Selbst Fotografen können manchmal keine Bilder mehr sehen. Fotografie ist allgegenwärtig und in den Sozialen Medien sind wir täglich von einer Bilderflut umgeben, der wir uns kaum entziehen können. Was ins Auge fällt, sind Motive und Projekte, die eine Aussage treffen oder eine Geschichte erzählen. Besonders die junge Fotografie bezieht Stellung durch fotografische Projekte. Das zeigt sich auch in Fotowettbewerben, wie dem Neuen BFF-Förderpreis, dessen aktuelles Thema „Haltung“ ist. Hier werden angehende Berufsfotografen gefördert und sind eingeladen, ihre persönliche Sichtweise im fotografischen Konzept zu zeigen. Sie machen gesellschaftliche und soziale Themen zu ihrer Angelegenheit.
In der Werbefotografie werden Produkte oder Dienstleistungen mit möglichst emotionaler, positiver Bildsprache dargestellt. Es geht um das Verkaufen. Diese plakativen, ästhetischen oder unterhaltsamen Bilder können mit ihrer Leichtigkeit und Attraktivität beeindrucken. Neue Denkanstöße finden wir aber in fotografischen Arbeiten, die eine konzeptionelle oder inhaltliche Klammer haben, eine Aussage transportieren und uns durch ihren persönlichen Ausdruck inspirieren. Der Wert der Fotografie ist nicht nur gutes Handwerk und moderne Technik. Es geht um Inhalte und Sichtweisen. Die redaktionelle Fotografie, der Fotojournalismus ist themenbasiert, betreibt Aufklärung und informiert in Dokumentationen oder Reportagen. Seit einiger Zeit bemüht sich auch die Werbung um echte und authentische Inhalte in der Bildsprache, in denen sich der Konsument wiederfindet. Eine erzählerische oder natürlich anmutende Bildsprache ist gesucht, die weniger artifiziell, dafür nahbar wirken soll.
Wo beginnt Haltung in der fotografischen Arbeit und wie können Fotografen ihr mächtiges Werkzeug, die Bilder, dafür nutzen? Haltung in der Sichtweise des Fotografen ist nicht zwangsläufig mit den Themen Wirtschaft oder Politik verknüpft. Haltung findet überall Ausdruck, auch in der Mode. Besonders die Mode spiegelt Zeitgeist und gesellschaftlichen Wandel wider und ist eine der ersten Ausdrucksformen für soziale und gesellschaftliche Themen. Das sieht auch der Felix Schoeller Photo Award so und hat die Wettbewerbs-Kategorie Mode in diesem Jahr neu aufgenommen. Haltung zeigt eine Hamburger Fotografin, die sich auf die Fotografie von nachhaltiger, ökologischer Mode spezialisiert hat, weil sie herkömmliche Bekleidung und ihre Produktionsbedingungen persönlich ablehnt.
Haltung zeigt auch ein Berliner Fotograf, der sich in seinen Arbeiten mit den Themen Wohnungsnot, Pflege, Alter und Obdachlosigkeit beschäftigt und den Finger in die Wunde dieser Brennpunkte legt. Diese Fotografien zeigen Wirkung in Form von Aufträgen und Kunden, die aus diesen Bereichen stammen.
Im BFF-Förderpreis Programm 2018 präsentierten die Studierenden ihre Projekte, die sich mit Lichtverschmutzung, Abwehrvorrichtungen gegen Personen in der städtischen Architektur oder dem Braunkohleabbau befassten. In der Auswahl ihres Themas und der fotografischen Umsetzung wird ihre persönliche Haltung deutlich.
Auch in der Werbung, wo Hochglanz-Bildsprache für viele Kampagnen gewünscht ist, kann Haltung Ausdruck finden. Der Genuss von Kaffee beispielsweise ist ein beliebtes fotografisches Thema. Nicht nur in Jobs, viele freie Arbeiten rücken das leckere Getränk ins Blickfeld. An Tiefe gewinnt die Arbeit, wenn sie mit dem Produkt einen Hintergrund abbildet, wie beispielsweise Kaffee aus fairem Anbau. So wird fast jedes fotografische Sujet mit mehr Haltung denkbar.
„Das Wesen des Bildes ist subjektiv“ betonte Walter Schels kürzlich wieder im Rahmen des Artist Talks im Haus der Photographie in Hamburg. Wenige Porträt-Fotografien zeigten in dem Maße Haltung, wie seine Arbeiten. Die Fotografie ist ein wunderbares Medium, eine persönliche Haltung zu transportieren. Ein Fotoprojekt kann viel mehr bewirken, als nur mit einem smarten Look versehen hübsch aussehen. Fotografie kann aufklären, hinweisen und inspirieren. Mit der Entscheidung für ein Thema bezieht der Fotograf Position und trägt dazu bei, dass eine Geschichte mit Haltung entsteht, die im Bewusstsein bleibt.
Die Zukunft der Fotografie als Geschäftsmodell ist nicht nur das Verkaufen von Bildern. Die Zukunft der Fotografie braucht Haltung und Kreativität, als Fotograf und in den fotografischen Projekten. Und Mut zur Subjektivität!
Und was ist Ihre Haltung?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, einem erfolgreichen Auftritt und der digitalen Strategie.
www.silkegueldner.de