Verunsicherung macht sich breit – darf man das: Fotografieren?
Rund eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung glauben viele Bürger zu wissen, dass man das nicht darf: Fotografieren!
Wie meinte noch gleich der berüchtigte „Hutbürger“: „Filmen Sie mir nicht ins Gesicht“?!
Ein Ausruf, der sicher noch zum geflügelten Wort avanciert … Dabei war die DSGVO, die diese Entwicklung auslöste, eigentlich gut gemeint. Sie sollte den GAFAs (Google, Apple, Facebook und Amazon) das Sammeln von Daten erschweren. Doch während dieser Tage Schulen den Eltern das Fotografieren im vorauseilenden DSGVO-Gehorsam vorsorglich komplett verbieten, speichern die GAFAs die Handydaten von Eltern und Kindern munter weiter bis in alle Ewigkeit.
Da beschleicht einen der Verdacht, dass irgend etwas bei der Umsetzung der EU-Verordnung extrem schiefläuft. Neben Flugscham, Fleischscham und SUV-Scham sollen bereits erste Fälle von Fotoscham auftreten. Wer davon befallen ist, lässt die Kamera lieber stecken, um nicht angeranzt zu werden. War früher gesellschaftlich akzeptiert, dass allerorten und bei vielen Gelegenheiten die Kamera gezückt wurde, verstößt das Fotografieren mittlerweile vielerorts gegen die guten Sitten. Eine Entwicklung, die demnächst in Hysterie umzuschlagen droht. Als Gegenmittel empfiehlt sich Aufklärung. Aufklärung darüber, dass das Fotografieren grundsätzlich eben nicht verboten worden ist. Nein, der Besitz, sowie der Gebrauch und das Mitführen von Kameras ist nicht genehmigungspflichtig und wird es hoffentlich auch nie werden.
So, wie die amerikanische NRA (National Rifle Association) Lobbyarbeit für Waffenbesitzer betreibt, bemüht sich aktuell der Photoindustrie-Verband (PIV) um Aufklärung in Sachen Fotorecht und forderte schon vor einiger Zeit von der Politik eine Korrektur der DSGVO, um Fotografen Rechtssicherheit für ihre Arbeit zu geben. Anstatt sich um dieses berechtigte Anliegen zu kümmern, denken einige Politiker wahrscheinlich schon darüber nach, Kameras – ähnlich wie Zigarettenpackungen – demnächst mit Warnhinweisen zu versehen „Achtung, Fotografieren kann gegen Ihr Recht verstoßen“, gut sichtbar auf der Vorderseite der Kameras, damit auch ja niemand vergisst, sein Recht auch einzufordern, selbst wenn er das gar nicht hat. Aber das wissen viele eben nicht. Es reicht ihnen, zu glauben, es zu haben, um Fotografen damit auf die Nerven zu gehen. Und die Fotografen? Die freuen sich einerseits, dass die befürchtete Klagewelle in Sachen DSGVO (zumindest bislang) ausgeblieben ist. Andererseits werden demnächst sicher Stuhlkreise organisiert, in denen sich Fotografen mit anderen Betroffenen über ihre aufkeimende Fotoscham austauschen können …
(Foto: AaronAmat, iStockphoto)