Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat ein Expertenteam berufen, das Grundlagen für den Aufbau einer zentralen Einrichtung zur Bewahrung des fotografischen Kulturerbes erarbeiten wird.
„Die Werke herausragender deutscher Fotografinnen und Fotografen sind ein wichtiger Teil unseres nationalen Kulturerbes. Doch es gibt erheblichen Nachholbedarf dabei, dieses visuelle Gedächtnis unserer Gesellschaft systematisch zu sichern, aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Deshalb brauchen wir eine zentrale Einrichtung. Das ist das Ergebnis einer Diskussionsveranstaltung in der Berliner Akademie der Künste sowie zahlreicher Gespräche, die ich in den vergangenen Wochen mit Fotografinnen, Fotografen sowie Fachleuten aus Museen, Kunsthandel, Wissenschaft und Forschung geführt habe“, sagte Grütters.
Um Struktur, Aufgaben und Funktionen einer solchen Einrichtung zu definieren, soll das Expertenteam unter Leitung des Foto-Kurators Thomas Weski im Rahmen einer Machbarkeitsstudie Handlungsempfehlungen entwickeln. „Die Überlegungen und Wünsche zahlreicher Fotografinnen und Fotografen sowie vieler Sachverständiger aus dieser Sparte werden dabei einbezogen und konzeptionell auf eine solide Basis gestellt“, so Grütters.
Dem Team gehören an: Prof. Thomas Weski, Kurator, Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt, Prof. Ute Eskildsen, Fotografin, Fotohistorikerin und Kuratorin, Prof. Dr. Thomas W. Gaehtgens, Direktor Emeritus des Getty Research Institute, Los Angeles, und Katrin Pietsch, Fotorestauratorin des Nederlands Fotomuseum, Rotterdam.
Monika Grütters: „Die Frage eines angemessenen Umgangs mit den Vor- und Nachlässen herausragender Fotografinnen und Fotografen ist zwar nicht neu; denn Initiativen dafür gab es auch schon früher: Dennoch kann von einem systematischen Schutz des fotografischen Kulturerbes in Deutschland nach wie vor keine Rede sein. Die Fotografie hat – insbesondere im Vergleich zur Literatur – erheblichen Nachholbedarf. Während die Nachlässe etwa der Schriftstellerinnen und Schriftsteller schon seit Ende des 19. Jahrhunderts – seit der Gründung des ersten deutschen Literaturarchivs in Weimar – Aufnahme in einem dichten Netz nationaler, regionaler und lokaler, staatlicher wie teilweise auch privater Archive finden, ist der Umgang mit den Vor- und Nachlässen bedeutender deutscher Fotografinnen und Fotografen in jüngerer Zeit überhaupt erst zu einem kulturpolitischen Thema geworden. Ja, die Fotografie ist nicht nur eine vergleichsweise junge, sondern auch eine vielfach immer noch unterschätzte Kunstsparte – und das, obwohl die künstlerische wie auch die dokumentarische Fotografie „unsere Augen klüger macht“ und – im wahrsten Sinne des Wortes – das Gedächtnis unserer Gesellschaft abbildet. Hier geht es also nicht nur um die spezifischen Interessen einer Berufsgruppe, sondern um ein öffentliches Interesse: Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, die Nachlässe bedeutender Fotografinnen und Fotografen als bildhaftes Gedächtnis unserer Gesellschaft zu bewahren“, so die Kulturstaatsministerin. „Nur wenige Fotografen kümmern sich selbst um eine langfristige Sicherung ihres Archivs. Die Museen – Sachverwalter des materiellen Kulturerbes – sind allein schon aus Gründen räumlicher Beschränktheit überfordert mit kompletten Künstlernachlässen. Sie verfügen in der Regel auch nicht über die finanziellen Mittel, die spezialisierten Kenntnisse und technischen Voraussetzungen, um mit dem hochsensiblen Material arbeiten zu können. Auch Kunsthändler und Galeristen eignen sich als Garanten für den Schutz des fotografischen Kulturerbes nur bedingt. Am Kunstmarkt wächst derzeit zwar das Interesse an Archiven und Nachlässen. Zahlreiche international agierende kommerzielle Galerien haben in kurzer Zeit bereits komplette Bestände bildender Kunst aufgekauft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch fotografische Archive Ziel dieses Interesses werden. Doch damit droht Kulturgut von nationaler Bedeutung unwiderruflich verloren zu gehen. Hinzu kommt: Am Kunstmarkt ist der Marktwert eines Künstlers, einer Künstlerin entscheidend; doch schützenswert und bewahrenswert ist nicht nur das, was einen Marktwert hat. Kurz und gut: Es wird Zeit, dieses Thema endlich auf die bundeskulturpolitische Agenda zu setzen. Ich kann und will dem drohenden Verlust wertvollen Kulturgut jedenfalls nicht tatenlos zusehen; ich will und werde für eine zentrale Einrichtung eintreten, die das künstlerische Erbe herausragender deutscher Fotografinnen und Fotografen bewahrt.“
In der Schweiz, in Frankreich, Österreich und in den Niederlanden haben sich längst nationale Einrichtungen für die Archive, Vor- oder Nachlässe zeitgenössischer Fotografinnen und Fotografen etabliert.