Scheitern ist „in“, eine Fehlerkultur gehört in vielen Berufen unter Gründern und Selbständigen dazu. Das ist gut, wenn es um Innovation geht und die Bereitschaft aus Fehlern zu lernen. Aber manches Startup riskiert zu viel für den schnellen Erfolg. Es ist nicht zwingend notwendig, erst einmal alles in den Sand zu setzen. Manche Fotografen machen den Eindruck, dass sie es darauf abgesehen haben zu scheitern. Denn abgesehen von hoher Motivation und einer Profikamera lässt wenig darauf schließen, dass sie wissen, wie die Branche tickt, welche Stolperfallen lauern oder was einen Profifotografen ausmacht.
Warum glauben eigentlich so viele, dass sie Fotograf bzw. Berufsfotograf sind oder werden können? Immer wieder habe ich Gespräche mit (jungen) Menschen, die lieber fotografieren wollen, als in ihrem eigentlichen Beruf zu arbeiten. Sie haben einen Ausbildungsberuf gelernt oder ein Studium absolviert und damit gute Aussichten in Zukunft einen soliden oder interessanten Beruf auszuüben. Einen Beruf, der unter Umständen mehr Sicherheit oder Erfolg bietet als die Berufsfotografie. Trotzdem ist der Fotografen-Beruf ihr Traum und sie beginnen zu fotografieren oder tun das sowieso seit ihrem 5. Lebensjahr (wer nicht?). Erste Instagram „Erfolge“ und das Lob eines Kollegen machen ihnen Mut und bestärken sie in ihrem Vorhaben. Dann kommt ein Hochzeitsjob aus dem Bekanntenkreis oder ein kleiner Auftrag für eine Handwerks-Firma und die Entscheidung steht fest: Läuft, ich bin Fotograf.
Leider entscheiden sich diese Gründer für den Beruf, ohne zu wissen, welche Anforderungen er mit sich bringt, welche Hürden zu nehmen sind und was von ihnen auf technischer, fotografischer und unternehmerischer Ebene erwartet wird. Das Berufsbild Fotograf ist seit 2004 nicht mehr geschützt. Im Gegensatz zu vielen anderen Berufen. Ohne Ausbildung oder Studium und leider auch ohne Assistenz bei guten Fotografen machen sich manche selbständig – lediglich mit ein paar ganz guten Bildern.
Zahlreiche Statistiken untersuchen regelmäßig, welche zehn Hauptfaktoren die häufigsten Startup Fehler sind. Dabei tauchen immer wieder die gleichen Probleme auf. Sie betreffen nicht speziell Fotografen, sondern Gründer aus vielen Brachen. Doch einige sind insbesondere für Fotografen sehr zutreffend. Die wichtigsten vier möchte ich kurz skizzieren. Dabei steht „etwas gründen, was keiner braucht“ oft an der Spitze und ist der häufigste Fehler. Ist Fotografie etwas, was keiner braucht oder gibt es einfach zu viele Fotografen, die den Beruf ergreifen? Darüber lässt sich diskutieren. Aus meiner Sicht ist Fotografie ein erfolgversprechender Beruf, solange der Fotograf einige Faktoren für sein Unternehmen berücksichtigt. Zum Beispiel gutes inhaltliches Profil, ein modernes und hochwertiges Leistungsangebot, einen attraktiven Auftritt und ein gutes Netzwerk. Rückwärts gedacht, einfach nur Bilder machen genügt selbstverständlich nicht. An zweiter Stelle steht „sich zu günstig zu verkaufen“. Berufsfotografen neigen dazu, ihre Preise nicht solide zu kalkulieren und sich oftmals unter Wert anzubieten. Besonders die Quereinsteiger. Sicher auch ein Grund, warum Kunden sich in Punkto Preisverhandlung einiges erlauben. „Mangelnde Fokussierung“ liegt regelmäßig an Platz drei. Im Sinne von wenig spezialisiert auf Branchen, Inhalte oder Bildsprache trifft das für viele Fotografen zu, die gründen. Aber auch die Fokussierung im Hinblick auf gutes Zeitmanagement, das Prioritäten-Setzen oder Projektplanung fehlt manchem Startup. Und schließlich ein wichtiger Punkt: „Fehler im Marketing und im Vertrieb“. Viele Nachwuchs-Fotografen unterschätzen, wieviel Vorlauf zielgerichtete Akquisition benötigt, um Rücklauf zu erzielen. Und wieviel Zeit strategisches Marketing und Akquisition erfordert.
Wichtig auch „nicht um Unterstützung fragen“. Ich erwähne es, weil ich der Meinung bin, dass Fotografen sich zu wenig austauschen. Besonders wenn sie in keinem Berufsverband sind. Wo sich doch unter Kollegen so manche Frage schneller aus der Welt schaffen lässt.
Wie in jedem anderen Beruf sollten auch Fotografen nicht nur die Business-Basics kennen, um professionell in die Brache einzusteigen und zu wachsen. Auch die Startup Fehler sind vermeidbar, wenn das Risiko nicht unterschätzt wird.
Und welches Risiko gehen Sie ein?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative in der Honorar- und Nutzungsrechtegestaltung, der Angebotserstellung und der Kommunikation mit Kunden.
www.silkegueldner.de
Quellen: Statista; Forbes