV zur Bildung einer „Allianz der Fotografenverbände“, die in diesem Herbst gegründet werden soll, geht daher in die richtige Richtung. Wie diese Allianz angesichts der extrem emotional und teilweise irrational geführten Auseinandersetzung um die Wiedereinführung der Meisterpflicht in der Praxis funktionieren soll, ist unter Beteiligung des CV unter der aktuellen Leitung allerdings schwer vorstellbar. Die professionelle Fotoszene (auch die im Handwerk) hat verdient, angemessen, professionell, seriös und zielführend vertreten zu werden. Es wäre daher die richtige Zeit für den „Centralverband“, sich neu aufzustellen und damit personell und inhaltlich den Weg für dringend benötigte Problemlösungen frei zu machen. Am 28. September bietet dazu die CV Mitgliederversammlung 2019 in Nürnberg die passende Gelegenheit. Allen Beteiligten bon chance und Mut zur Zukunft (und zum Rücktritt) wünscht
Thomas Gerwers
– ProfiFoto Chefredakteur & Herausgeber –
https://www.profifoto.de/szene/notizen/2019/09/10/entwarnung-fuer-fotografen/
https://www.openpetition.de/petition/online/kein-erneuter-meisterzwang-fuer-fotografen
https://www.profifoto.de/szene/notizen/2019/07/30/ueber-8-000-unterzeichner-sagen-nein/
https://www.profifoto.de/szene/notizen/2019/09/09/vor-entscheidung-heute-erwartet/
https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/reform-der-handwerksordnung-kommt